Kein Werktitelschutz für fiktive Figuren im Markenrecht
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 4. Dezember 2025 (Az. I ZR 219/24) entschieden, dass der Name einer fiktiven Figur – im konkreten Fall der Filmfigur „Miss Moneypenny“ aus der James‑Bond‑Reihe – keinen Werktitelschutz erlangt. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass selbst über Jahrzehnte bekannte Charaktere nicht automatisch als eigenständige Werke im markenrechtlichen Sinne gelten, wenn sie nicht die erforderliche Individualität und Selbstständigkeit aufweisen. Für Unternehmen, die Produktnamen oder Marken entwickeln, ist diese Abgrenzung von hoher Relevanz, da sie den Spielraum im Umgang mit Begriffen, die in der Popkultur verankert sind, konkretisiert.
Das Werktitelrecht gehört zu den sogenannten geschäftlichen Bezeichnungen nach § 5 Absatz 1 des Markengesetzes. Es schützt die Namen oder besonderen Bezeichnungen von Werken, etwa von Filmen, Musikstücken oder Printveröffentlichungen. Entscheidend ist, dass der Titel dazu dient, ein bestimmtes Werk als solches zu identifizieren, nicht aber ein Unternehmen oder eine Dienstleistung. Der Bundesgerichtshof stellte nun klar, dass diese Schutzmechanismen nicht ohne weiteres auf einzelne Figuren aus einem Werk übertragbar sind, wenn diese nicht als selbstständige, vom Werk losgelöste Schöpfungen wahrgenommen werden.
Bezeichnungsfähigkeit und Selbstständigkeit als Kernkriterien
Für den Werktitelschutz ist die Bezeichnungsfähigkeit eines immateriellen Arbeitsergebnisses ausschlaggebend. Damit ein Titel – etwa ein Name – geschützt wird, muss der zugrunde liegende Gegenstand nach der Verkehrsanschauung als eigenständiges Werk gelten. Der Bundesgerichtshof betonte, dass fiktive Figuren grundsätzlich ein solches immaterielles Arbeitsergebnis darstellen können, sofern sie über eine hinreichend eigenständige Ausgestaltung verfügen. Maßgeblich sei, ob sie in ihrer Erscheinung, Persönlichkeit und Rezeption eindeutig vom Gesamtwerk abgrenzbar sind. Nur dann könne ein Werktitelrecht nach § 5 Absatz 3 des Markengesetzes entstehen.
Im Fall „Miss Moneypenny“ verneinte das Gericht diese Eigenständigkeit. Obwohl die Figur in zahlreichen James‑Bond‑Filmen vorkommt, fehle es ihr an einer klaren, wiedererkennbaren optischen und charakterlichen Ausprägung. Sie werde in den Filmen lediglich als Nebenfigur mit wechselnden Darstellungen wahrgenommen und nicht als eigenständiges Werk mit einem eigenen schöpferischen Charakter. Damit, so der Bundesgerichtshof, fehle der notwendige Anknüpfungspunkt für einen eigenständigen Titelschutz. Entscheidend ist somit die Abgrenzung zwischen dem gesamten Filmwerk und einer darin enthaltenen Figur: Nur wenn Letztere vom Publikum als unabhängig erkannt wird, kann eine Titelbindung entstehen.
Praktische Auswirkungen für Unternehmen und Markenentwicklung
Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen für Unternehmen, die Marken entwickeln oder kulturelle Referenzen in ihre Bezeichnungen integrieren. Insbesondere Franchise‑ und Lizenzsysteme im Dienstleistungssektor – etwa Sekretariats‑ oder Bürodienstleister – erhalten dadurch größere Rechtssicherheit, wenn sie Fantasiebezeichnungen nutzen, die zufällig auch aus bekannten Kulturen oder Filmreihen stammen. Das Gericht macht deutlich, dass ein markenrechtlicher Konflikt nur dann zu erwarten ist, wenn ein echter Titelschutz besteht. Namensähnlichkeiten zu fiktiven Figuren begründen für sich allein keinen Unterlassungsanspruch.
Auch für die Praxis von kleinen und mittelständischen Unternehmen, die ihre Markenentwicklung oft ohne aufwendige Rechtsberatung beginnen, bietet diese Entscheidung Orientierung. Gleichwohl bleibt zu beachten, dass die Verwendung bekannter Namen häufig urheberrechtliche, markenrechtliche oder persönlichkeitsrechtliche Berührungspunkte aufweisen kann, wenn diese Figuren oder Begriffe bereits als Marke registriert sind. Wer sicherstellen will, dass ein neuer Produkt‑ oder Dienstleistungsname keine fremden Rechte verletzt, sollte im Vorfeld stets eine Markenrecherche durchführen und gegebenenfalls anwaltlichen Rat einholen. Gerade bei Onlinehändlern, Start‑ups oder Dienstleistern, die sich mit kreativen Branding‑Strategien positionieren möchten, ist die Grenze zwischen zulässiger Anlehnung und unzulässiger Nutzung fließend.
Rechtssicherheit durch klare Begriffstrennung und professionelle Markenstrategie
Das Urteil stärkt die Rechtssicherheit im Umgang mit Werktiteln, indem es die Bedeutung der Selbstständigkeit eines Werkes präzisiert. Für die Praxis heißt dies: Der Titel einer Figur kann nur dann geschützt werden, wenn sie als eigenständiges Werk mit eigenem geistigem Gehalt existiert und unabhängig verwertet wird. Diese Abgrenzung beugt Überdehnung des Titelschutzes vor und schützt zugleich Unternehmerinnen und Unternehmer, die kreative Begriffe rechtmäßig verwerten möchten. Darüber hinaus unterstreicht die Entscheidung die Notwendigkeit, in der Markenentwicklung ein systematisches Vorgehen zu wählen. Klare Dokumentation von Namensentstehung, Markeneintragung und strategischem Einsatz im Geschäftsverkehr sind unverzichtbar, um langfristige Schutzrechte aufzubauen.
Für Organisationen mit mehreren Markenlinien empfiehlt sich ein digitalgestütztes Markenmanagement, das rechtliche, technische und betriebswirtschaftliche Aspekte miteinander verknüpft. Automatisierte Prozesse zur Überwachung ähnlicher Markenanmeldungen können Konflikte frühzeitig identifizieren und zugleich Ressourcen in der Verwaltung sparen. Insbesondere für den Mittelstand eröffnet die Kombination aus Rechtskompetenz und Digitalisierung erhebliche Effizienzpotenziale. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen bei der digitalen Prozessoptimierung in der Buchhaltung und beim Aufbau rechtssicherer, effizienter Strukturen. Wir begleiten Mandanten verschiedenster Branchen bei der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse und sorgen so für nachhaltige Kosteneinsparungen und mehr Rechtssicherheit im Unternehmensalltag.
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