Gericht bestätigt Bedeutung der Transparenzpflichten für digitale Plattformen
Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein hat mit Beschluss vom 18. Dezember 2025 (Az. 6 MB 24/25) entschieden, dass Betreiber großer sozialer Netzwerke die im Medienstaatsvertrag verankerten Transparenzpflichten einzuhalten haben. Diese Vorgaben verpflichten Anbieter wie Facebook, Informationen darüber bereitzustellen, wie Inhalte für Nutzerinnen und Nutzer zusammengestellt werden. Damit sollen die Öffentlichkeit und insbesondere Verbraucher besser nachvollziehen können, auf welcher Grundlage algorithmische Entscheidungen getroffen werden. Das Gericht wies die Beschwerde von Meta Platforms Ireland Limited zurück und bestätigte damit die Auffassung der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein, die zuvor Verstöße gegen die Transparenzanforderungen festgestellt hatte.
Der Medienstaatsvertrag regelt zentrale Grundsätze der Medienordnung in Deutschland und legt den Fokus auf Meinungsvielfalt und Schutz vor manipulativer Einflussnahme durch algorithmische Systeme. Transparenzpflichten sollen sicherstellen, dass Nutzerinnen und Nutzer verstehen, weshalb ihnen bestimmte Inhalte angezeigt werden. Dies betrifft etwa Empfehlungen, Nachrichten oder Werbung, die abhängig vom individuellen Nutzerverhalten automatisch priorisiert werden. Gerade in Zeiten zunehmender Informationsvernetzung wird diese Transparenz zu einem zentralen Bestandteil einer aufgeklärten digitalen Öffentlichkeit.
Europarechtliche Dimension des Transparenzgebots
Meta argumentierte vor Gericht, dass die nationalen Transparenzbestimmungen gegen europarechtliche Vorschriften verstoßen, insbesondere gegen die E-Commerce-Richtlinie, den Digital Services Act und die Platform-to-Business-Verordnung. Diese Normen regeln die Pflichten digitaler Plattformen in Bezug auf den grenzüberschreitenden Datenverkehr und die Haftung von Diensteanbietern. Das Oberverwaltungsgericht stellte fest, dass es sich hierbei um komplexe und noch nicht abschließend geklärte Fragen handelt. Die abschließende Klärung dieser europarechtlichen Fragen müsse im Hauptsacheverfahren erfolgen, da nur der Europäische Gerichtshof Rechtssicherheit über die Vereinbarkeit des deutschen Medienstaatsvertrags mit dem Unionsrecht schaffen könne.
Im Eilverfahren wog das Gericht jedoch das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Transparenzpflichten gegen die wirtschaftlichen Interessen von Meta ab. Dabei fiel die Entscheidung zugunsten des Schutzes der Meinungsvielfalt aus. Gerade aufgrund der marktbeherrschenden Stellung sozialer Netzwerke und ihrer sogenannten Gatekeeper-Funktion sah der Senat ein überragendes öffentliches Interesse an einer vorläufigen Anwendung der Transparenzvorschriften. Diese Gatekeeper-Funktion beschreibt die Fähigkeit digitaler Plattformen, den Informationsfluss zwischen Produzenten und Konsumenten zu kontrollieren und dadurch gesellschaftliche Diskurse maßgeblich zu beeinflussen. Somit wiegt die Pflicht zur Transparenz schwerer als das Interesse an einer sofortigen Aussetzung der Auflagen.
Praktische Auswirkungen auf Unternehmen und Plattformbetreiber
Für Betreiber großer Online-Plattformen bedeutet dieser Beschluss, dass sie ihre Transparenzmechanismen überarbeiten und für Nutzer leicht auffindbar gestalten müssen. Die im Verfahren kritisierten Informationsseiten waren weder klar zugänglich noch umfassend genug, um den rechtlichen Anforderungen zu entsprechen. Unternehmen müssen künftig sicherstellen, dass Informationen über die Funktionsweise von Algorithmen, Selektionskriterien und Empfehlungslogiken nicht nur theoretisch vorhanden, sondern auch praktikabel und dauerhaft verfügbar sind. Der Beschluss verdeutlicht darüber hinaus, dass rechtliche Pflichten zur Transparenz nicht allein große internationale Konzerne betreffen. Auch kleinere Anbieter digitaler Dienste, deren Geschäftsmodelle auf personalisierte Inhalte oder automatisierte Empfehlungen setzen, sollten prüfen, ob ihre Informationspflichten ausreichend umgesetzt sind.
Für mittelständische Unternehmen, die eigene Online-Plattformen oder digitale Vertriebskanäle betreiben, ergibt sich hieraus die Notwendigkeit, die bestehenden Kommunikations- und Informationsprozesse zu hinterfragen. Transparenz ist nicht nur eine rechtliche Verpflichtung, sondern zunehmend auch ein Wettbewerbsfaktor. Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten nachvollziehbare Entscheidungen von Algorithmen, seien es Produktempfehlungen im Onlinehandel oder Informationsvorschläge in branchenspezifischen Netzwerken. Wer Vertrauen durch Offenheit schafft, stärkt die Kundenbindung und reduziert gleichzeitig regulatorische Risiken. Besonders Branchen wie E-Commerce, digitale Medien oder Finanzdienstleistungen sollten der Umsetzung solcher Transparenzanforderungen höchste Priorität einräumen.
Fazit und Handlungsempfehlung für die Praxis
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein steht exemplarisch für die zunehmende rechtliche Kontrolle algorithmischer Systeme. Transparenzpflichten sind kein bürokratisches Hindernis, sondern Fundament des Vertrauens in digitale Geschäftsmodelle. Sie tragen dazu bei, Marktteilnehmern Orientierung zu bieten und einseitigen Einflussnahmen entgegenzuwirken. Für Unternehmen aller Größenordnungen – insbesondere für kleine und mittelständische Betriebe – ist es daher ratsam, interne Prozesse und Informationsstrukturen so auszurichten, dass Transparenzanforderungen sowohl juristisch belastbar als auch praktisch umsetzbar erfüllt werden können. Dies betrifft technische Dokumentationen ebenso wie interne Richtlinien zur Veröffentlichung algorithmischer Entscheidungsgrundlagen.
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