BFH-Entscheidung zur Abgrenzung von Erschließungskosten und Gewerbebetrieb
Der Bundesfinanzhof hat am 14. Mai 2025 im Verfahren VI R 9/23 eine für Unternehmen, Land- und Forstwirte sowie auch für steuerberatende Berufe relevante Entscheidung getroffen. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob die bloße Übernahme von Erschließungskosten durch einen Grundstückseigentümer zur Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels führt oder ob die Veräußerung solcher Flächen weiterhin als Hilfsgeschäft im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft einzuordnen ist. Hintergrund war, dass ein Landwirt, der Baugrundstücke nach Parzellierung veräußerte, die vollständigen Kosten der Erschließung übernommen hatte. Das Finanzamt nahm daraufhin einen gewerblichen Grundstückshandel an und setzte Gewerbesteuermessbeträge fest. Das Finanzgericht Münster hatte dem Landwirt Recht gegeben, was nun vom Bundesfinanzhof bestätigt wurde.
Entscheidend war, dass der Kläger keine eigenen gewerblichen Aktivitäten über die typischen Mitwirkungsrechte hinaus entfaltet hatte. Das Gericht stellte klar, dass die reine Kostentragung für Erschließungsaufwand, selbst wenn sie über das gesetzlich vorgesehene Maß hinausgeht, nicht automatisch eine gewerbliche Tätigkeit begründet. Vielmehr handelt es sich um ein typisches Hilfsgeschäft der Land- und Forstwirtschaft, sodass eine Rücklage nach § 6b Einkommensteuergesetz gebildet werden durfte.
Rechtliche Begründung und steuerliche Einordnung
Die steuerliche Einordnung von Grundstücksverkäufen hängt maßgeblich von der Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung, landwirtschaftlichen Hilfsgeschäften und gewerblichem Grundstückshandel ab. Der gewerbliche Grundstückshandel ist in § 15 Absatz 2 Einkommensteuergesetz geregelt und setzt voraus, dass ein Steuerpflichtiger über die schlichte Veräußerung hinaus aktive Tätigkeiten vollzieht, die den Charakter eines Gewerbebetriebs annehmen. Dazu kann etwa die eigenständige Erschließung, die Veranlassung von Bebauungsplänen oder die Vermarktung als eigenständiger Projektentwickler gehören.
Im vorliegenden Fall hatte der Landwirt zwar sämtliche Erschließungskosten übernommen, doch war er weder Auftraggeber noch Initiator der Baureifmachung des Grundstücks. Vielmehr lag die Erschließung durch Vertragshoheit bei der Kommune, die diesen Bereich an ein Erschließungsunternehmen übertrug. Damit verhielt sich der Kläger nicht wie ein Investor, sondern blieb im Rahmen seiner Rolle als Grundstückseigentümer. Auch die eigenständige Vermarktung der Grundstücke mit Gewinn änderte diese Bewertung nicht, da nach ständiger Rechtsprechung selbst eine Vielzahl von Verkäufen nicht pauschal in einen Gewerbebetrieb mündet.
In seiner Begründung folgte der Bundesfinanzhof der bestehenden Rechtsprechungslinie: Solange ein Land- oder Forstwirt keine originär gewerblichen Aufgaben in eigener Verantwortung übernimmt, bleibt die Veräußerung Teil der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Auch eine vollständige oder teilweise Vorfinanzierung von Erschließungskosten, welche anschließend auf die Käufer überwälzt wird, begründet keine Gewerblichkeit, weil diese Kostenfolge strukturell dem Grundstückseigentümer auferlegt ist.
Nutzen und Folgen für Unternehmen und Steuerberatung
Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für eine Vielzahl von Zielgruppen. Land- und Forstbetriebe, die Flächen für Wohn- oder Gewerbenutzung freigeben, können sich darauf berufen, dass reine Kostentragungen für Erschließung nicht automatisch eine steuerliche Umqualifizierung auslösen. Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser, die in ländlichen Räumen Flächen veräußern, können diese Rechtsprechung ebenfalls heranziehen, um nicht vorschnell in die Gewerbesteuerpflicht hineinzufallen. Kleine und mittelständische Unternehmen, die aus Investitionsdruck oder geänderter Nutzung Grundstücke verkaufen, gewinnen durch diese Entscheidung ein Maß an Rechtssicherheit, da die steuerliche Behandlung somit stärker an klar erkennbaren gewerblichen Aktivitäten ausgerichtet ist und nicht allein an der Finanzierungsbereitschaft für kommunale Aufgaben.
Auch für Onlinehändler oder mittelständische Produktionsbetriebe, die im Zuge von Standortumsiedlungen oder Betriebserweiterungen Immobilien verkaufen, ist die Entscheidung bedeutsam. Sie verdeutlicht, dass die bloße Bereitschaft zur Kostenübernahme keinen gewerblichen Grundstückshandel auslöst. Damit wird vermieden, dass Unternehmen ohne gewerbliche Tätigkeit plötzlich in die komplexe Welt der Gewerbesteuerpflicht hineingezogen werden. Für Steuerberatende stellt sich die Aufgabe, die Kriterien präzise zu prüfen und Mandanten auf die sichere Gestaltung solcher Verkäufe vorzubereiten. Eine Herausforderung ist insbesondere die klare Dokumentation, dass die kommunale oder externe Initiative bei der Erschließung im Vordergrund stand und nicht die eigene unternehmerische Tätigkeit.
Ein wichtiger praktischer Aspekt ist zudem die Möglichkeit der Rücklagenbildung nach § 6b Einkommensteuergesetz. Unternehmen können so steuerliche Vorteile nutzen und Gewinne in neue Investitionen umleiten. Gerade Betriebe aus dem Mittelstand, etwa in der Landwirtschaft oder im Gesundheitswesen, können diese Mittel verwenden, um in Digitalisierung oder maschinelle Infrastruktur zu investieren. Steuerberatungspraxis und Banken erhalten somit eine klarere Entscheidungsgrundlage für die Finanzierung von Unternehmenswachstum.
Schlussfolgerung und Handlungsempfehlung
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs schafft ein erhebliches Maß an Rechtssicherheit: Allein die Übernahme von Erschließungskosten führt nicht zu einem gewerblichen Grundstückshandel. Damit können Landwirte, mittelständische Unternehmen, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser oder auch Onlinehändler bei Grundstücksverkäufen weiterhin planungssicher agieren, solange keine eigenen gewerblichen Aktivitäten hinzutreten. Für die steuerliche Praxis bedeutet dies, dass die Abgrenzung zwischen Hilfsgeschäft und Gewerbebetrieb weiterhin anhand konkreter Aktivität und nicht auf Basis abstrakter Risiken erfolgt. Diese Klarheit erleichtert sowohl die Beratung als auch die finanzielle Planung.
Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen in der effizienten Gestaltung ihrer Buchhaltung und legt einen besonderen Schwerpunkt auf Digitalisierung und Prozessoptimierung. Die Erfahrung zeigt, dass dadurch erhebliche Kostenersparnisse realisiert werden können. Wir beraten Mandanten verschiedenster Branchen, vom kleinen Betrieb bis zum Mittelstand, und begleiten sie dabei, ihre Prozesse zukunftssicher und steuerlich optimiert auszurichten.
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