Hintergrund und Zielsetzung der Mindeststeuerreform
Am 13. November 2025 hat der Deutsche Bundestag die Novelle des Mindeststeuergesetzes beschlossen. Damit setzt Deutschland die überarbeiteten internationalen Leitlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur globalen Mindestbesteuerung in nationales Recht um. Das Mindeststeuergesetz verpflichtet international tätige Unternehmensgruppen, eine effektive Steuerbelastung von mindestens 15 Prozent sicherzustellen. Ziel ist, Gewinnverlagerungen in Niedrigsteuerländer einzudämmen und einen fairen steuerlichen Wettbewerb zu gewährleisten.
Für Unternehmensgruppen, deren Jahresumsatz 750 Millionen Euro übersteigt, ist die Mindestbesteuerung bereits aus der Umsetzung der sogenannten Säule-II-Regeln der OECD bekannt. Die nun beschlossenen Änderungen wirken jedoch weit über Großkonzerne hinaus, da sie Klarstellungen, Vereinfachungen und neue Abgrenzungsfragen enthalten, die auch kleinere Kapitalgesellschaften mit ausländischen Tochterunternehmen mittelbar betreffen können.
Kerninhalte der gesetzlichen Anpassung
Eine der zentralen Neuerungen betrifft die Berücksichtigung latenter Steuern. Latente Steuern sind steuerliche Korrekturen, die Differenzen zwischen handelsrechtlichen und steuerlichen Bewertungsvorschriften ausgleichen. Diese werden typischerweise gebildet, wenn Erträge oder Aufwendungen in der Steuerbilanz zu einem anderen Zeitpunkt als in der Handelsbilanz erfasst werden. Die Reform sieht nun vor, dass auch solche latenten Steuern berücksichtigt werden, die aufgrund von Wahlrechten bislang nicht aktiviert oder verrechnet waren. Damit wird die Berechnung der sogenannten Vollsteuerbelastung im Rahmen der Mindeststeuer harmonisiert und näher an die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angepasst.
Ebenfalls von praktischer Bedeutung ist die Anpassung der Anti-Gewinnverlagerungsvorschriften. Laut Gesetzesbegründung sollen zusätzliche Nachweispflichten und Bürokratie gezielt auf das notwendige Minimum reduziert werden. Damit will der Gesetzgeber die Unternehmen entlasten, ohne das Ziel einer fairen Besteuerung zu gefährden. So wird insbesondere die Dokumentation zur Ermittlung der effektiven Steuerbelastung vereinfacht und stärker auf bereits vorhandene Berichtsstrukturen abgestimmt.
Auswirkungen auf die Praxis in kleinen und mittleren Unternehmen
Auch wenn die Mindeststeuer primär auf international tätige Unternehmensgruppen abzielt, hat das Gesetz mittelbare Folgen für viele mittelständische Betriebe, insbesondere für deutsche Tochtergesellschaften ausländischer Konzerne oder Beteiligungsgesellschaften. Für sie ergeben sich neue Meldepflichten und buchhalterische Anforderungen. Steuerberatende und Finanzabteilungen müssen künftig sorgfältiger prüfen, inwieweit interne Verrechnungspreise oder Ausschüttungsstrukturen Einfluss auf die Mindeststeuerberechnung der Unternehmensgruppe haben können. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die in multilaterale Beteiligungsstrukturen eingebunden sind oder über Betriebsstätten im Ausland verfügen.
Für Steuerberaterinnen und Steuerberater eröffnet die Reform sowohl Risiken als auch Chancen. Einerseits verlangt die neue Gesetzeslage detaillierte Kenntnisse der internationalen Regelungen und eine enge Abstimmung zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften. Andererseits fördert sie die Notwendigkeit einer stärkeren Digitalisierung und Automatisierung von Buchhaltungs- und Steuerprozessen. Gerade hier können Kanzleien, die auf digitale Prozessstrukturen gesetzt haben, erheblichen Mehrwert bieten, da die geforderte Transparenz über Datenflüsse und steuerliche Kennzahlen ohne entsprechende technische Systeme kaum realisierbar ist.
Praktische Empfehlungen für die Umsetzung und Fazit
Unternehmen sollten zeitnah prüfen, ob sie direkt oder indirekt von den Neuregelungen erfasst sind. Entscheidend ist dabei, ob sie Teil eines Konzerns sind, der insgesamt die Umsatzschwelle der Mindeststeuer überschreitet. Sollte dies der Fall sein, ist eine enge Abstimmung mit der Konzernsteuerabteilung und den Wirtschaftsprüfenden ratsam, um die korrekte Datenerhebung und Dokumentation sicherzustellen. Auch für kleine und mittlere Unternehmen kann es sinnvoll sein, die internen Strukturen zu überprüfen, um mögliche Berichtspflichten frühzeitig zu identifizieren.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist der Gesetzesbeschluss zugleich ein Signal an die Unternehmenspraxis: steuerliche Transparenz, konsistente Datenhaltung und die Integration digitaler Buchhaltungssysteme werden zur Grundanforderung einer modernen Unternehmensführung. Wer bereits auf automatisierte Prozesse, Cloud-Lösungen und strukturierte Datenanalysen setzt, wird die neuen Vorgaben mit deutlich geringerem Mehraufwand erfüllen können. Besonders in Branchen wie dem Onlinehandel, der Pflegewirtschaft oder der Industrieproduktion zahlt sich ein optimiertes Zusammenspiel von Steuerberatung, Finanzbuchhaltung und IT-Systemen aus.
Die Weiterentwicklung des Mindeststeuergesetzes verdeutlicht somit die Richtung, in die sich das Unternehmenssteuerrecht bewegt: hin zu einem stärker harmonisierten, datenbasierten und revisionssicheren System, das nationale und internationale Steuerpflichten nachhaltig verbindet. Für Unternehmen bedeutet dies, dass die Einhaltung steuerlicher Vorschriften zunehmend an die Fähigkeit geknüpft ist, digitale Prozesse optimal zu nutzen. Genau hier setzt unsere Beratung an: Wir unterstützen kleine und mittelständische Unternehmen bei der Digitalisierung und Prozessoptimierung ihrer Buchhaltung, um nachhaltig Transparenz zu schaffen, Kosten zu senken und rechtliche Sicherheit im zunehmend komplexen Steuerumfeld zu gewährleisten.
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