Vertiefte Prüfpflichten der Kassenärztlichen Vereinigungen
Das Verwaltungsgericht Berlin hat in seinem Urteil vom 24. Juni 2025 (Az. VG 40 K 15/25) klargestellt, dass die Kassenärztliche Vereinigung Berlin bei der Abrechnung von Corona-Teststellen eine vertiefte Prüfung der Abrechnungsunterlagen durchführen muss, bevor sie eine Vergütung kürzt oder Rückforderungen ausspricht. Die Entscheidung basiert auf der Coronavirus-Testverordnung, welche bundesweit die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Vergütung von Teststellen regelt. Damit wird ein wesentlicher Grundsatz des Verwaltungsrechts, nämlich der der Verhältnismäßigkeit, auf die tägliche Abrechnungspraxis übertragen.
Das Gericht stellte fest, dass eine reine Plausibilitätsprüfung, die lediglich auf die ursprünglich angegebene Testkapazität abstellt, nicht ausreicht. Überschreiten die gemeldeten Testzahlen die bei der Anmeldung angegebene Kapazität, muss die Kassenärztliche Vereinigung die eingereichten Unterlagen einer vollständigen inhaltlichen Kontrolle unterziehen. Es genügt also nicht, von der Überschreitung pauschal auf eine Unrichtigkeit der Abrechnung zu schließen.
Juristische Einordnung und Bedeutung des Urteils
Eine vertiefte Prüfung bedeutet, dass die Behörde im Rahmen des Verwaltungsverfahrens im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes verpflichtet ist, den Sachverhalt vollständig und sorgfältig zu ermitteln. Die Kassenärztliche Vereinigung darf sich nicht auf erste Anhaltspunkte stützen, sondern muss insbesondere die Testnachweise und Dokumentationen individuell bewerten. Unterbleibt eine solche Prüfung, liegt ein Verfahrensfehler vor, der zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts führen kann.
Für Praxisbetriebe und Teststellenbetreiber ist das Urteil von besonderem Interesse, weil es ihre Rechtsposition gegenüber den prüfenden Behörden stärkt. Es verdeutlicht, dass selbst dann, wenn eine Teststelle ihre ursprünglich angegebene Kapazität überschreitet, dies allein keine Rückforderung rechtfertigt. Entscheidend ist, dass die Leistungen tatsächlich erbracht wurden und dies ordnungsgemäß dokumentiert ist. Dieses Verständnis wahrt nicht nur die materielle Gerechtigkeit, sondern sichert auch das Vertrauen in die Verwaltungsverfahren im Gesundheitswesen.
Praktische Folgen für Unternehmen und Gesundheitseinrichtungen
Für Betreiber von Testzentren, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen, die in kurzer Zeit Testinfrastrukturen aufgebaut haben, ist dieses Urteil ein wichtiges Signal. Es schützt sie vor pauschalen Rückforderungen und fordert eine sachbezogene, individuelle Prüfung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen. Auch größere Gesundheitsanbieter und Pflegeeinrichtungen profitieren von dieser Entscheidung, da sie häufig im Zusammenspiel mit den Kassenärztlichen Vereinigungen abrechnen müssen.
Zugleich stellt das Urteil Anforderungen an die interne Dokumentations- und Nachweisführung. Unternehmen, die Test- oder vergleichbare Dienstleistungen im Gesundheitsbereich anbieten, sollten ihre internen Prozesse so gestalten, dass sämtliche Leistungserbringungsnachweise, Terminaufzeichnungen und Personallisten systematisch archiviert und jederzeit prüfbar sind. Damit lassen sich Plausibilitätsprüfungen transparent gestalten und zeitnah beantworten. Zudem wird durch eine sorgfältige Dokumentation sichergestellt, dass auch bei einer nachträglichen Prüfung, etwa im Zuge von Rückforderungsverfahren, die Beweislast nicht allein zu Lasten des Unternehmens fällt.
In dieser Hinsicht zeigt der Fall exemplarisch, wie eng verwaltungsrechtliche Prüfpflichten und betriebliche Dokumentationspflichten miteinander verknüpft sind. Eine rechtskonforme Organisation in der Abrechnungspraxis ist somit nicht nur ein Gebot der Compliance, sondern auch ein wirksames Mittel zur Sicherung liquider Mittel und zur Vermeidung nachträglicher Belastungen.
Fazit: Lehren für die Praxis und Bedeutung für die Prozessoptimierung
Das Berliner Urteil verdeutlicht, dass behördliche Verfahren auf fundierter Tatsachenermittlung beruhen müssen und nicht auf pauschalen Annahmen. Für die Praxis bedeutet dies, dass Leistungserbringer in Gesundheitsdienstleistungen eng mit dem Verwaltungsrecht vertraut sein sollten, um ihre Ansprüche konsequent zu wahren. Abrechnungsprüfungen durch Körperschaften des öffentlichen Rechts verlangen stets eine nachvollziehbare Begründung und vollständige Akteneinsicht, damit die Betroffenen ihre Rechte wahren können. Unternehmerische Vorsorge durch strukturierte Prozessabläufe, digitale Nachweisführung und transparente Kommunikation mit den Behörden wird dadurch zu einem wesentlichen Bestandteil moderner Unternehmensführung.
Gerade kleinere und mittlere Unternehmen im Gesundheitssektor können aus dieser Entscheidung lernen, wie wichtig eine digitale und rechtssichere Gestaltung von Abrechnungsprozessen ist. Eine klare Prozessstruktur erlaubt nicht nur die schnelle Überprüfung durch Dritte, sondern schützt auch vor unberechtigten Rückforderungen. Unsere Kanzlei begleitet Unternehmen in der Umsetzung solcher Prozesse, insbesondere bei der Digitalisierung und Optimierung der Buchhaltungs- und Verwaltungsabläufe, um Effizienzsteigerungen und erhebliche Kostenersparnisse zu realisieren. Wir betreuen Mandanten aller Art, vom kleinen bis zum mittelständischen Unternehmen, mit fundierter Erfahrung in der Prozessoptimierung und der Digitalisierung betrieblicher Strukturen.
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