Irreführende Umweltwerbung im Fokus der Rechtsprechung
Die öffentliche Diskussion um Nachhaltigkeit und Klimaschutz hat längst Einzug in die Unternehmenskommunikation gehalten. Immer mehr Unternehmen bewerben ihre Produkte oder Dienstleistungen mit Begriffen wie „klimaneutral“, „nachhaltig produziert“ oder „CO2-kompensiert“. Diese Begriffe sind jedoch juristisch heikel, da sie Erwartungen an ökologische Verantwortung wecken, die objektiv überprüfbar und belegbar sein müssen. Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. Oktober 2025 (Az. 52 O 53/23) verdeutlicht die hohen Anforderungen, die an die Richtigkeit solcher Angaben gestellt werden. Im konkreten Fall wurde einem international agierenden Sportverband untersagt, seine Fußball-Weltmeisterschaft als „vollständig klimaneutral“ zu bewerben, da die zugrunde gelegten Maßnahmen und Kompensationsstrategien nicht hinreichend transparent erläutert waren.
Das Gericht stellte klar, dass eine Werbeaussage irreführend im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ist, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben enthält oder durch ihre Gesamtdarstellung falsche Vorstellungen über zentrale Eigenschaften eines Produkts oder einer Dienstleistung hervorruft. Der Begriff „Klimaneutralität“ ist für Laien vieldeutig und suggeriert, dass keinerlei Treibhausgase emittiert werden oder dass alle Emissionen wirksam ausgeglichen sind. Ohne nähere Erläuterung, wie diese Ausgleichsmechanismen funktionieren und in welchem Umfang tatsächlich Emissionen reduziert werden, verstößt eine solche Kommunikation gegen das Transparenzgebot.
Rechtliche Maßstäbe für Nachhaltigkeitswerbung
Die Entscheidung des Landgerichts Berlin ist für Unternehmen aller Branchen von großer Relevanz. Nach der Rechtsprechung gilt für umweltbezogene Aussagen eine gesteigerte Sorgfaltspflicht. Der Bundesgerichtshof hat bereits in früheren Entscheidungen betont, dass Umweltwerbung nur dann zulässig ist, wenn sie klar und eindeutig formuliert sowie inhaltlich nachweisbar ist. Unternehmen müssen in der Lage sein, ihre Behauptungen mit objektiven, wissenschaftlich fundierten Daten zu belegen. Die Beweislast liegt beim Werbenden. Wird beispielsweise mit CO2-Neutralität geworben, ist offenzulegen, ob die Neutralität durch Vermeidung, Reduktion oder Kompensation erreicht wird und welche konkreten Maßnahmen hierzu beitragen.
Wesentlicher Bestandteil ist der Nachweis der tatsächlichen Wirkung von Kompensationsmaßnahmen. Die bloße Teilnahme an Zertifikate- oder Ausgleichsprogrammen reicht nicht aus, wenn nicht detailliert dargelegt wird, in welchem Umfang diese Programme zu einer realen Reduktion der Treibhausgasemissionen beitragen. Fehlende Transparenz führt zu einem erheblichen Risiko der Irreführung, denn Verbraucherinnen und Verbraucher können nicht einschätzen, ob eine beworbene Maßnahme tatsächlich einen messbaren Klimaeffekt erzielt oder lediglich den Anschein grüner Verantwortung erweckt.
Praktische Konsequenzen für Unternehmen und Organisationen
Für Unternehmen, insbesondere im Mittelstand, ergeben sich aus der Entscheidung des Landgerichts Berlin klare Handlungspflichten. Wer in der Außendarstellung Begriffe wie „klimaneutral“, „nachhaltig produziert“ oder „CO2-positiv“ nutzt, sollte eine interne Prüfstruktur etablieren, um sicherzustellen, dass alle Angaben objektiv belegbar sind. Dazu gehört eine akribische Dokumentation der zugrunde liegenden Daten und Annahmen, die jederzeit einer behördlichen oder gerichtlichen Überprüfung standhalten. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob die Maßnahmen tatsächlich den beworbenen Effekt erzielen oder ob lediglich ein Teil der Emissionen durch Kompensationsprojekte ausgeglichen wird. Gerade für kleinere Unternehmen, Onlinehändler oder Dienstleister, die ihre ökologische Bilanz kommunikativ betonen möchten, ist es ratsam, diese Aussagen juristisch prüfen zu lassen, bevor sie öffentlich verbreitet werden.
Im Bereich der Geschäftskommunikation zeigt sich zunehmend ein Spannungsfeld zwischen Marketing und Rechtskonformität. Während Nachhaltigkeitsversprechen ein wirksames Mittel zur Differenzierung am Markt darstellen, drohen bei Übertreibungen oder unzutreffenden Behauptungen nicht nur rechtliche Konsequenzen, sondern auch erhebliche Reputationsschäden. Verstöße gegen das Lauterkeitsrecht können Abmahnungen, Unterlassungserklärungen und Bußgelder nach sich ziehen. Darüber hinaus beobachten Verbraucherschutzorganisationen und Nichtregierungsorganisationen die Einhaltung dieser Standards zunehmend kritisch, sodass ein Verstoß schnell öffentlichkeitswirksam eskalieren kann.
Fazit: Transparenz und Compliance als Erfolgsfaktoren
Die jüngste Entscheidung des Landgerichts Berlin verdeutlicht, dass Greenwashing, also das irreführende Darstellen ökologischer Verantwortung, zunehmend juristisch sanktioniert wird. Unternehmen müssen ihre Kommunikationsstrategien daher sorgfältig ausrichten, um Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Ehrlichkeit in der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu gewährleisten. Dies betrifft nicht nur globale Konzerne, sondern gleichermaßen kleine und mittlere Unternehmen sowie spezialisierte Betriebe, etwa im Gesundheits- oder Pflegebereich, die mit klimafreundlichen Prozessen werben. Wer ökologische Begriffe verwendet, sollte sich bewusst sein, dass eine fehlende Begründung oder unvollständige Dokumentation bereits als Verstoß gewertet werden kann.
Für zukunftsorientierte Betriebe bietet diese Entwicklung zugleich eine Chance, durch seriös belegte Nachhaltigkeitsmaßnahmen Glaubwürdigkeit und Vertrauen aufzubauen. Eine klare Strukturierung der internen Prozesse, eine faktenbasierte Kommunikation und die enge Abstimmung von Marketing, Compliance und Steuerberatung helfen, juristische Risiken zu vermeiden. Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei der Prozessoptimierung in der Buchhaltung und der Digitalisierung betrieblicher Abläufe. Dabei schaffen wir durch strukturierte Systeme und optimierte Prozesse erhebliche Kostenvorteile sowie Rechtssicherheit – und unterstützen Sie dabei, auch in der Nachhaltigkeitskommunikation transparent und regelkonform zu handeln.
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