BFH-Entscheidung zum Zollwert bei verbundenen Unternehmen und Verrechnungspreisanpassungen
Mit Urteil vom 15. Juli 2025 (Az. VII R 36/22) hat der Bundesfinanzhof eine für international tätige Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Betriebe mit Importgeschäft, bedeutsame Entscheidung zur Zollwertermittlung getroffen. Die Entscheidung betrifft grenzüberschreitende Lieferungen zwischen verbundenen Unternehmen und präzisiert, unter welchen Umständen nachträgliche Preisanpassungen bei der Zollwertermittlung berücksichtigt werden dürfen. Das Urteil hat erhebliche praktische Relevanz für produzierende Mittelständler, Onlinehändler und Dienstleistungsbetriebe mit Auslandslieferketten, etwa in der Gesundheitswirtschaft oder Pflegebranche, die regelmäßig von verbundenen Gesellschaften Produkte importieren.
Der Bundesfinanzhof befasste sich mit der Frage, ob nach der Überlassung von Waren der ursprünglich erklärte Zollwert auf Grundlage späterer Preisnachbelastungen geändert werden kann, wenn zwischen Käufer und Verkäufer eine gesellschaftsrechtliche Verbundenheit besteht. Konkret ging es um Verrechnungspreisvereinbarungen innerhalb eines Konzerns, die nachträgliche Margenanpassungen vorsahen. Die Zollverwaltung hatte aus solchen Anpassungen den Schluss gezogen, dass der ursprünglich angemeldete Preis nicht fremdüblich gewesen sei, wodurch eine Nachveranlagung der Einfuhrabgaben erfolgte. Das Finanzgericht München hatte dem noch widersprochen, doch der Bundesfinanzhof hob diese Entscheidung auf und verwies die Sache zurück.
In der Sache geht es um die richtige Anwendung des Artikels 70 Zollkodex der Union, der den sogenannten Transaktionswert als Bemessungsgrundlage für den Zollwert vorsieht. Nur wenn dieser Wert nicht anerkannt werden kann, etwa weil die Preisbildung zwischen verbundenen Unternehmen beeinflusst wurde, kommen nachrangige Bewertungsmethoden zur Anwendung. Genau an dieser Stelle liefert der Bundesfinanzhof wesentliche Klarstellungen.
Rechtliche Begründung und Grenzen der Transaktionswertmethode im Zollrecht
Der Bundesfinanzhof stellte zunächst klar, dass eine nachträgliche Überprüfung des Zollwerts nach Übergabe der Ware durch die Zollbehörden grundsätzlich zulässig bleibt, etwa nach Artikel 48 Zollkodex der Union. Damit wird eine flexible, aber zugleich rechtssichere Korrektur ermöglicht, wenn sich nachträglich Hinweise auf eine Preisbeeinflussung ergeben. Entscheidend ist jedoch, ob die Verbundenheit der beteiligten Unternehmen den ursprünglichen Preis tatsächlich beeinflusst hat. Eine Verbindung im rechtlichen Sinne liegt beispielsweise dann vor, wenn eine Unternehmung die andere kontrolliert oder beherrscht. Für die Anerkennung des Transaktionswerts genügt die reine Verbundenheit nicht, wohl aber der Nachweis, dass der vereinbarte Preis wie unter fremden Dritten gebildet wurde und den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert widerspiegelt.
Das Gericht führt aus, dass dann, wenn der Preis im Nachhinein erhöht wird, regelmäßig ein Indiz für eine ursprüngliche Preisbeeinflussung vorliegt. Wird der Wert zunächst zu niedrig angesetzt und später nachbelastet, spricht dies für eine unterkonzernliche Preisgestaltung, die außerhalb des Fremdvergleichs steht. In solchen Fällen greift die Transaktionswertmethode nicht und der Zollwert ist nach den nachrangigen Methoden, gegebenenfalls auf Basis von Vergleichswerten unverbundener Transaktionen, zu bestimmen. Das Finanzgericht muss hierzu die Vertragsbeziehungen umfassend prüfen – insbesondere den Inhalt von Vertriebsvereinbarungen, Verrechnungsmargen und Preisanpassungsklauseln – um festzustellen, ob die Preisgestaltung auf objektiven Faktoren beruhte oder durch Konzerninteressen beeinflusst war.
Der Bundesfinanzhof unterstreicht die Pflicht der anmeldenden Unternehmen, die Fremdüblichkeit ihrer internen Preise im Zeitpunkt der Zollanmeldung nachweisen zu können. Die Zollbehörden dürfen dabei die Preisbildung kritisch hinterfragen und eine Anpassung des Zollwerts dann anordnen, wenn aus den Umständen des Geschäfts erkennbar ist, dass der ursprüngliche Preis nicht den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert widerspiegelte. Das Urteil berücksichtigt die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, unter anderem zur Unzulässigkeit pauschaler Korrekturen, wenn Preisänderungen erst nach Ablauf des Rechnungsjahres ohne vordefinierte Berechnungsgrundlage beschlossen werden.
Konsequenzen und Umsetzungsbedarf für Unternehmen in der Praxis
Für die Unternehmenspraxis bedeutet die Entscheidung eine erhebliche Stärkung der Sorgfaltspflichten im Bereich der Zollwertermittlung. Besonders betroffen sind kleine und mittelständische Unternehmen mit internationalen Lieferstrukturen, etwa Komponentenfertiger, Pflegeeinrichtungen mit Auslandseinkäufen von Medizintechnik oder Onlinehändler, die Waren aus verbundenen Tochtergesellschaften beziehen. Sie müssen ihre zollrelevanten Verrechnungspreise künftig dokumentationsfähig gestalten und dafür Sorge tragen, dass jede angenommene Fremdüblichkeit überprüfbar belegt werden kann. Ohne belastbare Nachweise kann die Zollverwaltung künftig leichter davon ausgehen, dass der Preis beeinflusst war und den ursprünglichen Zollwert korrigieren.
Praktisch bedeutsam ist, dass die Beweislast im Grundsatz beim Importeur liegt. Unternehmen sollten vertragliche Preisanpassungsklauseln so gestalten, dass sie objektive, im Voraus festgelegte und quantifizierbare Faktoren enthalten. Andernfalls droht die nachträgliche Aberkennung der Transaktionswertmethode mit der Folge höherer Zollbelastungen. Besonders risikobehaftet sind Modelle, bei denen Jahresendabrechnungen pauschale Nachforderungen oder Gutschriften enthalten, ohne dass deren Berechnung bereits bei Vertragsschluss exakt feststeht. Hier empfiehlt sich die enge Abstimmung zwischen Finanzabteilungen, Steuerberatung und Zollverantwortlichen. Für Finanzinstitute, die Handelsfinanzierungen und Zollbürgschaften begleiten, schafft die Entscheidung zudem mehr Transparenz über mögliche Nachveranlagungsrisiken.
Das Urteil verdeutlicht auch, dass eine einmalige Nachbelastung Anlass für eine sofortige Anpassung der Preisparameter in künftigen Zollanmeldungen sein muss. Unterbleibt dies, kann die Zollverwaltung die fehlende Anpassung als Indiz für eine systematische Preisunterbewertung heranziehen. Für Konzerne mit langjährig konsolidierten Verrechnungspreismodellen wird dadurch der Druck steigen, Zoll- und Verrechnungspreisprozesse stärker zu verzahnen. Digitale Compliance-Lösungen, die Transaktionsdaten automatisch mit Verrechnungspreismodokumentationen abgleichen, können helfen, solche Risiken frühzeitig zu identifizieren.
Schlussfolgerung und Ausblick für Unternehmenspraxis und Beratung
Die aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzhofs schafft neue Klarheit im Zusammenspiel zwischen Zoll- und Verrechnungspreisrecht. Sie zeigt Unternehmen, wie wichtig die konsistente und nachvollziehbare Dokumentation ihrer Preismodelle ist. Wer als Importeur mit verbundenen Unternehmen handelt, sollte bereits bei der Zollanmeldung sicherstellen, dass die zugrunde liegenden Preise fremdüblich und nachprüfbar sind. Eine spätere Nachbelastung kann andernfalls leicht als Hinweis auf Preisbeeinflussung gewertet werden. Für kleine und mittlere Betriebe bietet sich die Gelegenheit, interne Prozesse kritisch zu überprüfen und im Zusammenspiel von Buchhaltung, Steuern und Zollabwicklung zu optimieren.
Unsere Kanzlei begleitet Unternehmen sämtlicher Branchen bei der Digitalisierung und Prozessoptimierung ihrer steuerlichen und buchhalterischen Abläufe. Durch gezielte Automatisierung und digitale Prozessanalysen ermöglichen wir kleinen und mittelständischen Unternehmen erhebliche Effizienz- und Kostenvorteile. Unsere Erfahrung aus der Betreuung von Onlinehändlern, Pflegeeinrichtungen und produzierenden Mittelständlern zeigt: Ein digital durchdachter Zoll- und Buchführungsprozess ist der Schlüssel zu mehr Sicherheit und Wirtschaftlichkeit im internationalen Handel.
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