Die Inflationsausgleichsprämie war seit ihrer Einführung ein wichtiges Instrument, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer spürbar zu entlasten und gleichzeitig Arbeitgebern die Möglichkeit zu geben, steuer- und sozialabgabenfreie Zahlungen zu leisten. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Az. 4 AZR 166/24, Urteil vom 21. Mai 2025) hat nun wichtige Fragen rund um die Reichweite von arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln und deren Wirkung auf die Verpflichtung zur Auszahlung solcher Prämien geklärt. Besonders relevant ist dies für Branchen wie die Pflegewirtschaft, mittelständische Produktionsunternehmen und auch Onlinehändler, die in der Praxis regelmäßig mit der Frage konfrontiert sind, welche Zahlungen durch alte Vertragsklauseln tatsächlich erfasst werden.
Vertragliche Bezugnahmeklauseln und rechtlicher Hintergrund
Im vorliegenden Fall ging es um eine Altenpflegehelferin, die seit Mitte der 1990er Jahre beschäftigt war. Ihr Arbeitsvertrag enthielt eine Bezugnahme auf das damalige Tarifwerk des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT). Später wurde dieser durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) abgelöst. Der Streit entzündete sich an der Frage, ob die im Tarifabschluss 2023 für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vereinbarten Sonderzahlungen als Inflationsausgleich von der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeregelung erfasst sind.
Die Arbeitnehmerin argumentierte, die vereinbarte Vergütungsstruktur erfasse auch solche Sonderzahlungen, da sie an die Stelle regulärer Tabellenentgelterhöhungen getreten seien. Zudem sei es den Vertragsparteien bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht möglich gewesen, eine gesetzlich implementierte Inflationsausgleichsprämie vorherzusehen, weshalb die ergänzende Vertragsauslegung greifen müsse. Das Gericht stellte klar: Bei der Klauselauslegung ist in erster Linie auf den Wortlaut und die erkennbare Interessenlage der Parteien abzustellen. Da die Vertragsregelung ausdrücklich vorsah, dass mit der Vergütung alle weiteren Ansprüche abgegolten sein sollten, und die Bezugnahme eng auf das Tabellenentgelt beschränkt war, konnten zusätzliche tarifliche Sonderzahlungen nicht unter diese fallen.
Begründung und zentrale Kernaussagen des Gerichts
Das Bundesarbeitsgericht betonte, dass die Inflationsausgleichsprämie nicht Bestandteil des regulären Tabellenentgelts sei. Sie werde laut Tarifvertrag ausdrücklich "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Entgelt" gewährt und diene ausschließlich der Abmilderung gestiegener Verbraucherpreise. Damit sei sie nicht als Vergütungsbestandteil anzusehen. In der Argumentation stellte das Gericht klar, dass auch die ergänzende Vertragsauslegung ausscheide, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Die Vertragsparteien hätten bewusst eine Beschränkung auf die Eingruppierungs- und Vergütungsregelungen getroffen und weitere tarifliche Entwicklungen damit nicht in den Anwendungsbereich einbeziehen wollen.
- Die Bezugnahmeklausel erfasst nur das Tabellenentgelt, nicht aber zusätzliche Sonderzahlungen wie den Inflationsausgleich.
- Die Inflationsausgleichsprämie nach TVöD hat nach ausdrücklichem Wortlaut keinen Vergütungscharakter, sondern gilt als Zuschuss zur Abmilderung von Preissteigerungen.
- Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus, da keine planwidrige Vertragslücke vorliegt; vielmehr bleibt es bei der bewusst getroffenen Begrenzung.
Damit stellte das Gericht die Rechtssicherheit für Arbeitgeber her, die aufgrund alter Bezugnahmeregelungen Sorge hatte, auch für inflationsbedingte Zusatzleistungen in Anspruch genommen zu werden.
Bedeutung für Arbeitgeber in Pflege, Mittelstand und Onlinehandel
Für praxisorientierte Entscheiderinnen und Entscheider in Pflegeeinrichtungen, im produzierenden Mittelstand und im Onlinehandel ist das Urteil von hoher Relevanz. Viele Unternehmen beschäftigen Mitarbeiterinnen mit Altverträgen, die durch Bezugnahmeklauseln an frühere Tarifwerke anknüpfen. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass nur die klar vom Vertrag erfassten Bestandteile verbindlich zu leisten sind. Sonderzahlungen, die außerhalb der Tabellenvergütung stehen, müssen nicht automatisch in die Vergütungsstruktur übernommen werden.
Gerade kleinere Pflegebetriebe, die ohnehin durch enge Margen und Fachkräftemangel belastet sind, erfahren durch die Entscheidung eine gewisse Entlastung, da sie nicht rückwirkend Tausende Euro an Inflationsausgleichsprämien auszahlen müssen. Ähnlich profitieren mittelständische Unternehmen im Handel oder in der Produktion, die auf langjähriges Personal setzen, aber klare Grenzen in der Lohnentwicklung ziehen mussten. Auch Onlinehändler, die oftmals mit flexiblen Arbeitsverträgen und einer hohen Anzahl an Beschäftigten arbeiten, gewinnen Planungssicherheit für ihre Lohnbuchhaltung.
Für Personalverantwortliche lässt sich aus dem Urteil auch der Hinweis ableiten, dass die sorgfältige Gestaltung von Bezugnahmeklauseln ein entscheidender Faktor für die langfristige Kostensteuerung ist. Wer heute Arbeitsverträge formuliert, sollte unklare Klauseln vermeiden und ausdrücklich klarstellen, welche Tarifwerke – und in welchem Umfang – gelten sollen. Andernfalls drohen rechtliche Auslegungsfragen, die zu hohen Nachzahlungen führen können.
Fazit: Klarheit für Unternehmen bei Sonderzahlungen
Das Bundesarbeitsgericht hat mit seiner Entscheidung zur Inflationsausgleichsprämie für klare Rechtsverhältnisse gesorgt. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssen nur dann zusätzliche tarifliche Leistungen an ihre Beschäftigten zahlen, wenn die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag eindeutig entsprechende Regelungen erfasst. Für Pflegeeinrichtungen, mittelständische Betriebe und auch Onlinehändler bedeutet dies eine erhebliche Absicherung in Hinblick auf die Lohnplanung. Wer seine Verträge bereits geprüft und eindeutig formuliert hat, kann sicherstellen, dass künftige Zusatzleistungen aus Tarifabschlüssen nicht ohne Weiteres durchschlagen.
Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei der Prüfung und Ausgestaltung solcher Vertragsregelungen und legt besonderen Wert auf eine effiziente Prozessoptimierung in der Buchhaltung. Dank unseres digitalen Ansatzes erzielen unsere Mandanten nachhaltige Kostenvorteile und gewinnen klare Strukturen – unabhängig davon, ob sie Pflegebetriebe, Onlinehändler oder produzierende Mittelständler sind.
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