Die Frage, wie konzerninterne Leistungsbeziehungen steuerlich zu würdigen sind, gewinnt mit zunehmender Internationalisierung von Unternehmensstrukturen an Bedeutung. Besonders sensibel ist dies im Bereich stark regulierter Märkte wie dem Gesundheits- und Arzneimittelsektor, wo Vertriebsmodelle häufig durch gesetzliche Vorgaben beeinflusst werden. In einer aktuellen Entscheidung hat der Bundesfinanzhof am 11. Dezember 2024 (Az. I R 41/21) klargestellt, dass Parallelimporte von Arzneimitteln eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) auslösen können, wenn die konzerninterne Verteilung von Vorteilen nicht den Maßstäben des Fremdvergleichs genügt. Diese Entscheidung ist für international tätige Unternehmensgruppen, aber auch für mittelständische Pharmahändler, Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser von Relevanz, wenn sie mit vergleichbaren Strukturen arbeiten.
Hintergrund des Falls und gesetzlicher Rahmen
Im Kern ging es um eine deutsche Vertriebsgesellschaft, die im Rahmen eines körperschaftsteuerrechtlichen Organschaftsverhältnisses für den Vertrieb von Originalarzneimitteln verantwortlich war. Muttergesellschaft des Konzerns war eine ausländische Gesellschaft. Der deutsche Arzneimittelmarkt ist in besonderer Weise reguliert, da Apotheken aufgrund der Importförderklausel verpflichtet sind, einen Teil ihres Sortiments durch Parallelimporte aus dem europäischen Ausland zu decken. Diese günstigeren Importprodukte wirken sich auf die Absatz- und Preisgestaltung der im Inland tätigen Vertriebsgesellschaften unmittelbar aus. Da die Marketing- und Vertriebsaktivitäten der deutschen Organisation auch auf die Nachfrage nach diesen Parallelimporten einwirken können, stellte sich die Frage, ob die dadurch bei der Konzernmutter entstandenen Aufwandsersparnisse steuerlich als verdeckte Gewinnausschüttung zu werten sind.
Rechtliche Bewertung und Begründung der Entscheidung
Das Finanzamt war der Ansicht, dass die deutsche Vertriebsgesellschaft zugunsten der Konzernmutter einen Vermögensvorteil hingibt und somit eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt. Unter dem Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung versteht man jede Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und einem oder mehreren Gesellschaftern zugutekommt, ohne dass hierfür eine angemessene Gegenleistung erfolgt. Die Vorinstanz hatte diese Annahme noch verneint und argumentiert, es sei nicht erwiesen, dass ein unabhängiger Dritter für denselben Vertrieb höhere Margen erhalten hätte.
Der Bundesfinanzhof widersprach dieser Auffassung und betonte, dass die fremdübliche Vergütung auch die mittelbaren Effekte der Vertriebsaktivitäten berücksichtigen müsse. Die von der deutschen Vertriebsgesellschaft entfalteten Marketingbemühungen wirkten sich nicht nur auf den Verkauf der Originalarzneimittel aus, sondern stärkten mittelbar auch die Umsätze mit Parallelimporten. Da diese Effekte für den Gesamtkonzern wirtschaftlich wertvoll seien, dürfe ihre fehlende Vergütung nicht unbeachtet bleiben. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die ausländische Konzernmutter durch die deutschen Aktivitäten Kosten einspart, die sie unter Marktbedingungen einem unabhängigen Vertriebshändler hätte vergüten müssen. Der BFH stellte folglich klar, dass eine Vermögensverlagerung aufgrund solcher Aufwandsersparnisse nicht ausgeschlossen werden kann und damit die Voraussetzungen für eine verdeckte Gewinnausschüttung grundsätzlich gegeben sein können.
Offen blieb allerdings die konkrete Höhe dieser Vorteilsverlagerung, sodass der Fall an das Finanzgericht zurückverwiesen wurde. Dort wird nun zu klären sein, in welchem Umfang die deutschen Vertriebskosten tatsächlich fremdüblich weiterbelastet werden müssten, um eine korrekte steuerliche Gewinnermittlung zu gewährleisten.
Relevanz für Unternehmen und praktische Folgen
Die Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen auf verschiedene Unternehmensgruppen. Pharmaunternehmen und pharmazeutische Händler sehen sich in der Pflicht, ihre Transferpreise und internen Vergütungsmodelle im Hinblick auf die mittelbaren Wirkungen von Marketing- und Vertriebskosten genau zu prüfen. Es genügt nicht, allein die direkten Verkaufsumsätze zu betrachten. Auch Effekte, die sich auf Parallelimporte und deren Marktstellung auswirken, müssen berücksichtigt werden, um eine Fremdvergleichskonformität sicherzustellen.
Für mittelständische Unternehmen, die Teil internationaler Strukturen sind, bedeutet dies eine erhöhte Dokumentations- und Nachweispflicht. Kleine und mittlere Gesellschaften, die als Organgesellschaften im Konzernverbund tätig sind, laufen Gefahr, dass unbedachte Konzernstrukturen steuerliche Folgen auslösen können, wenn die Muttergesellschaft ausländisch situiert ist. Auch spezialisierte Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Pflegeheime, die für den Einkauf von Arzneimitteln regelmäßig mit Konzernlieferanten kooperieren, sollten sich der steuerlichen Rahmenbedingungen bewusst sein, wenn sie sich innerhalb größerer Unternehmensverbünde bewegen.
Onlinehändler, vor allem im Bereich pharmazeutischer Produkte und Medizinbedarf, geraten zunehmend in den Fokus, da digitale Vertriebsmodelle oftmals konzernübergreifende Strukturen beinhalten. Hier gilt es zu prüfen, ob Werbemaßnahmen, Kundenzugänge oder Preisstrategien im Inland mittelbar auch für ausländische Konzernteile Vorteile erzeugen, die ohne adäquate Gegenleistung steuerlich relevant werden können.
Die Entscheidung mahnt Unternehmen zur Vorsicht: Es reicht nicht aus, bei internen Preisgestaltungen nur die direkte Leistung und Gegenleistung zu erfassen. Vielmehr müssen auch mittelbare Effekte sichtbar gemacht und dokumentiert werden. Für die Praxis bedeutet dies die Notwendigkeit, Transferpreissysteme regelmäßig einer kritischen Überprüfung zu unterziehen, um verdeckte Gewinnausschüttungen frühzeitig auszuschließen und auf sichere steuerliche Grundlagen zu stellen.
Fazit und Ausblick für die Unternehmenspraxis
Das Urteil verdeutlicht, dass der Bundesfinanzhof im Bereich verdeckter Gewinnausschüttungen eine strenge Linie verfolgt und fremdvergleichsrelevante Faktoren umfassend berücksichtigt wissen will. Insbesondere in regulierten Märkten wie dem Arzneimittelsektor haben Parallelimporte und deren steuerliche Einordnung große Bedeutung. Unternehmen aller Größenordnungen – vom kleinen Familienunternehmen über mittelständische Strukturen bis hin zu Konzernteilen im Gesundheitswesen oder Onlinehandel – sollten ihre internen Verrechnungspraktiken detailliert analysieren und transparent dokumentieren. Nur so lässt sich vermeiden, dass vermeintlich unbeachtete Nebeneffekte zu steuerlichen Nachteilen führen. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Buchhaltungsprozesse und der Prozessoptimierung innerhalb steuerlicher Strukturen. Dabei haben wir uns auf die nachhaltige Kostensenkung und Effizienzsteigerung spezialisiert und begleiten Mandanten verschiedenster Branchen bei der sicheren Umsetzung ihrer steuerlichen Anforderungen.
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