Unternehmen sehen sich regelmäßig mit Fragen zum Kündigungsschutz, zur Rechtswahl in Arbeitsverträgen und zur Erteilung von Arbeitszeugnissen konfrontiert. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 18. Juni 2025, Aktenzeichen 2 AZR 99/24 (B), verdeutlicht, wie komplex die Schnittstellen zwischen nationalem und internationalem Arbeitsrecht sind und welche hohen Anforderungen sowohl an die Wirksamkeit einer Kündigung als auch an den Zeugnisanspruch gestellt werden.
Kündigung und Rechtswahl im internationalen Arbeitsrecht
Das Verfahren betraf eine Flugbegleiterin, deren Arbeitsvertrag unter einer US-Rechtswahl stand. Strittig war, ob ihre Kündigung in Deutschland wirksam war und ob die Formvorschriften eingehalten wurden. Nach deutschem Recht verlangt § 623 Bürgerliches Gesetzbuch die Schriftform für Kündigungen, während im US-amerikanischen Recht nach der sogenannten "Employment-at-will-Doktrin" Kündigungen auch ohne besondere formale Anforderungen möglich sind. Das BAG stellte klar, dass die Rechtswahl anwendbar bleibt, sofern sie den Arbeitnehmerschutz nicht vollständig unterläuft. Im konkreten Fall spielte zudem die Frage eine Rolle, ob die Versendung aus den USA genügte, um die Anforderungen an die Form zu erfüllen. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Kündigung wirksam und das Arbeitsverhältnis spätestens zum 30. April 2021 beendet war.
Besonders beachtenswert ist, dass das BAG keine Möglichkeit sah, die Kündigung aufgrund fehlender sozialer Rechtfertigung nach deutschem Kündigungsschutzgesetz für unwirksam zu erklären. Nach Auffassung des Gerichts sei das Kündigungsschutzgesetz auf den Fall nicht anwendbar, da das Luftverkehrsunternehmen keine inländischen Flugzeuge stationiert hatte und damit kein inländischer Betrieb im Sinne des Gesetzes vorlag.
Arbeitszeugnis als zwingender Anspruch
Von zentraler Bedeutung für die Praxis ist der Teil der Entscheidung, in dem das BAG den Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses bestätigte. Während nach US-amerikanischem Arbeitsrecht ein solcher Anspruch nicht zwingend besteht, wertete das BAG § 109 Gewerbeordnung als zwingende Bestimmung, die nicht durch Rechtswahl ausgeschlossen werden kann. Damit müssen Arbeitgeber, auch wenn sie sich auf eine ausländische Rechtswahl berufen, unter Umständen dennoch ein qualifiziertes Zeugnis ausstellen, sobald ein Arbeitsverhältnis mit einer engen Verbindung zu Deutschland beendet wird.
Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ist ein wesentlicher Bestandteil des Arbeitnehmerschutzes, da es zukünftige berufliche Chancen maßgeblich beeinflusst. Das BAG betonte, dass ein Verzicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich ist und dass Arbeitgeber dieser Pflicht unabhängig von der vereinbarten Rechtsordnung nachkommen müssen.
Bedeutung für kleine und mittelständische Unternehmen
Für kleine und mittelständische Unternehmen, für Pflegeeinrichtungen oder auch für Onlinehändler, die internationale Arbeitsverträge nutzen, hat diese Entscheidung unmittelbare Relevanz. Zum einen zeigt sie, dass Arbeitgeber mit Sitz im Ausland nicht ohne Weiteres deutsche Arbeitnehmerschutzgesetze umgehen können, wenn das Arbeitsverhältnis enge Bezüge zum deutschen Arbeitsmarkt hat. Zum anderen verdeutlicht sie, dass gerade beim Arbeitszeugnis deutsche Regeln auch bei einer anderslautenden Rechtswahl durchgreifen. Unternehmen, die im internationalen Kontext tätig sind, müssen daher sehr genau prüfen, ob ihre Vertragsklauseln und Abwicklungen mit zwingenden deutschen Vorschriften vereinbar sind.
Praktisch bedeutet dies, dass kleine Unternehmen und Mittelständler mit Beschäftigten im Ausland ihre Vertragsgestaltung überprüfen sollten. Wer Personal in Deutschland beschäftigt oder plant, sollte Arbeitszeugnisse stets vorbereiten, um rechtlich abgesichert zu sein. Pflegeeinrichtungen mit internationalem Fachpersonal und Onlinehändler, die auf ausländische Arbeitskräfte zurückgreifen, sind besonders betroffen, da sie häufig mit multilateralen Vertragskonstellationen arbeiten. Ohne ein korrekt ausgestelltes Arbeitszeugnis drohen kostenintensive Rechtsstreitigkeiten und Reputationsrisiken.
Darüber hinaus zeigt die Entscheidung die Notwendigkeit, Kündigungen und formale Anforderungen genau zu dokumentieren. Insbesondere im Hinblick auf die Form der Kündigung kann es erhebliche Unterschiede zwischen nationalen Rechtsordnungen geben. Ob Kündigungen als E-Mail oder postalisch wirksam erklärt werden können, hängt dabei maßgeblich davon ab, von welchem Ort die Erklärung abgesandt wurde und welches Recht anwendbar ist. Unternehmen müssen daher ihre internen Prozesse so strukturieren, dass jederzeit Nachweise vorgelegt werden können.
Fazit: Rechtssicherheit durch klare Prozesse
Für Arbeitgeber in Deutschland und solche mit internationalem Bezug verdeutlicht die Entscheidung, dass eine sorgfältige Vertragsgestaltung und eine konsequente Einhaltung von Nachweispflichten essenziell sind. Kündigungen dürfen nicht leichtfertig erklärt werden, und die Pflicht zur Erteilung von Arbeitszeugnissen muss ernst genommen werden – unabhängig von der Rechtswahl. Gerade im Mittelstand, wo oftmals verschiedene Rechtsordnungen aufeinandertreffen, ist eine enge Abstimmung zwischen Personalabteilung, Steuerberatung und Rechtsbeistand geboten. Unsere Kanzlei unterstützt kleine wie auch mittelständische Unternehmen mit umfassender Erfahrung in der Prozessoptimierung, der Digitalisierung der Buchhaltung und in der Schaffung effizienter Strukturen, die nicht nur Kosten senken, sondern auch die rechtliche Sicherheit erhöhen.
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