Hintergrund der Entscheidung zur Grundrente
Die Grundrente wurde eingeführt, um langjährig Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung mit niedrigen Einkommen gezielt zu unterstützen und so die Lebensleistung vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu würdigen. Dabei erfolgt keine klassische Bedürftigkeitsprüfung, wie sie aus der Sozialhilfe oder Grundsicherung bekannt ist. Stattdessen hat der Gesetzgeber über den Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung eine sozialpolitisch begründete Leistung geschaffen, die gezielt an jene Personen gezahlt wird, deren Einkommen trotz jahrzehntelanger Beschäftigung nur einen geringen Rentenanspruch ermöglicht.
Im Mittelpunkt der aktuellen juristischen Diskussion steht dabei die Einkommensanrechnung gemäß § 97a Absatz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch. Danach wird nicht nur das Einkommen des Berechtigten selbst, sondern auch das des Ehegatten bei der Bestimmung des Zuschlags berücksichtigt. Diese Vorschrift war Anlass für eine Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27. November 2025 (Aktenzeichen B 5 R 9/24 R), das klargestellt hat, dass diese Regelung nicht gegen das Grundgesetz verstößt.
Rechtliche Begründung und Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers
Das Bundessozialgericht betonte in seiner Entscheidung, dass der Gesetzgeber im Bereich sozialpolitischer Leistungen, die aus Steuermitteln finanziert werden, über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügt. Der Zuschlag zur Grundrente ist eine Leistung des sozialen Ausgleichs und damit keine Teilrente im klassischen Sinne. Ziel war es, die Grundrente auf diejenigen zu beschränken, die tatsächlich auf diese zusätzliche Unterstützung angewiesen sind. Der entscheidende Gedanke dahinter ist der Grundrentenbedarf, der nur in Haushalten entstehen soll, deren wirtschaftliche Situation eine Unterstützung rechtfertigt.
Dabei hebt das Gericht hervor, dass Eheleute im deutschen Zivilrecht einer gesteigerten Unterhaltspflicht unterliegen. Diese Pflicht bedeutet, dass Ehegatten rechtlich füreinander Verantwortung tragen und verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Möglichkeiten zum Lebensunterhalt des anderen beizutragen. Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft hingegen schulden einander keinen gesetzlichen Unterhalt. Der Gesetzgeber durfte daher sachlich davon ausgehen, dass ein verheirateter Rentner typischerweise besser abgesichert ist als ein nicht verheirateter. Diese Differenzierung beruht auf der realistischen Einschätzung eines typischen Lebenssachverhalts und ist aus verfassungsrechtlicher Sicht vertretbar.
Praktische Auswirkungen für Rentnerhaushalte
Für die Praxis bedeutet das Urteil, dass das zu versteuernde Einkommen des Ehepartners weiterhin in die Berechnung des Grundrentenzuschlags einfließt. Besonders für Rentner-Ehepaare kann das zu einer Reduktion oder gar zum Wegfall des Zuschlags führen, wenn etwa der Ehepartner über ein höheres Einkommen verfügt. Diese Regelung dient dem Ziel, staatliche Mittel gezielt an jene zu leiten, die einer Unterstützung tatsächlich bedürfen. Sie soll verhindern, dass der Zuschlag an Haushalte ausgezahlt wird, bei denen ein Partner durch eigenes Einkommen bereits für eine ausreichende wirtschaftliche Stabilität sorgt.
Für unverheiratete Paare oder Lebensgemeinschaften bleibt es dabei, dass nur das eigene Einkommen berücksichtigt wird. Das kann zwar zu gefühlten Ungleichheiten im Einzelfall führen, etwa wenn beide Konstellationen sozialökonomisch ähnlich aufgestellt sind, doch juristisch ist die Unterscheidung durch die unterschiedliche Unterhaltspflicht begründet. Infolgedessen wird die Grundrente nicht zu einem allgemeinen Substitut der Grundsicherung, sondern bleibt eine zielgerichtete Leistung mit sozialpolitischer Steuerungsfunktion.
Einordnung und Fazit für die Praxis
Mit dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht eine wesentliche Klarstellung für die Rentenpraxis und die Beratung von Versicherten vorgenommen. Steuerberatende, die Rentnerinnen und Rentner oder deren Angehörige betreuen, sollten die Einbeziehung des Ehegatteneinkommens in der Grundrentenberechnung aktiv berücksichtigen, insbesondere bei der steuerlichen Gestaltung von Alterseinkünften. Auch für Unternehmen mit Personal im Rentenübergang, Pflegeeinrichtungen oder Träger des öffentlichen Dienstes ist die Entscheidung insofern von Bedeutung, als sie Transparenz bei der Einschätzung individueller Rentenansprüche schafft und die Gestaltung von Zusatzleistungen klarer steuerbar macht.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass der sozialrechtliche Gestaltungsspielraum bewusst dazu genutzt wird, gesellschaftlich gewachsene Verantwortungsgemeinschaften stärker in die Pflicht zu nehmen. Damit wird das Prinzip der Solidarität innerhalb der Ehe fortgeführt und zugleich verhindert, dass Doppelversorgungen aus staatlichen Mitteln entstehen. Das Bundessozialgericht hat so ein Gleichgewicht zwischen sozialstaatlicher Unterstützung und haushaltsrechtlicher Verantwortung gewahrt, was für die langfristige Finanzierbarkeit der Grundrente von zentraler Bedeutung ist.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Einbeziehung des Ehegatteneinkommens in die Grundrentenberechnung zwar individuelle Härten mit sich bringen kann, jedoch verfassungsrechtlich fundiert und sozialpolitisch nachvollziehbar ist. Gerade für kleinere und mittlere Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden auch in der Rentenvorbereitung begleiten, bietet dieses Urteil Orientierung und Planungssicherheit bei der Beratung. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen dabei, ihre Prozesse in der Buchhaltung zu digitalisieren und zu optimieren, um auf solche rechtlichen und administrativen Entwicklungen effizient reagieren zu können und dadurch langfristig erhebliche Kosten zu sparen.
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