Unternehmen mit Betriebsstätten im Ausland oder ausländische Gesellschaften mit Niederlassungen in Deutschland sehen sich immer wieder mit der Frage konfrontiert, welche Rechtsgrundlagen für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich sind. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzhofs bringt hierzu bedeutsame Klarstellungen und verdeutlicht, dass § 1 Abs. 5 Außensteuergesetz nicht als eigenständige Gewinnermittlungsvorschrift, sondern als Einkünftekorrekturvorschrift zu verstehen ist. Damit werden bisherige Unsicherheiten in der Auslegung des Zusammenspiels zwischen nationalem Steuerrecht und der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung entscheidend präzisiert.
Rechtsrahmen und zentrale Aussagen der Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 18. Dezember 2024 (I R 45/22) ausdrücklich entschieden, dass § 1 Abs. 5 Außensteuergesetz nicht dazu ermächtigt, eine von einer ausländischen Gesellschaft vorgelegte, veranlassungsbezogene Gewinnermittlung für ihre deutsche Betriebsstätte allein zugunsten einer kostenorientierten Verrechnungspreismethode zu verwerfen. Im konkreten Streitfall betrieb eine ungarische Kapitalgesellschaft eine Betriebsstätte im Inland und legte für diese im Rahmen ihrer beschränkten Steuerpflicht eine Gewinnermittlung vor, die auf verursachungsgerechten Zuordnungen beruhte. Das Finanzamt verwarf diese Vorgehensweise vollständig und setzte den inländischen Gewinn anhand der in § 32 Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung vorgesehenen Kostenaufschlagsmethode an. Nach Auffassung des Finanzamts war dies durch den Wortlaut von § 1 Abs. 5 Satz 1 Außensteuergesetz in Verbindung mit § 32 Abs. 1 Satz 2 Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung gedeckt.
Dem ist der Bundesfinanzhof entschieden entgegengetreten. Nach den Richtern findet sich im Gesetz keinerlei Grundlage dafür, dass eine verursachungsbezogene Betriebsstättengewinnermittlung zwingend durch eine kostenorientierte Methode ersetzt werden müsse. Vielmehr setzt § 1 Abs. 5 Außensteuergesetz zwingend voraus, dass eine Einkünfteminderung kausal auf einer nicht fremdvergleichskonformen Vereinbarung beruht. Eine gesetzliche Fiktion, dass allein Personalfunktionen maßgeblich seien, ergibt sich nicht. Auch die ergänzenden Vorschriften in § 1 Abs. 4 Nr. 2 Außensteuergesetz sowie in § 32 Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung rechtfertigen keine vollständige Substitution der betriebswirtschaftlich verursachungsgerechten Gewinnermittlung. Diese klarstellende Entscheidung wurde gleichzeitig für einen Parallelfall (I R 49/23) bestätigt und entfaltet daher erhebliches Gewicht für die Steuerpraxis.
Bedeutung für grenzüberschreitend tätige Unternehmen
Die Entscheidung hat erhebliche Konsequenzen für verschiedenste Unternehmensgruppen. Kleine Unternehmen, die sich grenzüberschreitend aufstellen, müssen sich darauf verlassen können, dass ihre sorgfältig dokumentierte Gewinnermittlung nicht unbesehen verworfen wird. Für mittelständische Unternehmen mit Niederlassungen im europäischen Ausland bringt die Rechtsprechung zusätzliche Planungssicherheit, da der Bundesfinanzhof betont, dass die Korrekturvorschrift des Außensteuergesetzes nur dort eingreift, wo tatsächlich Einkünfte durch nicht marktgerechte Verrechnungspreise geschmälert werden. Spezialisierte Einrichtungen, wie etwa Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäuser in ausländischer Trägerschaft, können aus der Entscheidung ebenfalls profitieren, weil sie regelmäßig auf eine korrekte Veranlassungsrechnung angewiesen sind, um ihre finanziellen Verpflichtungen im Inland offenzulegen. Auch für Onlinehändler mit Logistikstandorten und Betriebsstätten im Ausland eröffnet die Entscheidung neue Argumentationsmöglichkeiten gegenüber der Finanzverwaltung, wenn diese pauschal kostenorientierte Methoden anwenden möchte.
Für die Praxis ergibt sich die Notwendigkeit, die dokumentierten Veranlassungszusammenhänge noch klarer auszugestalten. Zugleich können Unternehmen in künftigen Betriebsprüfungen auf die nun verbindliche höchstrichterliche Auffassung verweisen, dass eine pauschale Verwerfung durch die Finanzverwaltung nicht zulässig ist. Die Finanzverwaltung bleibt verpflichtet, konkret nachzuweisen, dass eine Einkünftekorrektur erforderlich ist, weil fremdvergleichswidrige Vereinbarungen zu einer steuerlichen Benachteiligung des deutschen Fiskus geführt haben.
Zusammenfassung und Ausblick für die Praxis
Die aktuelle Entscheidung stärkt die Position von Unternehmen im internationalen Steuerumfeld deutlich. Der Bundesfinanzhof hat klargestellt, dass eine veranlassungsbezogene Gewinnermittlung nicht durch die Behörden pauschal durch die Kostenaufschlagsmethode ersetzt werden darf. Vielmehr müssen die gesetzlichen Voraussetzungen eingehalten und eine eindeutige Fremdvergleichsprüfung vorgenommen werden. Für Unternehmen bedeutet dies eine größere Rechtssicherheit, aber auch die Aufgabe, ihre internen Verrechnungspreisdokumentationen sorgfältig zu erstellen, um im Fall einer Prüfung über eine belastbare Grundlage zu verfügen.
Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen dabei, die Prozesse in der Buchhaltung zu optimieren und durch digitale Lösungen erhebliche Kostenersparnisse zu realisieren. Wir betreuen Mandanten unterschiedlichster Branchen, von Onlinehändlern über gemeinnützige Einrichtungen bis hin zu klassischen Produktionsunternehmen, und verfügen über umfassende Erfahrung, um steuerliche Risiken rechtssicher und effizient zu handhaben.
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