Umsatzsteuerfreiheit für Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrkräfte
Mit seiner Entscheidung vom 15. Mai 2025 (Az. V R 23/24) hat der Bundesfinanzhof die Umsatzsteuerbefreiung für Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer an berufsbildenden Einrichtungen deutlich präzisiert und erweitert. Das Urteil basiert auf § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb des Umsatzsteuergesetzes und stellt klar, dass selbständig tätige Lehrkräfte, die im Auftrag einer anerkannten Bildungseinrichtung unterrichten, ihre Leistungen steuerfrei erbringen können, sofern diese unmittelbar dem Bildungszweck dienen. Der Fall betraf eine Fahrlehrerin, die für eine von der Landesbehörde anerkannte Weiterbildungseinrichtung tätig war, deren Kurse von der Bundesagentur für Arbeit gefördert wurden. Streitpunkt war die Frage, ob der praktische Fahrunterricht, den sie an Teilnehmende dieser Weiterbildung erteilte, der Umsatzsteuer unterliegt oder als steuerfreie Bildungsleistung zu werten ist.
Bislang bestand bei der steuerlichen Einordnung solcher Leistungen häufig Unsicherheit, insbesondere dann, wenn zwischen dem Lehrer und dem Schüler keine unmittelbare Vertragsbeziehung bestand. Das Finanzgericht hatte zunächst eine Steuerpflicht angenommen und die Steuerfreiheit abgelehnt, da der Lehrvertrag zwischen der Bildungseinrichtung und den Teilnehmenden bestand. Der Bundesfinanzhof hat diese enge Auslegung korrigiert und eine praxisrelevante Klarstellung für Lehrkräfte, Bildungseinrichtungen und Steuerberatende geschaffen.
Unmittelbarkeit und unionsrechtliche Auslegung des Bildungsbegriffs
Der Bundesfinanzhof legt die Vorschrift in Übereinstimmung mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Mehrwertsteuersystemrichtlinie der Europäischen Union aus, der die Steuerfreiheit von Bildungsleistungen vorsieht. Danach sind Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen einschließlich der damit verbundenen Leistungen von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie durch eine anerkannte Einrichtung oder durch selbständige Lehrer erfolgen, die denselben Bildungszweck verfolgen. Das Gericht betont, dass für die Steuerbefreiung nicht entscheidend ist, ob zwischen Lehrer und Schüler ein direkter Vertrag besteht. Maßgeblich sei vielmehr, dass die Lehrkraft persönlich unterrichtet und der Unterrichtszweck eine berufliche Qualifizierung fördert.
Die Unmittelbarkeit der Leistung – also die direkte Zweckbestimmung auf die Bildung – ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs auch dann gegeben, wenn der Lehrer auf Grundlage eines Vertrags mit der Bildungseinrichtung tätig ist. Die erbrachte Unterrichtsleistung muss den Schul- und Bildungszweck nicht nur ermöglichen, sondern unmittelbar bewirken. Damit verabschiedet sich das Gericht von einer formalistischen Betrachtung der Vertragsverhältnisse und rückt stärker den wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit in den Vordergrund.
Besonders bemerkenswert ist die Einschätzung des Gerichts, dass selbst ein spezialisierter Unterricht – wie im vorliegenden Fall der praktische Fahrunterricht – steuerfrei sein kann, sofern er Bestandteil einer anerkannten beruflichen Bildungsmaßnahme ist. Der Unterricht für den Führerschein der Klasse B war hier nicht bloß allgemeinbildend, sondern notwendige Voraussetzung für den Erwerb von Klassen, die beruflich genutzt werden. Das Gericht betonte die unionsrechtlich gebotene Neutralität und die Freiheit des Organisationsmodells, die es Bildungseinrichtungen erlauben, sowohl angestellte als auch selbständige Lehrkräfte steuerfrei einzusetzen.
Relevanz und Konsequenzen für Unternehmen, Bildungsträger und spezialisierte Branchen
Das Urteil schafft erhebliche Rechtssicherheit für eine Vielzahl von Bildungsanbietern, freien Lehrkräften und kleinen wie mittleren Unternehmen im Bildungs- und Dienstleistungssektor. Für Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser mit Schulungsabteilungen, Fortbildungsakademien, Online-Bildungsanbieter und selbständige Trainer bedeutet die Entscheidung eine erhebliche steuerliche Entlastung, sofern sie Unterrichtsleistungen im Sinne beruflicher Aus- oder Weiterbildung erbringen. Ebenso profitieren Fahrschulen und Bildungsträger der Gesundheits- und Sozialwirtschaft, die externe Lehrkräfte einsetzen, da für diese künftig die Umsatzsteuerfreiheit Anwendung finden kann, wenn sie über die erforderliche Anerkennung verfügen oder mit anerkannten Trägern kooperieren.
Für Steuerberatende und Finanzabteilungen ergeben sich hieraus neue Prüfungsmaßstäbe. Wesentlich ist nun, ob der Bildungszweck der Maßnahme ordnungsgemäß nachgewiesen ist und die Lehrkraft im organisatorischen Rahmen einer anerkannten Einrichtung tätig wird. Der Bundesfinanzhof macht deutlich, dass diese Zusammenarbeit kein steuerliches Hindernis, sondern eine legitime Organisationsform beruflicher Ausbildung darstellt. In der Praxis empfiehlt es sich, Verträge zwischen selbständigen Lehrkräften und Bildungseinrichtungen klar zu dokumentieren, insbesondere im Hinblick auf den Lehrgegenstand, die Unterrichtsform und die Einbindung in eine Bildungsmaßnahme mit Anerkennungsnachweis der zuständigen Behörde.
Für Unternehmen, die interne Weiterbildungen anbieten oder Schulungsmaßnahmen beauftragen, kann diese Rechtsprechung bedeutsam werden. Werden externe Lehrkräfte beauftragt, kann bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen eine Steuerbefreiung greifen, die sich unmittelbar positiv auf die Kostenstruktur auswirkt. Gerade kleinere Bildungsträger und mittelständische Unternehmen im Schulungsbereich erhalten dadurch einen erheblichen Liquiditätsvorteil, da Umsatzsteuerbeträge nicht mehr abgeführt werden müssen, soweit Lehrleistungen steuerfrei gestellt sind.
Auch für Onlineanbieter oder Einrichtungen mit digitalen Schulungsplattformen ist die Entscheidung ein wichtiger Hinweis, da die Umsatzsteuerfreiheit nicht durch die Form der Leistungserbringung – online oder vor Ort – ausgeschlossen wird. Entscheidend bleibt der Bildungszweck und die Anerkennung der Einrichtung oder die unmittelbare Einbindung in eine solche.
Zusammenfassung und Ausblick für die steuerliche Gestaltungsberatung
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist ein Meilenstein in der Umsatzsteuerpraxis und stärkt die Funktionsfähigkeit des Bildungsmarkts. Sie gewährt selbständigen Lehrkräften endlich die steuerliche Gleichstellung mit den Bildungseinrichtungen, für die sie tätig sind, und sorgt für eine einheitliche Auslegung des Begriffs der unmittelbar dem Bildungszweck dienenden Leistung. Unternehmen, Bildungsinstitutionen und Steuerberatende sollten die Gelegenheit nutzen, ihre bisherigen Strukturen und Vertragsmodelle zu überprüfen und dokumentationssicher an die neue Rechtslage anzupassen.
Im Ergebnis gilt: Unterrichtsleistungen sind umsatzsteuerfrei, wenn sie unmittelbar im Rahmen einer anerkannten beruflichen Aus- oder Weiterbildung erbracht werden, unabhängig von den formalen Vertragsstrukturen zwischen Lehrkraft und Schüler. Das stärkt insbesondere branchenspezifische Anbieter im Gesundheitswesen, in der Pflege, im Transport- und Logistiksektor sowie bei digitalen Bildungsformaten. Für Fahrschulen und Bildungsträger, die in Kooperation mit der Arbeitsagentur oder anerkannten Einrichtungen arbeiten, entfällt künftig ein erheblicher administrativer und finanzieller Aufwand.
Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen ebenso wie Bildungseinrichtungen und Onlineanbieter bei der steuerlichen Beurteilung sowie bei der Digitalisierung und Prozessoptimierung ihrer Buchführung. Durch unsere Spezialisierung auf effiziente, digitale Abläufe erzielen Mandanten spürbare Kostenersparnisse und behalten zugleich volle steuerliche Rechtssicherheit.
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