Reform der Haftungsregeln für E-Scooter: Hintergrund und Zielsetzung
Mit dem zunehmenden Einsatz elektrischer Kleinstfahrzeuge, insbesondere E-Scooter, hat sich das Mobilitätsverhalten in deutschen Städten deutlich verändert. Die wachsende Popularität dieser Fahrzeuge bringt jedoch neue rechtliche Herausforderungen mit sich, insbesondere im Bereich der Haftung. Nachdem in den letzten Jahren die Zahl der Unfälle mit E-Scootern stetig gestiegen ist, hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Haftungsregeln substantiell verschärfen soll. Ziel ist es, geschädigten Personen künftig einen einfacheren Zugang zu Schadensersatzansprüchen zu ermöglichen und gleichzeitig die Halter und Fahrenden stärker in die Verantwortung zu nehmen.
Bislang waren E-Scooter rechtlich privilegiert: Aufgrund ihrer geringen Höchstgeschwindigkeit von maximal 20 Stundenkilometern galten sie nicht als Kraftfahrzeuge im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes. Das führte dazu, dass für sie keine Gefährdungshaftung im Sinne des § 7 Straßenverkehrsgesetz galt. Geschädigte mussten daher stets das konkrete Verschulden von Fahrerinnen oder Fahrern nachweisen – ein Unterfangen, das in der Praxis häufig scheiterte, insbesondere bei den im urbanen Raum weit verbreiteten Sharing-Modellen mit frei verfügbaren Fahrzeugen.
Die geplanten gesetzlichen Änderungen im Überblick
Künftig sollen Halterinnen und Halter von E-Scootern ähnlich wie bei anderen Kraftfahrzeugen einer verschuldensunabhängigen Haftung unterliegen. Diese sogenannte Gefährdungshaftung bedeutet, dass bereits die bloße Betriebsgefahr des Fahrzeugs genügt, um eine Ersatzpflicht für entstandene Schäden zu begründen. Der Nachweis eines individuellen Fehlverhaltens soll damit entfallen. Diese Änderung würde vor allem die Anbieter von Sharing-Diensten treffen, die als Halter mehrerer tausend Fahrzeuge in Großstädten auftreten. Sie werden verpflichtet, über ihre Haftpflichtversicherung auch solche Schadensfälle zu regulieren, bei denen ein Verschulden nicht eindeutig feststellbar ist.
Zusätzlich ist für Fahrerinnen und Fahrer eine Haftung bei vermutetem Verschulden geplant. Das bedeutet, es wird grundsätzlich angenommen, dass ein schuldhaftes Verhalten vorliegt, bis die betreffende Person das Gegenteil beweisen kann. Damit kehrt sich die Beweislastverteilung zu Lasten der Fahrenden um, was für Geschädigte eine deutliche Stärkung ihrer Rechtsposition darstellt. In der Praxis bedeutet dies, dass im Falle eines Unfalls sowohl der Halter als auch die fahrende Person für den entstandenen Schaden einstehen müssen, wobei sich ihre Haftungen überschneiden können. Die Halterhaftung soll über die verpflichtende Haftpflichtversicherung abgesichert bleiben, sodass Geschädigte regelmäßig direkt an die Versicherer herantreten können.
Praktische Auswirkungen für Sharing-Unternehmen und Nutzende
Für Unternehmen, die E-Scooter im sogenannten Free-Floating-Modell bereitstellen, ergibt sich aus der Neuregelung eine deutliche Zunahme der Haftungsrisiken. Sie müssen künftig sicherstellen, dass ihre Versicherungsverträge auch verschuldensunabhängige Schadensfälle abdecken. Dies dürfte zu höheren Prämien führen, die sich letztlich in den Mietpreisen niederschlagen können. Gleichzeitig sind organisatorische Anpassungen notwendig, um den Anforderungen an den sicheren Betrieb gerecht zu werden. Dazu gehört insbesondere die Einführung klarer interner Kontrollmechanismen, um Fehlverhalten von Nutzerinnen und Nutzern, etwa beim Abstellen von Fahrzeugen auf Gehwegen, besser nachvollziehen zu können. Anbieter, die in der Vergangenheit häufig mit fehlender Verantwortlichkeit argumentierten, verlieren mit der Neuregelung eine bisher bestehende rechtliche Schutzposition.
Auch für kleine und mittelständische Unternehmen, die E-Scooter-Fuhrparks für den innerbetrieblichen Transport oder zur Ergänzung ihres Mobilitätsangebots einsetzen, sind die neuen Regelungen von Bedeutung. Wer mehrere Fahrzeuge im Eigentum hält und sie Mitarbeitenden zur Nutzung überlässt, gilt als Halter im haftungsrechtlichen Sinn. Eine sorgfältige Risikoanalyse und die Überprüfung bestehender Versicherungsverträge sind deshalb unerlässlich. Gleiches gilt für kommunale oder gewerbliche Akteure im Bereich Tourismus oder Freizeitwirtschaft, die E-Scooter verleihen oder touristisch nutzen. Die geplante Verschärfung zwingt diese Gruppen, ihre Haftungsstrukturen zu überdenken und präventive Maßnahmen zu entwickeln – etwa durch Nutzungsanweisungen, digitale Nutzungskontrollen oder Schulungen zur Verkehrssicherheit.
Rechtliche Bewertung und Fazit
Die geplante Gleichstellung der Haftung für E-Scooter mit der für klassische Kraftfahrzeuge ist juristisch folgerichtig und im Sinne der Verkehrssicherheit konsequent. Sie stärkt den Schutz Geschädigter, die bislang häufig an der Beweislast scheiterten, und setzt den Verantwortlichen einen klaren Rahmen. Die Gefährdungshaftung trägt dem Umstand Rechnung, dass E-Scooter technisch und im Verkehrsverhalten eine vergleichbare Risikolage wie andere motorisierte Fahrzeuge darstellen. Aus rechtspolitischer Sicht ist die Reform damit ein Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit und Transparenz im Straßenverkehr. Gleichzeitig wird sie dazu führen, dass E-Scooter-Unternehmen ihre Prozesse stärker professionalisieren müssen – sowohl in der Versicherung als auch in der Betriebsorganisation und Dokumentation.
Unternehmen, die frühzeitig ihre Haftungs- und Versicherungsstrukturen anpassen, können die entstehenden Risiken minimieren und zugleich Vertrauen bei Kundinnen, Kunden und Geschäftspartnern aufbauen. Besonders Sharing-Anbieter sollten langfristig ein digitales Risikomanagement etablieren, das die Fahrzeugnutzung, Standortdaten und Schadensfälle dokumentiert und analysiert. Diese Daten können im Streitfall helfen, Verantwortlichkeiten nachvollziehbar zu machen und die Abwicklung zu beschleunigen.
Für uns als Kanzlei zeigt sich hier, dass die rechtlichen, organisatorischen und digitalen Aspekte zukunftsorientierter Unternehmensführung immer stärker ineinandergreifen. Wir begleiten kleine und mittelständische Unternehmen auf dem Weg zu einer rechtssicheren und zugleich effizienten Prozessgestaltung, insbesondere im Bereich der Buchhaltung und der digitalen Optimierung. Durch gezielte Prozessverbesserungen und den Einsatz moderner Technologien lassen sich Kosten nachhaltig senken und betriebliche Abläufe deutlich verschlanken – ein klarer Wettbewerbsvorteil in einer sich wandelnden, zunehmend digital geprägten Unternehmenslandschaft.
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