Die jüngste Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 08.04.2025 (IX R 32/23) stellt eine wichtige Weichenstellung für Unternehmen mit internationalen Einkünften dar. Der BFH hat klargestellt, dass der Wechsel von der Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode bei der Vermeidung von Doppelbesteuerung, wie er in § 20 Absatz 2 Außensteuergesetz geregelt ist, nur dann möglich ist, wenn die inländische Gesellschaft die ausländische Einkünfte generierende Gesellschaft beherrscht. Damit wurde ein wesentliches Kriterium für die steuerliche Behandlung ausländischer Betriebsstättengewinne konkretisiert, das insbesondere für international agierende Kapitalgesellschaften, aber auch für mittelständische Onlinehändler oder Pflegeeinrichtungen mit Auslandsaktivitäten von Bedeutung ist.
Rechtsrahmen und Hintergrund der Entscheidung
Nach dem bis 2009 geltenden Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und den USA waren Gewinne aus US-Betriebsstätten in Deutschland von der Steuer freizustellen. Dies führte in Fällen, in denen die USA nur geringe Steuern erhoben, zu einer insgesamt niedrigen Steuerbelastung. Das Finanzamt versuchte in solchen Fällen, zur Anrechnungsmethode überzugehen und dadurch sicherzustellen, dass die Gewinne in Deutschland nicht völlig unversteuert blieben. Dieser Mechanismus, auch „Switch-over“ genannt, wird durch § 20 Absatz 2 Außensteuergesetz ermöglicht, allerdings nur unter engen Voraussetzungen.
Im konkreten Streitfall war eine deutsche Kapitalgesellschaft lediglich mit 30 Prozent an einer US-Personengesellschaft beteiligt. Die erzielten Lizenzgewinne wurden der deutschen Gesellschaft anteilig zugerechnet, in den USA jedoch kaum besteuert. Das Finanzamt unterwarf die Gewinne der deutschen Körperschaftsteuer, indem es die Anrechnungsmethode anwandte. Das Finanzgericht stufte dies als fehlerhaft ein, da keine Beherrschung der US-Personengesellschaft vorliege, und der BFH bestätigte diese Auffassung.
Rechtliche Kernargumente und steuerliche Systematik
Der zentrale Prüfstein des BFH war die Auslegung von § 20 Absatz 2 Außensteuergesetz. Diese Vorschrift dient in erster Linie der Vermeidung von Missbrauch. Ziel ist es, inländischen Steuerpflichtigen keine Vorteile aus einer Gestaltung zu verschaffen, die sich durch die Zwischenschaltung ausländischer Gesellschaften in Niedrigsteuerländern ergibt. Die Norm schafft daher eine Gleichstellung von Betriebsstätten, also auch ausländischen Personengesellschaften, mit ausländischen Kapitalgesellschaften. Der BFH stellte jedoch klar, dass diese Gleichstellung nur dann gerechtfertigt sei, wenn die inländische Gesellschaft die ausländische Gesellschaft beherrscht.
Unter Beherrschung ist dabei nicht lediglich ein Mitwirkungsrecht, sondern eine rechtliche oder tatsächliche Mehrheitsposition zu verstehen, die es der deutschen Gesellschaft erlaubt, maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftspolitik der Auslandsgesellschaft auszuüben. Der BFH argumentierte, dass andernfalls bereits Kleinstbeteiligungen ungewollt unter die Regelung fallen könnten. Dies würde im Ergebnis zu einer ungleichen Behandlung vergleichbarer Sachverhalte führen, da eine zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft bei gleicher Beteiligungsquote ebenfalls nicht als beherrscht gelten würde.
Die Argumentation des BFH folgte daher einem logischen Dreischritt:
- § 20 Absatz 2 Außensteuergesetz dient ausschließlich der Missbrauchsverhinderung.
- Eine Gleichstellung von Betriebsstätten und Kapitalgesellschaften ist nur konsistent, wenn bei beiden ein Beherrschungserfordernis gilt.
- Ohne eine Beherrschung würde der Anwendungsbereich über die Intention des Gesetzgebers hinausgehen und damit eine übermäßige Belastung für nicht beherrschende Minderheitsgesellschafter darstellen.
Wichtige Folgen für Unternehmen und Steuerpraxis
Die Entscheidung hat weitreichende Folgen für unterschiedlichste Unternehmensgruppen. Für kleine und mittelständische Unternehmen, die mit geringen Beteiligungsquoten an ausländischen Partnergesellschaften beteiligt sind, wird die Entscheidung erhebliche Planungssicherheit bringen. Sie können sich darauf verlassen, dass § 20 Absatz 2 Außensteuergesetz nicht greift, sofern keine Beherrschung vorliegt, und damit bleibt unter Umständen die Freistellungsmethode anwendbar. Das schützt insbesondere Unternehmen mit geringen Beteiligungen in den USA oder anderen Staaten davor, in Deutschland eine zusätzliche Steuerlast tragen zu müssen.
Für international tätige Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen, die Kooperationen mit ausländischen Gesellschaften im Bereich Medizintechnik oder Lizenzvergaben eingehen, ist die Abgrenzung ebenfalls höchst relevant. Hier besteht häufig ein Interesse an projektbezogenen Minderheitsbeteiligungen, bei denen die Entscheidung des BFH teure Doppelbelastungen vermeidet. Gleiches gilt für Onlinehändler, die etwa durch Beteiligungen an internationalen Vertriebsplattformen profitieren. Solange diese Beteiligungen nicht von einer beherrschenden Stellung geprägt sind, bleibt die Anwendung der Freistellungsmethode möglich, was die internationale Wettbewerbsfähigkeit stärkt.
Für größere mittelständische Unternehmen mit Tochtergesellschaften im Ausland hat das Urteil dagegen eine andere Gewichtung. Dort, wo Beherrschung tatsächlich vorliegt, zeigt das Urteil unmissverständlich, dass das Finanzamt die Anrechnungsmethode durchsetzen und somit eine Mindestbesteuerung erreichen darf. Für die Unternehmenspraxis bedeutet dies, dass die Steuerabteilungen genau prüfen müssen, wie hoch der Einfluss auf ausländische Gesellschaften ist und ob daraus ein Beherrschungsverhältnis abgeleitet werden kann. Nur auf diese Weise lassen sich Steuerbelastungen richtig einschätzen und Doppelbesteuerung vermeiden.
Fazit: Präzisierung schafft Planungssicherheit
Der Bundesfinanzhof hat mit dieser Entscheidung Klarheit geschaffen, indem er das Beherrschungserfordernis für den Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode hervorgehoben hat. Damit stärkt er die Rechtssicherheit für eine Vielzahl von Unternehmen und verhindert, dass bereits kleine Minderheitsbeteiligungen zu ungeplanten steuerlichen Belastungen führen. Für international tätige Unternehmen, seien es kleinere Betriebe, spezialisierte Einrichtungen im Gesundheitssektor oder mittelständische Gesellschaften mit Auslandsinvestitionen, bedeutet dies eine klare Orientierung bei der steuerlichen Gestaltung ihrer Auslandstätigkeiten. Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei genau diesen Fragestellungen und legt dabei besonderen Wert auf die Prozessoptimierung in der Buchhaltung sowie die digitale Transformation, die erhebliches Einsparpotenzial eröffnet. Wir betreuen Mandanten verschiedenster Branchen und schaffen durch effiziente Strukturen nachhaltige Vorteile.
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