Keine Beitragsermäßigung trotz geringer Haupteinkünfte
Der Anwaltsgerichtshof Hamburg hat mit Entscheidung vom 13. Juni 2025 (Az. AGH II ZU 2/2023, II-44) klargestellt, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte keinen Anspruch auf eine Ermäßigung ihrer Kammerbeiträge haben, wenn sie zwar geringe Einkünfte aus der anwaltlichen Tätigkeit erzielen, jedoch über zusätzliche Einnahmen aus anderen Einkunftsarten verfügen. Entsprechend hatte die Hanseatische Rechtsanwaltskammer die zuvor gewährte Beitragsermäßigung rechtmäßig zurückgenommen. Damit wurde betont, dass für die Beurteilung eines Antrags auf Beitragsermäßigung nicht allein die Berufseinkünfte maßgeblich sind, sondern stets das gesamte Einkommen einschließlich Einkünften aus Kapitalvermögen oder Vermietung.
Der Hintergrund liegt darin, dass die Kammerbeiträge nach der Beitragsordnung grundsätzlich von allen Mitgliedern in voller Höhe zu entrichten sind. Eine Reduzierung ist nur in Ausnahmefällen vorgesehen, wenn das Gesamteinkommen nicht ausreicht, um eine wirtschaftlich stabile Lebensführung sicherzustellen. Diese Billigkeitsregelung darf jedoch nicht auf bloßes Unterschreiten bestimmter Einkommensgrenzen innerhalb einer Einkommensart gestützt werden.
Juristische Einordnung der Entscheidung
Die hanseatische Kammer hatte einem Anwalt zunächst eine 50-prozentige Beitragsermäßigung bewilligt. Grundlage war ein von ihm eingereichter Fragebogen, in dem er ausschließlich seine geringen Einkünfte aus anwaltlicher Tätigkeit aufführte. Weitere Einkünfte ließ er unerwähnt. Später wurde bekannt, dass er darüber hinaus sowohl Kapitalerträge als auch Einnahmen aus Vermietung bezog. Diese Informationen kamen im Rahmen eines parallelen Widerrufsverfahrens ans Licht. Daraufhin wurde der Ermäßigungsbescheid aufgehoben und eine Nachzahlung, ergänzt um Gebühren für das Widerspruchsverfahren, verlangt.
Rechtlich stützte sich die Kammer auf § 48 Absatz 1 Satz 2 des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes. Diese Vorschrift erlaubt es einer Behörde, einen fehlerhaften begünstigenden Verwaltungsakt zurückzunehmen, wenn dieser durch unrichtige oder unvollständige Angaben zustande gekommen ist. Das Gericht folgte dieser Begründung und stellte klar, dass in solchen Fällen auch kein Vertrauensschutz nach § 48 Absatz 2 Satz 3 Nummer 2 gewährt werden kann. Entscheidend ist, dass die Pflicht zur vollständigen und richtigen Angabe sämtlicher Einkünfte beim Antragsteller liegt. Ein Irrtum darüber, welche Angaben erforderlich sind, entlastet nicht von dieser Verantwortung.
Praktische Bedeutung für Mitglieder der Rechtsanwaltskammer
Die Entscheidung hat weitreichende praktische Relevanz. Sie verdeutlicht, dass die Erhebung des Kammerbeitrags auf einer solidarischen Finanzierungspflicht aller zugelassenen Mitglieder basiert. Dabei fallen für die Kammer unabhängig vom individuellen Arbeitseinsatz oder Einkommen stets gleiche Grundkosten an. Ein pauschaler Nachlass für Mitglieder mit niedrigem Berufseinkommen wird aus diesem Grund ausgeschlossen, solange andere Einkommensströme eine ausreichende wirtschaftliche Basis gewährleisten.
Für die Praxis bedeutet dies, dass bei Anträgen auf Beitragsermäßigung stets sämtliche Einkünfte berücksichtigt werden. Wer also neben einem schwachen Kanzleiumsatz über festverzinsliche Wertpapiere, Dividenden oder Mieteinnahmen verfügt, kann sich nicht auf eine geringere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berufen. Nur dann, wenn sämtliche Einkünfte zusammengenommen nachweislich nicht ausreichen, kann eine Ermäßigung als Billigkeitsmaßnahme gewährt werden.
Die Erwartung des Gerichts ist zudem eindeutig: Falschangaben im Rahmen von Anträgen führen zum Wegfall des Vertrauensschutzes und können nicht nur den Verlust der Vergünstigung, sondern auch zusätzliche Kosten im Rahmen von Widerspruchsverfahren nach sich ziehen. Im entschiedenen Fall kamen so noch einmal 360 Euro als Gebühr hinzu, deren Rechtmäßigkeit ausdrücklich bestätigt wurde.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs Hamburg verdeutlicht, dass bei der Frage nach Beitragsermäßigungen stets das gesamte Einkommen im Blick stehen muss. Das gilt gleichermaßen für andere Körperschaften und berufsständische Organisationen, die ihre Beiträge auf Basis wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit berechnen. Wer Nebeneinkünfte verschweigt, riskiert nicht nur den Verlust einer gewährten Begünstigung, sondern muss mit zusätzlichen Kosten und rechtlichen Konsequenzen rechnen. Für kleine Praxen und Selbständige, die mit schwankenden Einkünften zu tun haben, ist Transparenz gegenüber der Kammer daher eine zwingende Voraussetzung, um überhaupt die Chance auf eine Beitragsminderung zu wahren.
Unserer Erfahrung nach zeigen gerade solche Verfahren, wie wichtig eine präzise schriftliche Dokumentation und eine vollständige Erfassung der Einkünfte sind. Für Mandanten, die neben der eigentlichen Berufstätigkeit weitere Erlösquellen haben, empfiehlt sich eine frühzeitige Beratung, um Risiken bei Anträgen und Verwaltungsverfahren zu vermeiden. Als Kanzlei begleiten wir kleine und mittelständische Unternehmen bei der Optimierung ihrer Buchhaltungsprozesse und unterstützen gezielt bei der Digitalisierung, sodass Transparenz und Kosteneffizienz gleichermaßen gesichert werden können. Mandanten profitieren dadurch nicht nur von einer rechtssicheren Grundlage, sondern auch von erheblichen Kostenersparnissen durch eine moderne Prozessgestaltung.
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