Steuerfreie Sanierungserträge und Mitunternehmerschaften im Fokus
Mit seiner Entscheidung vom 21. August 2025 (Az. IV R 23/23) hat der Bundesfinanzhof den steuerlichen Umgang mit Sanierungserträgen im Sonderbetriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft grundlegend konkretisiert. Die Entscheidung betrifft insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, Personengesellschaften und beratende Berufe, die in Mitunternehmerschaften organisiert sind, sowie steuerliche Beraterinnen und Berater, die mit der Anwendung des § 3a Einkommensteuergesetz befasst sind. Im Kern geht es um die Frage, wann ein Schuldenerlass, der zur wirtschaftlichen Rettung eines Unternehmens beiträgt, steuerlich privilegiert ist.
Sanierungserträge bezeichnen Betriebseinnahmen, die durch einen Gläubigerverzicht auf Forderungen entstehen, um ein Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage zu stabilisieren. Seit der Einführung des § 3a Einkommensteuergesetz ist gesetzlich festgelegt, dass solche Erträge steuerfrei sind, sofern die Sanierungsmaßnahme dem Fortbestand des Unternehmens dient. Streitentscheidend war, ob dieser steuerfreie Tatbestand auch greift, wenn der Sanierungsertrag im sogenannten Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters anfällt, also in Wirtschaftsgütern, die zwar einem Gesellschafter gehören, aber ausschließlich dem Betrieb der Mitunternehmerschaft dienen.
Die Entscheidung beruht auf einem Fall, in dem eine GmbH & Co. KG, die eine Pension mit Gastronomiebetrieb führte, von erheblichen Verbindlichkeiten eines ihrer Mitunternehmer betroffen war. Eine Sparkasse verzichtete nach Sanierungsverhandlungen teilweise auf ihre Forderungen, wodurch im Sonderbetriebsvermögen des beteiligten Kommanditisten ein außerordentlicher Ertrag entstand. Das Finanzamt behandelte diesen zunächst als steuerpflichtig, während die Gesellschaft ihn als steuerfreien Sanierungsertrag behandelte. Der Bundesfinanzhof prüfte in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen des § 3a Einkommensteuergesetz und deren Zusammenspiel mit den Regelungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte.
Auslegung und Reichweite der BFH-Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hat klargestellt, dass ein Sanierungsertrag im Sonderbetriebsvermögen grundsätzlich steuerfrei gestellt werden kann, sofern die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind. Maßgeblich sind hierbei die vier Kernelemente des § 3a Absatz 2 Einkommensteuergesetz: Sanierungsbedürftigkeit, Sanierungsfähigkeit, Sanierungseignung und Sanierungsabsicht. Diese Merkmale müssen, so der Bundesfinanzhof ausdrücklich, im Fall einer Mitunternehmerschaft bezogen auf das Unternehmen der Gesellschaft selbst und nicht allein auf den einzelnen Gesellschafter erfüllt sein. Damit greift die steuerliche Privilegierung nur dann, wenn die wirtschaftlichen Schwierigkeiten tatsächlich die Gesamtheit des Unternehmens betreffen und nicht nur ein persönliches Problem eines Mitunternehmers darstellen.
- Nach Auffassung des Gerichts liegt Sanierungsbedürftigkeit vor, wenn das Unternehmen ohne den Schuldenerlass in seiner Existenz gefährdet wäre. Dieser Maßstab unterscheidet zwischen der privaten Überschuldung des Gesellschafters und der wirtschaftlichen Bedrohung des Gesellschaftsbetriebs. Entscheidend ist, dass der Fortbestand des Unternehmens selbst auf dem Spiel steht.
- Auch die Sanierungsabsicht der Gläubiger spielt eine zentrale Rolle. Der Verzicht auf Forderungen muss zumindest auch darauf gerichtet sein, das Unternehmen zu stabilisieren – selbst wenn daneben eigene wirtschaftliche Interessen, etwa die Sicherung der Restforderung oder die Aufrechterhaltung von Geschäftsbeziehungen, verfolgt werden.
- Die Sanierungseignung und Sanierungsfähigkeit erfordern, dass die Maßnahme dem Unternehmen realistischerweise eine Rückkehr zu nachhaltiger Ertragskraft ermöglicht. Der Bundesfinanzhof betont, dass eine bloße Vermeidung der Insolvenz nicht genügt; erforderlich ist eine Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit.
Der Gerichtshof wies die Sache an das Finanzgericht zurück, da noch nicht hinreichend geklärt war, ob der Schuldenerlass im konkreten Fall tatsächlich zur Wiederherstellung der Ertragsfähigkeit geführt oder nur vorübergehend Liquidität geschaffen hatte. Dies verdeutlicht, dass Unternehmerinnen und Unternehmer, aber auch Steuerberatende bei der Beurteilung von Sanierungsgewinnen künftig eine gründliche wirtschaftliche Analyse dokumentieren müssen, um die steuerfreie Behandlung durchzusetzen.
Konsequenzen für Unternehmen und steuerliche Beratungspraxis
Für kleine und mittlere Unternehmen, insbesondere für Personengesellschaften wie Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen, Bauunternehmen oder Onlinehändler, ergibt sich aus der Entscheidung, dass eine sorgfältige Prüfung des betrieblichen Bezugs jeder Schuldenerleichterung unerlässlich ist. Wird etwa ein betriebsnotwendiges Gebäude oder eine Produktionsanlage durch einen Sanierungserlass entlastet, so ist zu dokumentieren, wie diese Maßnahme die wirtschaftliche Basis des gesamten Unternehmens stabilisiert. Fehlt dieser Nachweis, droht die Steuerfreiheit zu versagen, was erhebliche Nachzahlungen auslösen kann.
Für Steuerberatende folgt daraus die Verpflichtung, die vier Tatbestandsmerkmale des § 3a Einkommensteuergesetz systematisch nachweisbar zu machen. Das umfasst sowohl die Darstellung der finanziellen Notlage als auch die Plausibilisierung eines Sanierungskonzepts. Auch Kreditinstitute sollten ihre Dokumentation zu Sanierungsverhandlungen anpassen. Wenn ein Bankenverzicht auf Forderungen steuerlich anerkannt werden soll, ist eine ausdrückliche Formulierung der Sanierungsabsicht im Kreditprotokoll hilfreich. Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen, die mit langfristigen Finanzierungen operieren, können hiervon profitieren, wenn sie bei strukturellen Sanierungen durch Forderungsverzichte unterstützt werden. Onlinehändler und technologieorientierte Start-ups sollten beachten, dass die Digitalisierungsfinanzierungen, etwa durch Darlehen, in wirtschaftlichen Krisen ähnliche steuerliche Fragen aufwerfen können.
Auch die Finanzverwaltung wird sich an dieser Entscheidung orientieren müssen. Durch die vom Bundesfinanzhof geforderte Differenzierung zwischen gesellschaftsbezogener und personenbezogener Sanierung wird künftig stärker geprüft werden, ob der betroffene Betrieb tatsächlich in seiner wirtschaftlichen Substanz bedroht war oder lediglich ein Gesellschafter individuelle Liquiditätsprobleme hatte. Die Entscheidung stärkt damit die Kohärenz des steuerlichen Sanierungsrechts, erhöht aber auch die Anforderungen an steuerliche Praxis und Nachweisführung.
Verlässliche Steuerplanung bei Sanierungen
Die Entscheidung macht deutlich, dass die steuerliche Behandlung von Sanierungserträgen eine sorgfältige rechtliche und betriebswirtschaftliche Abstimmung verlangt. Unternehmen sollten schon bei der Vorbereitung einer Sanierungsvereinbarung steuerliche Beratung einbeziehen und sicherstellen, dass der Gläubigerverzicht eindeutig mit der unternehmensbezogenen Sanierung verknüpft ist. Fehlen diese Hinweise in den Vertragsunterlagen, kann das Finanzamt die steuerfreie Behandlung versagen. Gerade im Mittelstand, in Pflege- oder Gastronomiebetrieben, die oft kreditfinanziert sind, kann die richtige steuerliche Strukturierung über die wirtschaftliche Zukunft entscheiden.
Ein gezieltes Zusammenspiel aus Finanzplanung, juristischer Analyse und digitaler Dokumentation schafft hier Rechtssicherheit und ermöglicht es, Sanierungsmaßnahmen transparent und prüfbar zu gestalten. Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen dabei, ihre Buchhaltungsprozesse zu digitalisieren und steuerliche Abläufe effizient zu strukturieren. Durch konsequente Prozessoptimierung und datenbasierte Arbeitsweise schaffen wir für unsere Mandanten nachhaltige Kostenersparnisse und sichern steuerliche Vorteile bei komplexen Themen wie Sanierungserträgen und Unternehmensrestrukturierung.
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