Zwangsverwaltung und Betriebsaufspaltung: Neue Maßstäbe für Mitunternehmerschaften
Mit Urteil vom 25. Juni 2025 (Az. IV R 1/23) hat der Bundesfinanzhof eine richtungsweisende Entscheidung zur steuerlichen Behandlung von Einkünften aus der Zwangsverwaltung von Grundstücken im Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft sowie zur betrieblichen Veranlassung von Grundschulden in Fällen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung getroffen. Der Fall betraf die komplexe Schnittstelle zwischen Vermögensverwaltung, Zwangsvollstreckung und gewerblichen Einkünften und ist für zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen von Bedeutung, die Immobilien im Betriebsvermögen halten oder im Rahmen von Unternehmensgruppen als Besitz- und Betriebsgesellschaften organisiert sind.
Im zugrunde liegenden Fall war eine Kommanditgesellschaft Eigentümerin betrieblicher Grundstücke, die infolge von Grundschulden zugunsten einer verbundenen Betriebsgesellschaft der Zwangsverwaltung unterlagen. Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass die durch die Zwangsverwaltung erzielten Mieterträge der Mitunternehmerschaft als Grundpfandschuldnerin zuzurechnen sind und nicht dem Zwangsverwalter als Entrichtungsschuldner. Ferner konkretisierte das Gericht die Grundsätze für die betriebliche Veranlassung von Grundschulden, wenn diese der Absicherung von Verpflichtungen einer verbundenen Gesellschaft dienen. Diese Entscheidung entfaltet weitreichende steuerliche und bilanzielle Auswirkungen, insbesondere für Personengesellschaften, Pflegeeinrichtungen, Krankenhausbetreiber, Logistikunternehmen und Onlinehändler, die häufig in Konzern- oder Verbundstrukturen arbeiten.
Betrieblich veranlasste Grundschulden und steuerliche Zurechnung der Mieterträge
Der Bundesfinanzhof bekräftigte, dass Mieterträge aus zwangsverwalteten Grundstücken dem Eigentümer beziehungsweise der Mitunternehmerschaft zuzurechnen sind, auch wenn die Verwaltungskompetenz dem Zwangsverwalter übertragen wurde. Entscheidend ist, dass die Mitunternehmerschaft die wirtschaftliche Inhaberin des Grundbesitzes bleibt und die Einnahmen als Betriebseinnahmen zu erfassen hat. Ein Abzug der an den Zwangsverwalter weitergeleiteten Beträge als Betriebsausgaben kommt nur dann in Betracht, wenn die dem Vollstreckungsakt zugrundeliegende Verpflichtung eigenbetrieblich veranlasst war.
Eine zentrale Aussage des Urteils betrifft die betriebliche Veranlassung von Grundschulden: Bestehen zwischen zwei Unternehmen – etwa einer Besitz- und einer Betriebsgesellschaft – organisatorische und personelle Verflechtungen, liegt eine sogenannte mitunternehmerische Betriebsaufspaltung vor. In diesen Fällen können Sicherheiten, die das Besitzunternehmen zur Stärkung der Vermögenslage der Betriebsgesellschaft bestellt, als betrieblich veranlasst gelten. Der Bundesfinanzhof sah in der Sicherung von Darlehensverbindlichkeiten der Betriebsgesellschaft durch Grundschulden der Besitzgesellschaft eine Maßnahme, die nach der Begründung einer Betriebsaufspaltung eigenbetrieblichen Zwecken dient. Dies gilt selbst dann, wenn die Sicherheiten ursprünglich aus außerbetrieblichen Gründen bestellt wurden, sofern eine objektive und nach außen erkennbare Zweckänderung vorliegt.
Steuerliche Bewertung und Bilanzierungsfolgen für Unternehmen
Für Praxis und steuerliche Beratungspraxis ist die Entscheidung des Bundesfinanzhofs bedeutsam, weil sie eine klare Linie zur Erfassung von Mieterträgen in Zwangsverwaltungsverfahren zieht und zugleich das Verständnis der betrieblichen Veranlassung weiterentwickelt. Kleine und mittlere Unternehmen, insbesondere solche, die Immobilien im Rahmen von Unternehmensverbünden halten, sollten ihre Buchhaltungs- und Steuerprozesse an diese rechtliche Klarstellung anpassen.
Unternehmen, etwa Pflegeeinrichtungen, Logistikdienstleister oder produzierende Betriebe, die ihre Betriebsgrundstücke in Besitzgesellschaften halten, müssen prüfen, inwieweit belastete Immobilien zu Rückstellungen oder Betriebsausgaben führen. Dabei ist die Bildung einer Rückstellung für Verpflichtungen aus Grundschulden nach den Vorgaben des Bundesfinanzhofs spätestens in dem Geschäftsjahr zwingend, in dem eine Zwangsverwaltung angeordnet wird. Das betrifft insbesondere Fälle, in denen die Bank auf die Sicherheiten zugreift und die Besitzgesellschaft für Verbindlichkeiten der Betriebsgesellschaft haftet. Der Entscheidung zufolge entfällt eine Abzugsfähigkeit der ausgekehrten Miet- oder Veräußerungserlöse als Betriebsausgaben in späteren Jahren, wenn die Rückstellung bereits hätte gebildet werden müssen.
Für Steuerberatende bedeutet dies: Eine nachträgliche Korrektur der Bilanz ist in der Regel nur unter den Voraussetzungen des formellen Bilanzenzusammenhangs und der Verjährung möglich. Es empfiehlt sich, bereits im Stadium der Zwangsverwaltung oder bei Anordnung einer Betriebsaufspaltung die betriebliche Veranlassung der Sicherheiten steuerlich zu dokumentieren. Eine saubere Nachweisführung schützt vor langwierigen Rechtsstreitigkeiten und nachträglichen Korrekturen der Gewinnfeststellungsbescheide.
Handlungsempfehlungen und Schlussfolgerung für die Unternehmenspraxis
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs verdeutlicht, dass steuerliche Zurechnung und betriebliche Veranlassung stets am wirtschaftlichen Gesamtzusammenhang zu messen sind. Für kleine und mittlere Unternehmen, aber auch für spezialisierte Branchen wie Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäuser, ergibt sich daraus die Notwendigkeit, interne Finanzierungs- und Gesellschaftsstrukturen regelmäßig zu überprüfen. Die Zwangsverwaltung eines betrieblichen Grundstücks führt nicht zu einer steuerlichen Entlastung durch Entkopplung von Einnahmen und Aufwendungen; vielmehr bleibt die Mitunternehmerschaft steuerlicher Träger der Einkünfte, selbst wenn die laufenden Mietzahlungen direkt an Gläubiger oder Verwalter fließen.
Gleichzeitig stellt das Urteil klar, dass die Sicherung von Fremdverbindlichkeiten einer Betriebsgesellschaft durch Vermögen einer Besitzgesellschaft nicht zwingend zu einem außerbetrieblichen Aufwand führt. Im Gegenteil: Wird die wirtschaftliche Einheit beider Gesellschaften durch eine Betriebsaufspaltung geschaffen, können derartige Sicherheiten als betriebliche Maßnahmen gelten, deren Folgen in der Steuerbilanz abgebildet werden müssen. Diese Auslegung stärkt insbesondere moderne Unternehmensverbünde, die durch steueroptimierte Strukturen Effizienz in Finanzierung und Betrieb schaffen wollen.
Fazit: Klare Orientierung für Steuerpraxis und Unternehmensstruktur
Das Urteil liefert wichtige Orientierung für Gesellschafter und Entscheider, die komplexe Unternehmensstrukturen steuern und dabei betriebswirtschaftliche und steuerliche Risiken abwägen müssen. Es zeigt zugleich, dass die Abgrenzung zwischen privater und betrieblicher Veranlassung im Rahmen von Betriebsaufspaltungen mit besonderer Sorgfalt vorzunehmen ist. Unternehmen sollten die Entscheidung zum Anlass nehmen, ihre internen Prozesse im Hinblick auf die Behandlung von Zwangsverwaltungen, Sicherheiten und Rückstellungen neu zu bewerten. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen in genau diesen Fragen. Wir legen besonderen Wert auf Prozessoptimierung in der Buchhaltung und die Digitalisierung von Abläufen, wodurch sich erhebliche Kostenvorteile und Effizienzsteigerungen für Mandanten unterschiedlichster Branchen – vom Onlinehändler bis zur Pflegeeinrichtung – erzielen lassen.
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