Praxisrelevante Bedeutung des Persönlichen Budgets
Das Persönliche Budget nach dem Neunten Buch des Sozialgesetzbuchs ermöglicht Menschen mit Behinderung, benötigte Unterstützungsleistungen eigenverantwortlich zu organisieren. Anstatt Sach- oder Dienstleistungen direkt über Sozialleistungsträger zu beziehen, erhalten Betroffene eine Geldleistung, mit der sie die notwendigen Assistenzen eigenständig einkaufen können. Diese Form der Teilhabeleistung stärkt die Selbstbestimmung, stellt jedoch zugleich besondere Anforderungen an die Bedarfsfeststellung und die Kalkulation der Kosten, insbesondere dann, wenn es um die Vergütung der Assistenzkräfte geht.
Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass bei der Bemessung des Persönlichen Budgets der ortsübliche Lohn für Pflege- und Betreuungskräfte berücksichtigt werden muss. Das Gericht betonte, dass die Budgethöhe so bemessen sein muss, dass der individuell festgestellte Bedarf tatsächlich gedeckt werden kann. Damit wird die bisherige Verwaltungspraxis vieler Träger der Eingliederungshilfe infrage gestellt, die pauschale Stundenvergütungen zugrunde legen, ohne die tatsächlichen Marktbedingungen ausreichend zu berücksichtigen.
Ortsübliche Entlohnung als Maßstab
Die Entscheidung ist von besonderer Bedeutung für Eltern, Angehörige und Arbeitgebermodelle, die im Rahmen des Persönlichen Budgets Pflegekräfte anstellen. Der Begriff der ortsüblichen Vergütung beschreibt dabei den Lohn, der im jeweiligen regionalen Arbeitsmarkt für vergleichbare Tätigkeiten üblicherweise gezahlt wird. Dies kann, insbesondere bei Pflege- und Assistenzleistungen, an Tariflöhne angelehnt sein, auch wenn kein Tarifvertrag im rechtlichen Sinne Anwendung findet. Das Gericht erkannte ausdrücklich an, dass sich die Angemessenheit des Lohns nach den tatsächlichen Bedingungen des Arbeitsmarkts richtet. Bestehen etwa in einer Region Fachkräftemangel oder gestiegene Lohnkosten, ist der Leistungsberechtigte nicht verpflichtet, unter Marktpreis zu entlohnen, nur weil der Kostenträger eine pauschal niedrigere Bemessungsgrundlage vorsieht.
Diese Auslegung fördert den realistischen Ansatz bei der Berechnung des Budgets und trägt dazu bei, die Qualität und Kontinuität der Versorgung sicherzustellen. Gerade Menschen, die auf eine dauerhafte persönliche Assistenz angewiesen sind, profitieren davon, dass sie faire und marktgerechte Entlohnungen anbieten können. Für Unternehmen aus der Pflegebranche, die im ambulanten Bereich tätig sind, bedeutet die Entscheidung ebenfalls eine wichtige Klarstellung. Sie zeigt, welche rechtlichen Maßstäbe bei der Personalvergütung in individuell organisierten Assistenzmodellen gelten.
Praktische Auswirkungen für Einrichtungen und Budgetnehmer
Für Pflegeeinrichtungen, ambulante Dienste und Budgetnehmer ergeben sich daraus praktische Konsequenzen. Die Kalkulation der Assistenzkosten sollte dokumentiert und nachvollziehbar gestaltet werden, um dem Leistungsträger gegenüber argumentieren zu können, dass die angesetzte Vergütung den ortsüblichen Standards entspricht. Es kann erforderlich sein, Lohnstrukturen nach Tarifverträgen, Arbeitsvermittlungsportalen oder branchenüblichen Vergleichswerten zu belegen. Die Träger der Eingliederungshilfe werden zukünftig stärker darlegen müssen, warum sie bestimmte pauschale Stundensätze heranziehen und inwiefern diese den örtlichen Gegebenheiten tatsächlich entsprechen.
Besondere Aufmerksamkeit verdient die Frage, inwieweit Angehörige als Budgetassistenz eingesetzt und vergütet werden dürfen. Das Landessozialgericht stellte klar, dass ein Ausschluss der Refinanzierung nicht allein wegen eines familiären Verhältnisses erfolgen darf, sofern die Tätigkeit tatsächlich organisatorischer Natur ist und erforderlich bleibt. Das betrifft insbesondere die Koordination von Dienstplänen, die Abrechnung oder die Kommunikation mit Behörden. Pflegeleistungen im engeren Sinne sind dagegen grundsätzlich von der Refinanzierung ausgeschlossen, da sie rechtlich als eigenständige Unterstützungsleistungen gelten. Für Pflegebetriebe, die Familien im Umgang mit dem Persönlichen Budget beraten oder Leistungen im Rahmen solcher Budgets erbringen, ergibt sich daraus ein erweitertes Handlungsfeld und zugleich ein gesteigerter Beratungsbedarf.
Fazit: Handlungsspielräume nutzen und Prozesse optimieren
Die Entscheidung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt verdeutlicht, dass Menschen mit Behinderung einen Anspruch auf eine realitätsgerechte Bemessung ihres Persönlichen Budgets haben, einschließlich der Zahlung ortsüblicher Löhne für ihre Assistenzkräfte. Sie markiert einen wichtigen Schritt hin zu einer gerechteren und bedarfsgerechteren Umsetzung des Teilhaberechts und stärkt die Position von Budgetnehmern im Verhältnis zu den Leistungsträgern. Für Pflegeeinrichtungen, ambulante Pflegedienste und Dienstleister, die Betreuungsleistungen erbringen, eröffnet dies die Möglichkeit, ihre Finanzierung auf eine transparentere Grundlage zu stellen und angemessene Arbeitsbedingungen zu sichern.
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