Wegweiser für die neue Nachhaltigkeitsberichterstattung
Die European Financial Reporting Advisory Group hat Anfang Dezember 2025 ihre überarbeiteten Entwürfe zu den European Sustainability Reporting Standards an die Europäische Kommission übergeben. Damit rückt die nächste Phase der europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattung näher, die besonders für kapitalmarktorientierte Unternehmen, aber zunehmend auch für den Mittelstand von erheblicher Bedeutung ist. Die ESRS bilden den verbindlichen Rahmen für die Berichterstattung über Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen nach der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen. Ziel ist eine europaweit einheitliche, überprüfbare und vergleichbare Darstellung der Auswirkungen unternehmerischer Tätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft sowie der Nachhaltigkeitsrisiken für das Unternehmen selbst.
Mit den überarbeiteten Entwürfen zielt die EU auf eine Vereinfachung und zugleich Präzisierung der bisherigen Standards. Die ursprünglich sehr detaillierten Anforderungen der ersten ESRS-Fassung wurden durch die nun veröffentlichten Anpassungen stärker risikoorientiert ausgerichtet, um die Berichterstattung praxisnäher zu gestalten und kleinen wie mittleren Unternehmen den Zugang zu einer adäquaten Nachhaltigkeitsberichterstattung zu erleichtern.
Inhalte und Neuerungen der überarbeiteten ESRS
Die bisherigen Erfahrungen zeigten, dass die Komplexität der ursprünglichen Standards eine Hürde für viele berichtspflichtige Gesellschaften darstellte. Zahlreiche Anforderungen waren sehr technisch und verlangten umfangreiche Datenerhebungen, die in kleineren oder mittelständischen Strukturen kaum mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand zu erfüllen waren. Der neue Entwurf setzt daher auf eine stärkere Fokussierung der Berichterstattung auf wesentliche Themen, also auf jene Inhalte, die aus Sicht des Unternehmens und seiner Stakeholder tatsächlich von erheblicher finanzieller oder gesellschaftlicher Relevanz sind. Dieser sogenannte Wesentlichkeitsgrundsatz bildet künftig das Kernprinzip jeder Nachhaltigkeitsberichterstattung nach europäischem Standard.
Ein weiterer zentraler Aspekt betrifft die Harmonisierung der ESRS mit internationalen Rahmenwerken. Insbesondere die International Sustainability Standards des International Sustainability Standards Board sollen künftig stärker in die europäische Berichterstattung einbezogen werden, um Doppelanforderungen zu vermeiden. Dadurch wird es für multinationale Unternehmen und internationale Kapitalmarktakteure einfacher, ihre Berichterstattung sowohl gegenüber europäischen als auch globalen Standardsetzern in Einklang zu bringen. Auch im Mittelstand kann dies zu einer Entlastung führen, wenn zentrale Kennzahlen künftig in standardisierten Formaten erfasst werden, die sich in bestehende Berichts- und ERP-Systeme integrieren lassen.
Zeitplan und Anwendung in der Praxis
Nach Übergabe der überarbeiteten Entwürfe an die Europäische Kommission wird nun ein Delegierter Rechtsakt erarbeitet. Mit dessen Verabschiedung ist Mitte 2026 zu rechnen. Ab dem Geschäftsjahr 2027 soll die Anwendung der neuen Standards verpflichtend werden, während für das Jahr 2026 eine freiwillige Anwendung vorgesehen ist. Unternehmen, die bereits in der ersten Berichtsperiode nach der Corporate Sustainability Reporting Directive berichtspflichtig sind, können somit wertvolle Erfahrung gewinnen, wenn sie die überarbeiteten ESRS vorzeitig anwenden.
Für kleine und mittelständische Unternehmen ohne unmittelbare Berichtspflicht ist die Entwicklung ebenfalls von Bedeutung. Viele dieser Betriebe sind Teil komplexer Lieferketten und werden künftig von größeren Geschäftspartnern aufgefordert, eigene Nachhaltigkeitsdaten bereitzustellen. Die abgestuften Berichtspflichten, die sich aus den neuen ESRS ergeben, erleichtern es auch diesen Unternehmen, relevante Informationen strukturiert und transparent zu dokumentieren. Damit entsteht ein klarer Nutzen: wer frühzeitig interne Prozesse zur Datenerfassung etabliert, kann auf Anfragen seiner Geschäftspartner effizient reagieren und zugleich eigene Nachhaltigkeitsstrategien glaubwürdig kommunizieren.
Praktische Implikationen und Chancen für Unternehmen
Die Neufassung der ESRS sollte nicht als reine Compliance-Verpflichtung verstanden werden, sondern als strategische Chance zur Professionalisierung der internen Berichterstattung und zur Verbesserung des Risikomanagements. Durch die systematische Auseinandersetzung mit Umwelteinflüssen, sozialen Faktoren und Governance-Strukturen ergeben sich neue Ansatzpunkte für Prozessoptimierungen, Energieeinsparungen und Effizienzsteigerungen. Gerade in Branchen mit hohem Ressourceneinsatz wie im produzierenden Gewerbe, in Pflegeeinrichtungen oder im Einzelhandel können die Anforderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung dazu beitragen, wertvolle Daten über Energieverbrauch, Abfallmengen und Lieferkettenrisiken zu erheben und als Grundlage für nachhaltige Investitionsentscheidungen zu nutzen.
Auch im Bereich der Finanzierung gewinnt die Qualität der Nachhaltigkeitsinformationen zunehmend an Bedeutung. Banken und Investoren orientieren ihre Vergabekriterien stärker an ökologischen und sozialen Kennzahlen. Unternehmen, die die neuen ESRS frühzeitig umsetzen und transparent Bericht erstatten, erhöhen damit ihre Attraktivität für Kapitalgeber und sichern Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig sinkt das Risiko, aufgrund unzureichender Nachhaltigkeitsangaben von Förderprogrammen oder öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen zu werden.
Für Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzleien eröffnet die neue Berichterstattungsebene zusätzliche Betätigungsfelder. Neben der Unterstützung bei der Implementierung geeigneter Prozesse zur Datenerhebung gewinnt auch die prüferische Durchsicht der Nachhaltigkeitsinformationen an Bedeutung. Unternehmen profitieren hier von einer interdisziplinären Beratung, die steuerliche, finanzielle und rechtliche Aspekte der Berichterstattung zusammenführt.
Fazit: Nachhaltigkeit als integraler Bestandteil der Unternehmensführung
Die überarbeiteten European Sustainability Reporting Standards markieren einen entscheidenden Schritt in Richtung einer praxisgerechteren und zugleich verbindlicheren Nachhaltigkeitsberichterstattung in Europa. Für Unternehmensleitungen bedeutet dies, Nachhaltigkeit als festen Bestandteil der strategischen Steuerung zu begreifen. Wer Transparenz schafft, stärkt Vertrauen bei Kundinnen und Kunden, Mitarbeitenden sowie Kapitalgebern. Entscheidend ist, die Anforderungen frühzeitig in bestehende Prozesse zu integrieren und technische Systeme entsprechend anzupassen.
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