Rechtlicher Hintergrund der Zollwertermittlung bei verbundenen Unternehmen
Die Ermittlung des Zollwerts ist ein zentrales Element der zollrechtlichen Abfertigung von Waren, da sie die Grundlage für die Berechnung der Einfuhrabgaben bildet. Nach dem Zollkodex der Union bestimmt sich der Zollwert grundsätzlich nach dem sogenannten Transaktionswert, also dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis für die eingeführte Ware. Bestehen jedoch zwischen Käufer und Verkäufer Verbindungen, die den Preis beeinflussen können, sind die Zollbehörden verpflichtet zu prüfen, ob der angegebene Preis den Marktbedingungen entspricht. Der Begriff der Verbundenheit umfasst unter anderem gesellschaftsrechtliche, finanzielle oder organisatorische Beziehungen zwischen Unternehmen, etwa innerhalb eines Konzerns oder zwischen Tochtergesellschaften und Muttergesellschaften.
Nach Artikel 70 des Zollkodex der Union dürfen Zollbehörden den angegebenen Transaktionswert nur dann anerkennen, wenn nachgewiesen wird, dass die bestehenden Verbindungen zwischen Käufer und Verkäufer keinen Einfluss auf den vereinbarten Preis hatten. Andernfalls kommt die Anwendung alternativer Bewertungsmethoden nach Artikel 74 des Zollkodex der Union in Betracht. Diese reichen von der Vergleichswertmethode über die ermittelte oder errechnete Methode bis hin zu einer Rückgriffsmethode, die auf vorhandenen Marktinformationen beruht. Die Prüfung der Preisgestaltung ist damit ein wesentlicher Bestandteil grenzüberschreitender Handelsgeschäfte, insbesondere bei konzerninternen Lieferungen.
Der Bundesfinanzhof und die Bedeutung des Urteils vom 15. Juli 2025
Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 15. Juli 2025 (Az. VII R 36/22) entschieden, dass eine nachträgliche Preiserhöhung bei verbundenen Unternehmen ein Hinweis darauf sein kann, dass die Verbundenheit den ursprünglich angegebenen Preis beeinflusst hat. Dabei ging es um die Frage, ob eine unterjährig erfolgte Anpassung von Verrechnungspreisen nachträglich in den Zollwert einzubeziehen ist. Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass in Fällen, in denen der ursprünglich angemeldete Preis zu niedrig war und erst im Nachgang auf das marktkonforme Niveau angehoben wurde, eine Preisbeeinflussung durch die Verbundenheit regelmäßig vermutet werden könne. In solchen Fällen sei die Transaktionswertmethode möglicherweise ausgeschlossen, da die Preisgestaltung nicht den Grundsätzen des freien Marktes entspreche.
Die Entscheidung betont die Prüfpflichten der Zollbehörden und verdeutlicht zugleich die Verantwortung der Unternehmen, ihre internen Verrechnungspreise auch im Zollrecht nachvollziehbar zu dokumentieren. Das Gericht stellte heraus, dass Nachbelastungen oder Gutschriften aufgrund von Transferpreisvereinbarungen innerhalb eines Konzerns regelmäßig zu hinterfragen seien, wenn sie nach der Einfuhr einer Ware vorgenommen werden. Maßgeblich sei, ob die ursprüngliche Preisfestsetzung unter Beachtung marktüblicher Bedingungen erfolgte oder ob die Beziehung zwischen den Unternehmen den Preis maßgeblich beeinflusst hat.
Praktische Auswirkungen auf Unternehmen und Steuerberatung
Für internationale Unternehmensgruppen hat die Entscheidung eine erhebliche praktische Bedeutung. Während die Finanzverwaltung im Steuerrecht bei der Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz operiert, müssen im Zollrecht eigene Bewertungsmaßstäbe beachtet werden. Ein Preis, der steuerlich akzeptiert wird, ist daher nicht automatisch auch zollrechtlich anerkennungsfähig. Diese Diskrepanz stellt insbesondere produzierende Unternehmen mit internationalen Lieferketten vor Herausforderungen. So kann eine nachträgliche Erhöhung der Verrechnungspreise im Rahmen einer konzerninternen Anpassung zu einer zollrechtlichen Neubewertung führen und gegebenenfalls Nachforderungen an Einfuhrabgaben begründen.
Für Onlinehändler, die Waren aus verbundenen ausländischen Gesellschaften beziehen, bedeutet dies, dass die getroffenen Preisvereinbarungen besonders sorgfältig dokumentiert werden müssen. Fehlt eine ausreichende Begründung für die Preisbildung oder wird der Preis nachträglich korrigiert, kann die Zollbehörde eine eigenständige Prüfung des Zollwerts vornehmen. In diesem Zusammenhang ist es auch sinnvoll, zollrechtliche und steuerliche Dokumentationspflichten stärker zu verzahnen, um Doppelprüfungen und Unsicherheiten zu vermeiden. Steuerberatende und Zollverantwortliche sollten daher eng zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass zollrelevante Transaktionen vollständig und schlüssig nachvollziehbar sind.
Auch kleine und mittelständische Unternehmen, die Teil eines internationalen Konzerns oder Franchise-Systems sind, sollten die Grundsätze dieses Urteils beachten. Selbst wenn die zollrechtlichen Beträge im Verhältnis zum gesamten Warenumsatz überschaubar erscheinen, kann ein Verstoß gegen die korrekte Zollwertermittlung erhebliche finanzielle und haftungsrechtliche Folgen haben. Wichtig ist daher eine transparente und regelmäßige Überprüfung der verwendeten Preisansätze in den Zollanmeldungen sowie eine konsistente Anwendung der Bewertungsmethoden im gesamten Unternehmen.
Fazit und Handlungsempfehlung für die Praxis
Das Urteil des Bundesfinanzhofs verdeutlicht, dass die Zollwertermittlung bei verbundenen Unternehmen besondere Aufmerksamkeit erfordert. Nachträgliche Preisänderungen oder Anpassungen von Verrechnungspreisen sind stets kritisch zu prüfen, da sie Anhaltspunkte für eine Preisbeeinflussung liefern können. Unternehmen sollten darauf achten, ihre Preisbildungsmechanismen transparent zu gestalten und dokumentarisch zu belegen, dass die vereinbarten Preise auch unter Nicht verbundenen realistisch wären. Dies senkt das Risiko, dass Zollbehörden eine Neubewertung des Zollwertes vornehmen und Nachforderungen erheben.
Für die Praxis empfiehlt sich die frühzeitige Einbindung von Fachleuten aus Zoll- und Steuerwesen, um ein einheitliches Compliance-Konzept zu entwickeln. Durch den Einsatz digitaler Datenanalyse und automatisierter Prozesse lassen sich Preisflüsse und Zollanmeldungen effizient überwachen und Unstimmigkeiten rechtzeitig erkennen. Unternehmen, die ihre internen Systeme konsequent digitalisieren und die Schnittstellen zwischen Buchhaltung, Zoll und Controlling optimieren, schaffen damit nicht nur Transparenz, sondern auch nachhaltige Kostenvorteile. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen dabei, genau diese Prozesse zu gestalten, die Buchhaltung zu digitalisieren und erhebliche Effizienzgewinne bei der Abwicklung zollrelevanter Geschäftsvorfälle zu realisieren. Mit unserer Erfahrung in der Prozessoptimierung tragen wir dazu bei, steuerliche und zollrechtliche Risiken dauerhaft zu minimieren.
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