Irreführung durch digitale Kommunikationsstrategien
Die zunehmende Digitalisierung von Kundenbeziehungen stellt Unternehmen vor die Herausforderung, rechtssicher und zugleich effizient mit ihren Kundinnen und Kunden zu kommunizieren. Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 18. September 2025 (Az. 33 O 490/24) in einem Fall gegen die Telekom Deutschland GmbH eine klare Grenze gezogen, die insbesondere für Anbieter digitaler Dienstleistungen von Bedeutung ist. Hintergrund war die Mitteilung an Kundinnen und Kunden der Marke congstar, das bestehende Online-Kundenportal werde im Sommer 2025 abgeschaltet und künftig sei nur noch die Nutzung einer App möglich. Tatsächlich bestand eine vertragliche Verpflichtung zur Bereitstellung des Website-Zugangs. Die Ankündigung erwies sich damit als unzutreffend und wurde als irreführend im Sinne des Wettbewerbsrechts bewertet.
Die Richter stellten fest, dass Unternehmen ihre Kundschaft nicht durch unzutreffende Informationen zum Herunterladen einer App bewegen dürfen. Eine derartige Kommunikation kann die Entscheidungsfreiheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern in unzulässiger Weise beeinträchtigen. Juristisch betrachtet liegt eine Irreführung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vor, wenn eine Aussage objektiv unrichtig ist und geeignet, die geschäftliche Entscheidung der Verbraucher zu beeinflussen. Genau dies sei im vorliegenden Fall der Fall gewesen.
Vertragliche Verpflichtungen und digitale Servicepflicht
Von zentraler Bedeutung für die Entscheidung war die vertragliche Lage zwischen Anbieter und Nutzerin beziehungsweise Nutzer. Die Geschäftsbedingungen sahen vor, dass Mobilfunkrechnungen mindestens zwölf Monate online abrufbar zu halten sind. Der Zugriff über die Website stellt daher keine freiwillige Zusatzleistung dar, sondern eine vertraglich geschuldete Servicefunktion, deren Wegfall einen Eingriff in bestehende Rechte der Kundinnen und Kunden bedeutet hätte. Die Bonner Telekommunikationsgesellschaft hatte hingegen den Eindruck erweckt, dass der Zugriff künftig ausschließlich über die App möglich sei. Damit wurde eine tatsächlich nicht bestehende Alternativlosigkeit suggeriert, die geeignet war, eine Handlung – den App-Download – herbeizuführen, ohne dass dies sachlich gerechtfertigt gewesen wäre.
Unternehmen, die ihre digitalen Plattformen migrieren oder modernisieren, sollten sich bewusst machen, dass Informationspflichten nicht allein über wirtschaftliche Erwägungen disponibel sind. Eine Umstellung der IT-Infrastruktur darf nicht dazu führen, dass vertraglich zugesicherte Zugriffsmöglichkeiten entfallen. Besonders in Branchen, in denen Serviceportale den Zugriff auf abrechnungsrelevante Daten ermöglichen – etwa in Telekommunikation, Energiewirtschaft oder Gesundheitswesen –, kommt der Transparenz und Wahrheit der Kundeninformation hohe rechtliche Relevanz zu. Verstöße können nicht nur zur Untersagung der Kommunikation, sondern auch zu kostenintensiven Abmahnverfahren führen.
Wettbewerbsrechtliche Bewertung und Folgen für Unternehmen
Das Wettbewerbsrecht schützt neben dem Verbraucherinteresse auch die Lauterkeit des Marktgeschehens insgesamt. Nach Auffassung des Gerichts war die Mitteilung über die angebliche Abschaltung des Kundenportals objektiv falsch, geeignet zur Täuschung und damit unlauter. Entscheidend ist die sogenannte Spürbarkeit des Verstoßes, also die Frage, ob das Verhalten geeignet ist, die Marktentscheidung eines Durchschnittsverbrauchers zu beeinflussen. Hier sah das Landgericht Köln keinen Zweifel: Die Information hatte unmittelbaren Einfluss auf das Verhalten der Kundschaft, da viele ohne die vermeintlich drohende Abschaltung keine App installiert hätten. Die Irreführung war nicht nur theoretisch, sondern faktisch wirksam.
Diese Entscheidung ist als Mahnung zu verstehen, dass Transparenz und technische Innovation stets Hand in Hand gehen müssen. Unternehmen, die neue digitale Vertriebs- oder Kommunikationskanäle eröffnen, dürfen Bestandskundinnen und Bestandskunden nicht zu einem Systemwechsel drängen, wenn dieser unter Verweis auf falsche Tatsachen erfolgt. Zugleich erinnert das Urteil daran, dass Verbraucherinnen und Verbraucher in ihrer Entscheidung, welche Kommunikationswege sie nutzen, autonom bleiben müssen. Die bewusste Erzeugung eines App-Zwangs widerspricht diesem Grundsatz und stellt einen Wettbewerbsverstoß dar.
Auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht zeigt sich die Relevanz rechtskonformer Kommunikation. Falsche Ankündigungen oder irreführende Systemumstellungen können das Vertrauen in die digitale Infrastruktur nachhaltig beschädigen. Unternehmen riskieren Reputationsverluste, die weit über die unmittelbaren Rechtsfolgen hinausgehen. Insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen sollten darauf achten, dass rechtliche Prüfprozesse in die Digitalstrategie integriert sind. Dies betrifft sowohl die Formulierung von Kundeninformationen als auch die Abstimmung zwischen Rechtsabteilung, Marketing und IT.
Fazit und Praxisempfehlungen für Unternehmen
Das Urteil des Landgerichts Köln verdeutlicht, dass Digitalisierung nur dann rechtssicher gelingt, wenn sie auf klaren vertraglichen und kommunikativen Grundlagen ruht. Wer seinen Kundinnen und Kunden digitale Innovationen anbietet, muss deren tatsächliche Funktionsweise und rechtliche Folgen wahrheitsgemäß darstellen. Gerade mittelständische Diensteanbieter, Onlinehändler oder Unternehmen in regulierten Branchen wie Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern sollten ihre Informationspflichten sorgfältig prüfen, bevor Sie Umstellungen auf digitale Systeme umsetzen. Die rein technische Entscheidung, auf App-basierte Anwendungen umzustellen, ersetzt keine rechtliche Analyse darüber, wie bestehende Kundenrechte hiervon betroffen sein können. Eine frühzeitige und transparente Kommunikation verhindert nicht nur rechtliche Auseinandersetzungen, sondern stärkt zugleich das Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer in digitale Geschäftsmodelle.
Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei der rechtssicheren Digitalisierung ihrer Prozesse. Wir unterstützen insbesondere bei der Optimierung der Buchhaltungs- und Verwaltungsprozesse, um durch digitale Lösungen effizienter zu arbeiten und nachhaltig Kosten zu senken. Mit unserer Erfahrung in der Prozessoptimierung schaffen wir für unsere Mandanten Strukturen, die rechtliche Sicherheit und wirtschaftlichen Erfolg gleichermaßen gewährleisten.
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