Terminverlegungsanträge und rechtliches Gehör im Steuerverfahren
Die aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 7. August 2025 (Az. X B 12-14/25) verdeutlicht die hohen Anforderungen an Terminverlegungsanträge in finanzgerichtlichen Verfahren. Im Mittelpunkt stand die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Finanzgericht eine mündliche Verhandlung wegen Krankheit oder anderer erheblicher Gründe verschieben muss. Maßgeblich waren hier insbesondere § 76 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung, § 227 der Zivilprozessordnung sowie das Grundrecht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz. Die Kläger hatten geltend gemacht, dass aufgrund einer Erkrankung eine Teilnahme nicht möglich sei. Der Bundesfinanzhof stellte jedoch klar, dass nicht allein die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung rechtliche Verhandlungsunfähigkeit begründet, sondern dass konkrete Angaben erforderlich sind, die die tatsächliche Unmöglichkeit der Teilnahme erläutern.
Der Hintergrund dieser Entscheidung ist damit klar: Unternehmen, aber auch Privatpersonen, können eine Terminverlegung nur dann erfolgreich beantragen, wenn die Gründe substantiiert dargelegt und im Zweifel glaubhaft gemacht werden. Ein pauschaler Hinweis auf Krankheit oder organisatorische Schwierigkeiten genügt nicht.
Rechtliche Analyse und Begründung der Entscheidung
Die Begründung des Bundesfinanzhofs baut auf einer differenzierten Auslegung des § 227 Zivilprozessordnung auf, der erhebliche Gründe für eine Terminverlegung fordert. Der Begriff der erheblichen Gründe umfasst Konstellationen, in denen einer Partei deutliche Nachteile entstünden, wenn eine Verhandlung dennoch durchgeführt wird. Krankheit gilt zwar grundsätzlich als erheblicher Grund, führt aber erst dann zwingend zu einer Terminverlegung, wenn sie zu tatsächlicher Verhandlungsunfähigkeit führt. Die Richter stellten klar, dass eine Arbeitsunfähigkeit nicht gleichbedeutend mit Verhandlungsunfähigkeit sei. Ein Attest ohne nähere Angaben könne deshalb nicht ausreichen. Es obliegt der antragstellenden Partei, konkrete Fakten vorzubringen, aus denen ein Gericht nachvollziehen kann, warum ein Erscheinen unmöglich ist.
Besonders betont wurde auch die zeitliche Komponente. Bei kurzfristigen Anträgen steigt die Mitwirkungspflicht der Betroffenen erheblich. Wer einen Antrag erst kurz vor dem Verhandlungstermin stellt, trägt das Risiko, dass eine Stellungnahme des Gerichts nicht mehr rechtzeitig erfolgen kann. Der Bundesfinanzhof verweist darauf, dass Antragsteller in diesen Fällen von sich aus alle erforderlichen Angaben machen müssen, um die Schlüssigkeit ihres Vortrags sicherzustellen.
- Die bloße Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht nicht aus, wenn keine konkreten Angaben zur Verhandlungsunfähigkeit enthalten sind.
- Das Gericht ist nur dann verpflichtet, ergänzende Nachweise einzufordern, wenn der Antrag rechtzeitig und mit einem plausiblen Sachgrund eingeht.
- Wird der Antrag erst in letzter Minute eingereicht, ist die Partei verpflichtet, von sich aus umfassende Angaben zu machen, ohne dass das Gericht zur Nachforderung verpflichtet wäre.
Darüber hinaus befasste sich der Bundesfinanzhof mit der Frage der Darlegungspflichten im Rahmen einer sogenannten Gehörsrüge, also einer Rüge wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs. Auch hier gilt, dass Beschwerdeführende genau darlegen müssen, welche Argumente sie im Falle einer Terminverschiebung vorgetragen hätten. Die bloße Behauptung, man sei nicht ordnungsgemäß gehört worden, ist prozessual nicht ausreichend.
Praktische Konsequenzen für Unternehmen und Berater
Für kleine Unternehmen, mittelständische Betriebe, spezialisierte Dienstleister wie Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäuser sowie Onlinehändler ergeben sich aus dieser Entscheidung gewichtige praktische Implikationen. Wer als Unternehmer oder als steuerpflichtige Einrichtung in finanzgerichtliche Auseinandersetzungen gerät, sollte die Anforderungen an Terminverlegungsanträge genau kennen, um unnötige Rechtsnachteile zu vermeiden. Gerade in Unternehmen, die stark vom laufenden Betrieb abhängig sind und deren Führungskräfte nicht ohne Weiteres Gerichtstermine wahrnehmen können, ist eine sorgfältige Vorbereitung essenziell.
Für Steuerberater und Finanzdienstleister bedeutet die Entscheidung, dass sie ihre Mandanten künftig noch genauer auf die Formalien hinweisen müssen. Ein kurzfristiges Fax oder eine knappe Erkrankungsmitteilung ohne präzise Darlegung des Krankheitsbildes und seiner Auswirkungen reicht nicht aus. Vielmehr muss sich aus den vorgelegten Unterlagen klar ergeben, warum ein Mandant im konkreten Fall nicht verhandlungsfähig ist. Kanzleien, die kleine und mittlere Unternehmen betreuen, müssen deshalb prüfen, wie die Kommunikations- und Dokumentationsprozesse gestaltet werden, damit kurzfristig auftretende Hinderungsgründe auch rechtlich tragfähig vorgebracht werden können.
Für spezialisierte Unternehmen, die in regulierten Branchen wie dem Gesundheitswesen tätig sind, bedeutet dies zudem, dass interne Strukturen für die rechtliche Vertretung vorhanden sein müssen. Auch Onlinehändler, die häufig international tätig sind, sollten sich bewusst sein, dass Prozesshandlungen vor deutschen Finanzgerichten präzise vorbereitet werden müssen. Eine unzureichend begründete Terminverschiebung kann ansonsten erhebliche steuerliche und finanzielle Nachteile nach sich ziehen.
Fazit und Handlungsempfehlung für Unternehmen
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs verdeutlicht, dass Terminverlegungsanträge in Steuerverfahren nicht auf die leichte Schulter genommen werden dürfen. Maßgeblich ist nicht, ob eine Krankheit oder sonstige Belastung besteht, sondern ob diese konkret die Teilnahme an der Verhandlung unmöglich macht. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen sollten ihr Augenmerk darauf legen, dass sie im Konfliktfall frühzeitig mit ihrem rechtlichen Beistand kommunizieren und ihre Anträge umfassend begründen. Denn nur dadurch können finanzielle Risiken minimiert und unnötige Prozessverluste vermieden werden.
Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Mandanten bei der steuerrechtlichen Prozessführung, wobei wir einen besonderen Schwerpunkt auf die Digitalisierung der Buchhaltung und eine effiziente Prozessoptimierung legen. Die damit verbundenen Kostenersparnisse sind für viele Unternehmen erheblich. Wir betreuen eine Vielzahl von Mandanten aus unterschiedlichen Branchen und verfügen über umfassende Erfahrung in der rechtssicheren Gestaltung und effizienten Umsetzung steuerlicher und organisatorischer Abläufe.
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