Irreführende Umweltwerbung im Fokus des Wettbewerbsrechts
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 4. Dezember 2025 (Az. I-20 U 38/25) die Grenzen der zulässigen Umweltwerbung neu vermessen. Ausgangspunkt war die Praxis eines großen Luftfahrtunternehmens, bei Flugbuchungen die Möglichkeit anzubieten, CO2-Emissionen durch einen pauschalen Geldbetrag von neun Euro zu kompensieren. Die Werbung enthielt Aussagen wie „Fliegen Sie nachhaltiger“ und versprach, durch den Beitrag zu hochwertigen Klimaschutzprojekten die CO2-Emissionen des jeweiligen Fluges auszugleichen. Nach Auffassung des Gerichts handelte es sich hierbei um eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Irreführung, da Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Gestaltung der Angaben zur Kompensation und zum nachhaltigen Fliegen in einer wesentlichen Hinsicht getäuscht würden. Der rechtliche Maßstab hierfür ergibt sich aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, das jede Werbung untersagt, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Das Oberlandesgericht stellte klar, dass Werbung mit Begriffen wie „nachhaltig“ oder „CO2-neutral“ besonders strengen Anforderungen an ihre Transparenz unterliegt. Insbesondere müsse für die angesprochenen Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich erkennbar sein, in welchem Umfang tatsächlich eine Kompensation erfolgt und welche Treibhausgasarten davon umfasst sind. Eine Darstellung, die suggeriert, der gesamte Flug werde durch die Zahlung klimaneutral, während in Wahrheit nur CO2-Emissionen kompensiert werden und andere klimarelevante Stoffe unberücksichtigt bleiben, sei geeignet, eine Fehlvorstellung zu erzeugen und sei damit irreführend.
Begründung der Entscheidung und rechtliche Maßstäbe
Das Gericht betonte, dass Begriffe wie „Klimaneutralität“ und „CO2-Neutralität“ im allgemeinen Sprachgebrauch häufig synonym verstanden werden. Die Angabe, CO2 auszugleichen, könne daher von einem erheblichen Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher so interpretiert werden, dass die beworbene Leistung insgesamt klimaneutral sei. Da in der Luftfahrt jedoch neben Kohlendioxid auch weitere klimaschädliche Emissionen wie Stickoxide oder Wasserdampf in großer Höhe entstehen, die ebenfalls erheblich zur Erwärmung beitragen, sei diese Wahrnehmung sachlich falsch. In der Entscheidung stellte der Senat klar, dass Unternehmen, die mit ökologischen Vorteilen werben, zur umfassenden Aufklärung verpflichtet sind. Selbst objektiv richtige Angaben können irreführend sein, wenn sie für die angesprochenen Verkehrskreise nicht hinreichend verständlich sind oder einen falschen Gesamteindruck erwecken. Entscheidend ist also nicht nur die inhaltliche Richtigkeit der Aussage, sondern ihre Wirkung im Kontext der Werbung. Für Unternehmerinnen und Unternehmer, gleich ob im stationären Handel, im Onlinegeschäft oder im Dienstleistungsbereich, bedeutet das eine deutliche Verschärfung der Anforderungen an umweltbezogene Werbeaussagen.
Besondere Bedeutung erlangt diese Entscheidung auch deshalb, weil sie den steigenden Einfluss nachhaltigkeitsbezogener Werbung auf Kaufentscheidungen berücksichtigt. Unternehmen nutzen ökologische Botschaften zunehmend als strategischen Wettbewerbsvorteil. Daher muss klar zwischen echter Nachhaltigkeit und sogenanntem „Greenwashing“ unterschieden werden, also dem Versuch, durch Marketingmaßnahmen ein umweltfreundliches Image zu erzeugen, ohne dass dieses tatsächliche Grundlage in der Unternehmenspraxis hat. Das Gericht stellte ausdrücklich fest, dass die Relevanz solcher Angaben hoch ist und Verbraucherinnen und Verbraucher gerade bei Flugreisen besonderen Wert auf die ökologische Bilanz legen.
Abgrenzung zulässiger Umweltwerbung und praktische Konsequenzen
Der Senat stellte ebenfalls klar, dass die Werbung mit dem Hinweis auf „Sustainable Aviation Fuel“, also nachhaltiges, synthetisch erzeugtes Kerosin, in diesem Fall nicht irreführend war. Das Unternehmen hatte die Emissionsminderung im Vergleich zu herkömmlichen Treibstoffen konkret mit „mindestens 80 Prozent weniger CO2“ angegeben und nicht behauptet, der Einsatz dieses Kraftstoffs erlaube emissionsfreies Fliegen. Diese Differenzierung zeigt exemplarisch, dass eine transparente, technisch geprüfte und messbare Kommunikation zulässig bleibt. Entscheidend ist, dass die Aussagen objektiv überprüfbar und für die Verbraucherinnen und Verbraucher eindeutig sind. Wer Nachhaltigkeitsversprechen in seiner Außendarstellung nutzt, sollte daher jede Formulierung sorgfältig prüfen und gegebenenfalls mit einem erläuternden Hinweis versehen. Gerade kleine und mittlere Unternehmen, die sich zunehmend im Bereich nachhaltiger Dienstleistungen oder Produkte positionieren, müssen wissen, dass derartige Aussagen nicht nur einer ethischen, sondern auch einer rechtlichen Sorgfaltspflicht unterliegen. Ein Verstoß kann nicht nur Abmahnungen und Unterlassungspflichten nach sich ziehen, sondern auch erhebliche Reputationsrisiken bergen.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass Transparenz zu einem zentralen Wettbewerbsparameter geworden ist. Rechtskonformität und Glaubwürdigkeit sind eng miteinander verknüpft, insbesondere im digitalen Vertrieb, wo Nachhaltigkeitsangaben oft prominent platziert werden. Onlinehändler und Dienstleister sind daher gut beraten, umweltbezogene Kennzeichnungen und Werbeslogans vor Verwendung rechtlich prüfen zu lassen, um nicht unbeabsichtigt in den Verdacht der Täuschung zu geraten. Für spezialisierte Einrichtungen wie Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäuser, die zunehmend Klimaschutzstrategien entwickeln und kommunizieren, gilt dasselbe Prinzip: Je konkreter und nachvollziehbarer Aussagen sind, desto rechtssicherer die Kommunikation.
Fazit: Rechtssicherheit durch transparente Umweltkommunikation
Das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf bringt eine wichtige Klarstellung für die Praxis aller werbenden Unternehmen. Es unterstreicht, dass die Verantwortung für eine präzise und wahrheitsgemäße Nachhaltigkeitskommunikation nicht nur eine Frage der Außendarstellung, sondern auch des rechtlichen Risikomanagements ist. Wer Begriffe wie „klimaneutral“, „nachhaltig“ oder „umweltfreundlich“ einsetzt, muss nachvollziehbar darstellen, was darunter im konkreten Geschäftsmodell zu verstehen ist. Eine pauschale Kompensation von CO2-Emissionen kann nur dann als klimaneutral beworben werden, wenn sie sämtliche relevanten Emissionen einschließt oder wenn der Verbraucher klar und unmissverständlich darüber aufgeklärt wird, dass dies nicht der Fall ist.
Für kleine und mittelständische Betriebe, die sich zunehmend im Bereich nachhaltiger Produkte oder klimabewusster Dienstleistungen engagieren, ist diese Entscheidung zugleich Chance und Verpflichtung. Sie fordert Transparenz, bietet aber auch die Möglichkeit, sich durch klare, überprüfbare Aussagen positiv vom Wettbewerb abzuheben. Unsere Kanzlei unterstützt Unternehmen dabei, solche Prozesse effizient zu gestalten, rechtssicher zu kommunizieren und gleichzeitig durch Digitalisierung und intelligente Prozessoptimierung erhebliche Kostenersparnisse zu erzielen. Wir betreuen Mandanten verschiedenster Branchen und Unternehmensgrößen und begleiten sie bei der Umsetzung einer modernen, transparenten und digital optimierten Buchhaltungs- und Kommunikationsstruktur.
Gerichtsentscheidung lesen