Internationale Standortentscheidungen im Wandel
Zwischen 2021 und 2023 haben laut einer aktuellen Auswertung des Statistischen Bundesamtes rund 1.300 Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten Unternehmensfunktionen teilweise oder vollständig ins Ausland verlagert. Dies entspricht etwa 2,2 Prozent aller größeren deutschen Unternehmen. Der Trend verdeutlicht, wie stark sich die internationale Arbeitsteilung und die Einbindung deutscher Unternehmen in globale Wertschöpfungsketten verändert haben. Rund 59 Prozent dieser Betriebe sind inzwischen in internationale Produktions- oder Dienstleistungsprozesse integriert, was längst nicht mehr nur Konzerne betrifft, sondern zunehmend auch mittelständische Unternehmen verschiedenster Branchen, etwa im verarbeitenden Gewerbe, in der Pflegewirtschaft oder im E-Commerce.
Die Beweggründe für Verlagerungen sind vielfältig, im Kern jedoch wirtschaftlich motiviert. Haupttreiber sind Kosteneinsparungen, insbesondere geringere Lohnkosten im Ausland, sowie der anhaltende Fachkräftemangel in Deutschland. Hinzu kommen strategische Entscheidungen auf Konzernebene, die auf eine effizientere Verteilung von Unternehmensfunktionen entlang globaler Lieferketten abzielen. Dennoch müssen Unternehmen bei solchen Entscheidungen nicht nur ökonomische, sondern insbesondere rechtliche, steuerliche und organisatorische Faktoren sorgfältig abwägen, da der Prozess erhebliche Compliance-Anforderungen mit sich bringt.
Steuerliche Herausforderungen bei Auslandsverlagerungen
Die steuerlichen Implikationen von Unternehmensverlagerungen sind komplex und berühren gleich mehrere Rechtsbereiche. Im deutschen Steuerrecht spielt hierbei vor allem das Außensteuergesetz eine zentrale Rolle. Dieses Gesetz dient der Verhinderung von Steuerverkürzungen, die sich aus der Verlagerung von Unternehmenswerten, immateriellen Wirtschaftsgütern oder Funktionen ins Ausland ergeben können. Eine sogenannte Funktionsverlagerung im Sinne des Außensteuergesetzes liegt vor, wenn wesentliche Teile der unternehmerischen Tätigkeit – beispielsweise Produktion, Entwicklung oder Vertrieb – auf eine ausländische Gesellschaft übergehen. In diesem Fall ist regelmäßig eine sogenannte Entstrickungsbesteuerung zu prüfen, bei der die stillen Reserven aufgedeckt und in Deutschland versteuert werden.
Für mittelständische Unternehmen stellt dies oft eine erhebliche steuerliche Herausforderung dar, da gleichzeitig Transferpreise an die jeweiligen ausländischen Gesellschaften marktgerecht dokumentiert werden müssen. Die Finanzverwaltung prüft in solchen Fällen intensiv, ob Gewinne angemessen zwischen inländischer und ausländischer Betriebsstätte verteilt wurden. Eine fehlerhafte Bewertung kann Nachversteuerungen, Zinsbelastungen und erhebliche Reputationsrisiken nach sich ziehen. Eine frühzeitige steuerliche Planung ist daher zwingend erforderlich, insbesondere wenn immaterielle Wirtschaftsgüter wie Markenrechte, Patente oder Produktions-Know-how betroffen sind.
Wirtschaftliche und organisatorische Aspekte
Die Entscheidung für eine Standortverlagerung ist nicht ausschließlich steuergetrieben. Häufig spielen Kostenvorteile im Bereich der Produktion, der Energieversorgung oder der Personalstruktur eine zentrale Rolle. Rund 74 Prozent der betroffenen Unternehmen nannten niedrigere Lohnkosten als Hauptmotiv. Zugleich gaben 38 Prozent an, dass der Fachkräftemangel im Inland ein wesentlicher Grund für ihre Entscheidung war. Damit offenbart sich eine strukturelle Herausforderung, die insbesondere mittelständische Unternehmen zur Internationalisierung zwingt. Während internationale Rationalisierungen kurzfristig zu einer Entlastung der Kostenstruktur führen können, ist deren Umsetzung mit rechtlichen, organisatorischen und kulturellen Hürden verbunden. Unterschiedliche Arbeitsrechtssysteme, Sozialversicherungsbeiträge und lokale Genehmigungsanforderungen können Prozesse verlangsamen oder Mehrkosten verursachen. Hinzu kommt, dass steuerliche Doppelbelastungen entstehen können, wenn zwischen dem deutschen Staat und dem Zielstaat keine ausreichenden Doppelbesteuerungsabkommen bestehen.
In Branchen mit hohem Fachkräfteanteil, etwa in Technologieunternehmen oder Pflegeeinrichtungen mit IT-gestützter Administration, gelingt die Verlagerung seltener vollständig. Hier überwiegt die hybride Zusammenarbeit in Form von ausgelagerten Teilfunktionen wie Softwareentwicklung, Lohnbuchhaltung oder Datenanalyse im Ausland. Solche Modelle erfordern eine präzise Abstimmung zwischen deutschem Stammhaus und ausländischen Dienstleistungspartnern. Besonders in hochregulierten Sektoren ist zusätzlich sicherzustellen, dass Datenverarbeitung und IT-Infrastruktur den europäischen Datenschutzvorschriften entsprechen, insbesondere der Datenschutz-Grundverordnung.
Fazit und praktische Handlungsempfehlungen
Internationale Verlagerungsprozesse werden für deutsche Unternehmen ein strategisch relevantes Thema bleiben. Die jüngsten Zahlen zeigen, dass sich Globalisierungstendenzen trotz geopolitischer Unsicherheiten fortsetzen. Wer Unternehmensfunktionen ins Ausland verlagert, muss die steuerliche und rechtliche Gestaltung von Beginn an präzise strukturieren. Neben der Einhaltung der Vorschriften des Außensteuergesetzes sollten insbesondere die Dokumentationspflichten im Bereich der Verrechnungspreise, die Einhaltung europäischer Beihilferegeln und das jeweilige lokale Steuerrecht lückenlos beachtet werden. Eine sorgfältige Kosten-Nutzen-Analyse, die nicht nur Lohn- und Produktionskosten, sondern auch steuerliche und administrative Aufwendungen berücksichtigt, bildet die Grundlage für fundierte Entscheidungen. Langfristig kann eine strategisch geplante Teilverlagerung, kombiniert mit digitalisierten Prozessen und effizientem Wissensmanagement, erhebliche Vorteile bringen – sofern sie steuerlich sauber und organisatorisch stabil umgesetzt ist.
Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei der steuerlich sicheren und prozessorientierten internationalen Aufstellung. Durch unseren Fokus auf die Digitalisierung und Prozessoptimierung in der Buchhaltung unterstützen wir Mandanten dabei, Auslandstransaktionen transparent zu gestalten und Kostenvorteile dauerhaft zu sichern. Wir beraten branchenübergreifend – vom kleineren Handwerksbetrieb über den Onlinehändler bis zum spezialisierten Dienstleister – mit dem Ziel, durch durchdachte Strukturierung und moderne Buchhaltungsprozesse langfristige Effizienzgewinne zu realisieren.
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