Wegzugsteuer bei GmbH-Gesellschaftern: Hintergrund und Regelung
Die sogenannte Wegzugsteuer ist für viele GmbH-Gesellschafter ein zentrales Hindernis, wenn sie den Wohnsitz ins Ausland verlagern möchten. Grundlage ist § 6 Außensteuergesetz, der bei der Entstrickung von Anteilen an Kapitalgesellschaften greift. Unter Entstrickung versteht man die steuerliche Fiktion eines Verkaufs, auch wenn tatsächlich keine Veräußerung stattgefunden hat. Dadurch wird ein Gewinn ermittelt, der unmittelbar der Besteuerung unterliegt. Besonders problematisch ist hierbei, dass es sich um einen rein fiktiven Vorgang handelt, da die Steuerpflicht entsteht, ohne dass dem Gesellschafter tatsächlich liquide Mittel zufließen. Unternehmerinnen und Unternehmer müssen diese Steuer aus dem Privatvermögen begleichen, was in der Praxis viele Investitions- und Expansionspläne blockiert. Besonders stark betroffen sind kleine und mittelständische Unternehmen sowie spezialisierte Einrichtungen wie Ärztinnenpraxen, Pflegeeinrichtungen oder auch Onlinehändler, deren Eigentümer zunehmend international denken und handeln.
Vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage, ob und wie sich eine legale Gestaltungsalternative nutzen lässt, an Bedeutung. Besonders die Holdingstruktur rückt zunehmend in den Fokus der steuerlichen Gestaltung.
Juristische Analyse zur Holdingstruktur und Wegzugsteuer
Juristisch betrachtet stellt sich zunächst die Frage, warum eine Holdingstruktur überhaupt ein geeignetes Mittel sein kann, um die Wegzugsteuer zu vermeiden. Auf den ersten Blick erscheint dies widersprüchlich, da auch eine Holding eine Kapitalgesellschaft in Form einer GmbH ist. Das bedeutet, dass bei einem Wegzug anstelle der direkten Beteiligung am operativen Unternehmen die Beteiligung an der Holdinggesellschaft von der Wegzugsteuer betroffen wäre. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch in der bilanziellen Ausgestaltung der Holding und den Möglichkeiten, den Wert der Gesellschaft bei einem Wegzug steuerlich zu neutralisieren.
- Zunächst kann die operative Tochtergesellschaft durch steuerneutrale Einbringung nach § 20 Umwandlungssteuergesetz in die neu gegründete Holding überführt werden. Der Begriff steuerneutrale Einbringung bedeutet, dass die Anteile nicht mit einem fiktiven Gewinn, sondern mit dem Buchwert eingebracht werden.
- Die Holding bilanziert diese Beteiligung in der Handelsbilanz als Aktivposten, während sie auf der Passivseite einen entsprechenden Gewinn ausweist, der faktisch noch nicht ausgeschüttet wurde.
- Durch anschließenden Gesellschafterbeschluss kann dieser Gewinn ausgeschüttet, jedoch in der Praxis nicht ausgezahlt, sondern als Forderung des Gesellschafters bilanziert werden. Auf diese Weise entsteht auf Ebene der Holding eine Verbindlichkeit, die den Wert der Gesellschaft mindert.
- Kommt es nun zum Wegzug, entspricht der Wert der Holding faktisch null, da das Aktivvermögen durch die Verbindlichkeit auf der Passivseite ausgeglichen wird. Eine Wegzugsteuer kann daher mangels positiver Bemessungsgrundlage nicht entstehen.
Die Gestaltungslogik beruht somit auf einem gesetzlich zulässigen bilanziellen Ausgleich. Gleichzeitig ist zu beachten, dass im Moment einer tatsächlichen Ausschüttung Kapitalertragsteuer gemäß Einkommensteuergesetz anfällt. Dieser Effekt setzt jedoch erst im Zeitpunkt der Auszahlung ein, wodurch der Gesellschafter – wenn er bereits im Ausland ansässig ist – steuerlich anders behandelt werden kann.
Praktische Auswirkungen für GmbH-Gesellschafter und Mittelstand
Für kleine Unternehmerinnen und Unternehmer, mittelständische Betriebe sowie spezialisierte Einrichtungen wie Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäuser kann die beschriebene Gestaltung einen erheblichen Unterschied machen. Viele Gesellschafter dieser Gruppen tragen sich mit dem Gedanken, den Unternehmenssitz oder den Wohnsitz ins Ausland zu verlegen, sei es aus privaten oder strategischen Gründen der Unternehmensnachfolge oder Expansion. Ohne geeignete Struktur müsste die Wegzugsteuer aus liquiden Mitteln beglichen werden, die in den meisten Fällen schlicht nicht vorhanden sind.
Besonders für Onlinehändler, die zunehmend international agieren, kann die Holdingstruktur eine steuerliche Optimierung darstellen. Auch für ärztliche Versorgungszentren oder Pflegegesellschaften, deren Eigentümer häufig langfristig Kapital aufbauen, eröffnet sich auf diese Weise die Chance, Vermögen ohne sofortigen steuerlichen Zugriff des deutschen Fiskus zu verlagern. Wichtig ist dabei, dass die Gestaltung rechtzeitig und korrekt umgesetzt wird, um Rechtssicherheit zu erzielen.
Die praktische Stärke dieses Modells liegt darin, dass die notwendigen Schritte aus dem Umwandlungssteuerrecht und der Bilanzierung vollkommen legal ermöglicht werden. Dennoch besteht das Risiko, dass der Gesetzgeber zukünftige Korrekturen vornimmt, sobald die strategische Lücke stärker genutzt wird. Für Unternehmensführungen und Steuerberatungen bedeutet das eine sorgfältige Planung sowie die Abwägung, ob eine solche Gestaltung individuell geeignet ist oder ob alternative Modelle sinnvoller wären.
Fazit: Wegzugsteuer vermeiden durch Holdingstruktur
Die Holdingstruktur eröffnet GmbH-Gesellschaftern eine wirkungsvolle Möglichkeit, die Wegzugsteuer beim Wechsel ins Ausland zu vermeiden oder zumindest erheblich zu reduzieren. Verfahren aus dem Umwandlungssteuerrecht und bilanzielle Gestaltungsspielräume machen es möglich, den Unternehmenswert im Zeitpunkt des Wegzugs auszugleichen, sodass keine steuerpflichtige Bemessungsgrundlage entsteht. Für kleinere und mittelständische Unternehmen, Praxen, Pflegeeinrichtungen und Onlinehändler liegt der Mehrwert vor allem darin, dass liquide Mittel nicht für eine rein fiktive Steuerbelastung geopfert werden müssen. Auch wenn steuerliche Rahmenbedingungen sich künftig ändern können, ist die Holdinglösung eine aktuell überzeugende Option, die sich in der Praxis bewährt.
Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen bei der Umsetzung solcher Gestaltungen. Wir sind spezialisiert auf die Digitalisierung der Buchhaltung und die Prozessoptimierung im Mittelstand und haben vielfach gesehen, welch erhebliche Kosten- und Effizienzvorteile unsere Mandanten dadurch erzielen können.
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