Die Frage, wie Sonderzahlungen wie die Inflationsausgleichsprämie in bestehende Arbeitsverträge einzuordnen sind, beschäftigt derzeit viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen. Insbesondere kleine Unternehmen, Pflegeeinrichtungen oder Onlinehändler müssen prüfen, ob und in welchem Umfang vertragliche Bezugnahmeregelungen solche Zahlungen erfassen. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts mit dem Aktenzeichen 4 AZR 291/24 vom 21. Mai 2025 zeigt die komplexen Wechselwirkungen von Vertragsgestaltung und gesetzlichen Sonderregelungen auf und macht deutlich, wie wichtig eine sorgfältige Formulierung von Bezugnahmeklauseln ist.
Bezugnahmeklausel und Inflationsausgleichsprämie – rechtlicher Rahmen
Bei Bezugnahmeklauseln handelt es sich um vertragliche Regelungen, die bestimmte tarifliche oder gesetzliche Vorschriften in das individuelle Arbeitsverhältnis einbeziehen. Sie dienen der Vereinfachung, sind aber häufig Auslöser von Streitigkeiten, wenn der Gesetzgeber neue, befristete oder abweichende Leistungen einführt. Die Inflationsausgleichsprämie, die als steuer- und sozialabgabenfreie Sonderleistung gemäß § 3 Nummer 11c Einkommensteuergesetz eingeführt wurde, wirft hier besondere Fragen auf. Unternehmen standen vielfach vor der Unsicherheit, ob diese gesetzgeberische Sonderzahlung automatisch unter Bezugnahmeklauseln fällt oder nicht. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung signalisiert, dass eine pauschale Einbeziehung nicht ohne Weiteres angenommen werden kann. Denn maßgeblich ist, ob die Klausel ihrem Sinn und Zweck nach auf diesen Sondertatbestand Anwendung finden soll oder ob ergänzende Vertragsauslegung erforderlich ist.
Auslegungskontrolle durch das Bundesarbeitsgericht und rechtliche Begründung
Die Entscheidung befasst sich im Kern mit der Vertragsauslegung. Nach der ständigen Rechtsprechung richtet sich die Auslegung von Bezugnahmeregelungen nach dem objektiven Erklärungswert der Klausel und dem hypothetischen Willen der Parteien. Da die Inflationsausgleichsprämie vom Gesetzgeber ausdrücklich als zeitlich befristete Ausnahmeregelung geschaffen wurde, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass allgemeine Bezugnahmeklauseln automatisch auch diese Leistung erfassen. Arbeitgeber hatten bislang teilweise angenommen, dass sie zur Zahlung verpflichtet seien, während Arbeitnehmer die Auffassung vertraten, dass die Einbeziehung zwingend sei. Das Bundesarbeitsgericht stärkt hier die Klarheit: Bezugnahmeklauseln müssen im Lichte des betroffenen Normenwerks verstanden werden und können in Fällen, in denen der Gesetzgeber neue Ausnahmetatbestände schafft, nicht vorschnell verallgemeinert werden.
Bedeutung für Unternehmen verschiedener Branchen
Die Entscheidung hat erhebliche Bedeutung für kleine und mittelständische Unternehmen, da diese in der Regel auf vorformulierte Vertragswerke zurückgreifen und Bezugnahmeklauseln standardisiert verwenden. Onlinehändler, bei denen häufig auf flexible Vertragsmodelle gesetzt wird, können nun besser einschätzen, dass sie nicht automatisch jede neue gesetzliche Sonderregelung an ihre Arbeitnehmer weitergeben müssen, sofern die vertraglichen Vereinbarungen dies nicht eindeutig vorsehen. Pflegeeinrichtungen, die traditionell häufig tarifgebunden arbeiten, müssen ebenfalls prüfen, ob ihre Bezugnahmeklauseln spezifisch genug ausgestaltet sind, um zukünftige Sonderzahlungen zu erfassen oder ob ergänzende Regelungen erforderlich sind, um Klarheit zu schaffen. Gerade bei den stark steigenden Personalkosten im Gesundheitswesen kann die Abgrenzung darüber, ob eine Inflationsausgleichsprämie vertraglich geschuldet ist oder nicht, erhebliche finanzielle Unterschiede bewirken.
Unternehmen sind zudem gut beraten, ihre Vertragspraxis kritisch zu hinterfragen, um Rechtssicherheit herzustellen. Dabei gilt es zu beachten, dass Bezugnahmeklauseln auch zukünftig durch neue Gesetzesinitiativen oder tarifpolitische Sondermaßnahmen berührt werden könnten. Eine präzise Vertragsgestaltung verringert nicht nur Rechtsunsicherheiten, sondern auch das Prozessrisiko und mögliche Rückstellungserfordernisse im Rechnungswesen. Steuerberatende und Finanzinstitutionen sollten ihre Mandanten gezielt darauf hinweisen, um böse Überraschungen in der Lohn- und Gehaltsabrechnung zu vermeiden.
Schlussfolgerung und Handlungsempfehlungen für die Praxis
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Auslegung von Bezugnahmeklauseln im Zusammenhang mit der Inflationsausgleichsprämie zeigt, dass Arbeitgeber künftig sensibler bei der Vertragsgestaltung vorgehen müssen. Für kleine und mittlere Unternehmen besteht die Chance, durch klare und differenzierte Formulierungen im Arbeitsvertrag spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden und zugleich die eigene Liquidität zu schützen. Auch für Pflegeeinrichtungen und Onlinehändler ist dies von Bedeutung, da die Personalkosten einen maßgeblichen Faktor für die Wirtschaftlichkeit darstellen. Wer Transparenz schafft, baut nicht nur Vertrauen bei den Mitarbeitenden auf, sondern reduziert auch das Risiko teurer Rechtsstreitigkeiten.
Unsere Kanzlei unterstützt Unternehmen bei der Analyse und Optimierung ihrer Verträge. Wir betreuen kleine und mittelständische Unternehmen, haben uns auf die Prozessoptimierung in der Buchhaltung und die Digitalisierung spezialisiert und erzielen dadurch erhebliche Kostenersparnisse für unsere Mandanten. Von der Pflegeeinrichtung bis zum Onlinehändler profitieren unsere Mandanten von unserer langjährigen Erfahrung in der effizienten Gestaltung von Unternehmensprozessen.
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