Photovoltaikanlagen und die Frage der Kammerbeiträge
Die zunehmende Verbreitung von Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Betrieben führt immer häufiger zu rechtlichen und steuerlichen Fragestellungen. Besonders relevant ist die Frage, ob Landwirtinnen und Landwirte, die neben ihrer Haupttätigkeit als Landwirte Solarstrom einspeisen und vergüten lassen, auch automatisch zu zusätzlichen Beiträgen an die Industrie- und Handelskammern verpflichtet sind. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat hierzu am 26. August 2025 (Az. 6 A 10460/25.OVG) eine richtungsweisende Entscheidung getroffen, die unmittelbare Auswirkungen auf die Praxis hat.
Ein Landwirt aus der Eifel betrieb mehrere Photovoltaikanlagen auf den Dächern seiner landwirtschaftlich genutzten Gebäude. Für den eingespeisten Strom wurde er nicht nur gewerbesteuerlich erfasst, sondern auch durch die Industrie- und Handelskammer zur Zahlung von Mitgliedsbeiträgen herangezogen. Die zentrale Rechtsfrage war, ob in diesem Fall eine sogenannte Beitragsprivilegierung nach § 3 Absatz 4 Satz 3 des Industrie- und Handelskammergesetzes greift. Diese Vorschrift sieht vor, dass Mitglieder einer anderen Kammer, die ihre Haupttätigkeit nicht im Bereich des Gewerbes, sondern in der Land- oder Forstwirtschaft, der Fischerei oder in freien Berufen ausüben, beim IHK-Beitrag entlastet werden können.
Juristische Einordnung der Privilegierungsvorschrift
Das Verwaltungsgericht Trier hatte zunächst die Erhebung des Beitrags bestätigt, da es die Privilegierungsvorschrift eng auslegte. Es argumentierte, die Ausnahme nach § 3 Absatz 4 Satz 3 Industrie- und Handelskammergesetz könne nicht greifen, wenn die Photovoltaikanlagen als von der Landwirtschaft unabhängiges Gewerbe betrieben würden. Erst das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz stellte klar, dass eine solche enge Auslegung gesetzlich nicht vorgesehen ist. Nach Auffassung des Gerichts bleibt die Landwirtschaft die Haupttätigkeit des Klägers, und die Nebentätigkeit in Form der Photovoltaikanlagen führt nicht zum Ausschluss der Beitragsprivilegierung.
Entscheidend war, dass der Gesetzgeber ausdrücklich beabsichtigte, Landwirte, Forstwirte und andere Kammermitglieder, deren Hauptbetätigung außerhalb des klassischen Gewerbes liegt, von einer doppelten Beitragslast zu entlasten. Ein Zwang, die zusätzliche Tätigkeit zwingend als Nebentätigkeit in enger wirtschaftlicher Verbindung zur Landwirtschaft auszuüben, wie es das Verwaltungsgericht angenommen hatte, ließ sich im Gesetz nicht finden. Die richterliche Begründung betonte, dass weder eine planwidrige Lücke noch eine gesetzliche Grundlage für die Einschränkung der Norm vorliege.
Praktische Auswirkungen für Landwirte und andere Betriebe
Die Entscheidung bedeutet in der Praxis, dass Landwirte, die Mitglied in einer Landwirtschaftskammer sind und deren Haupttätigkeit in der Land- oder Forstwirtschaft liegt, bei der Berechnung der IHK-Beiträge eine erhebliche Entlastung erwarten können. Konkret wurde im vorliegenden Fall lediglich ein Zehntel des Gewinns aus dem Betrieb der Photovoltaikanlagen als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt. Da der so ermittelte Betrag unterhalb der gesetzlichen Freigrenze von 5.200 Euro lag, entfiel letztlich die Beitragspflicht vollständig. Damit stärkt das Urteil die Rechtssicherheit für zahlreiche landwirtschaftliche Betriebe, die mit der Nutzung erneuerbarer Energien ihre Einnahmestruktur diversifizieren möchten.
Aber nicht nur in der Landwirtschaft stellt sich diese Frage. Auch bei anderen Berufsgruppen, die in einer spezifischen Kammer Mitglied sind und daneben kleinere gewerbliche Tätigkeiten ausüben, können sich ähnliche Konstellationen ergeben. Beispielsweise kann dies für Ärzte oder Apotheker mit nebenbei betriebenen Beteiligungen an Energieprojekten relevant sein. Die Klarstellung durch das Oberverwaltungsgericht, dass die Haupttätigkeit maßgeblich für die Beitragsprivilegierung ist, könnte daher auch in anderen beruflichen Zusammenhängen von Bedeutung sein.
Fazit und Handlungsempfehlung für Unternehmen
Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz hat zweierlei verdeutlicht: Erstens, dass die gesetzliche Beitragsprivilegierung nicht restriktiv ausgelegt werden darf, sondern dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen entspricht, Mehrfachbelastungen zu vermeiden. Zweitens zeigt sie, dass insbesondere Landwirte mit zusätzlich betriebenen Photovoltaikanlagen nicht generell mit doppelten Beiträgen rechnen müssen. Für Unternehmen empfiehlt es sich daher, bestehende Beitragsbescheide genau zu prüfen und gegebenenfalls rechtzeitig Rechtsmittel einzulegen, wenn sich die eigene Haupttätigkeit außerhalb des gewerblichen Bereichs bewegt.
Um überflüssige Kosten zu vermeiden und die eigenen Strukturen effizient zu gestalten, ist eine frühzeitige rechtliche und steuerliche Beratung ratsam. Gerade in Zeiten der Digitalisierung lassen sich Prozesse in der Buchhaltung und im Beitragswesen deutlich optimieren. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen bei der Digitalisierung und Prozessoptimierung, sodass nicht nur rechtliche Sicherheit, sondern auch erhebliche Kosteneinsparungen erzielt werden können.
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