Erweiterte Kürzung und Betriebsvorrichtungen im Fokus aktueller Rechtsprechung
Der Bundesfinanzhof hat in einer Entscheidung vom 25. September 2025 (Az. IV R 9/24) die Voraussetzungen für die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 Gewerbesteuergesetz weiter konturiert und damit für Vermietungsunternehmen, insbesondere für Immobiliengesellschaften, Einkaufszentrenbetreiber und Gewerbevermieter, klare Leitlinien geschaffen. Streitpunkt war, ob die Mitvermietung eines fest mit dem Gebäude verbundenen Lastenaufzugs eine begünstigungsschädliche Tätigkeit darstellt. Das Gericht hat entschieden, dass eine solche Mitvermietung den Anspruch auf die erweiterte Kürzung nicht notwendig ausschließt, wenn sie als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Grundstücksverwaltung und -nutzung anzusehen ist. Damit setzt die Entscheidung einen praxisrelevanten Akzent für alle Unternehmen, die mit komplexen Immobilienstrukturen arbeiten und die steuerlichen Vorteile der erweiterten Kürzung in Anspruch nehmen möchten.
Hintergrund dieser Regelung ist, dass nach § 9 Nr. 1 Satz 2 Gewerbesteuergesetz Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen, eine sogenannte erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags von der Gewerbesteuer erhalten können. Ziel des Gesetzgebers ist es, die steuerliche Gleichstellung mit der privaten Vermögensverwaltung zu gewährleisten. Der Gesetzeszweck wäre jedoch gefährdet, wenn zusätzlich zum Grundbesitz technische Einrichtungen mitvermietet werden, die rechtlich als Betriebsvorrichtungen einzustufen sind, da diese nicht zum Grundvermögen im Sinne des Bewertungsgesetzes gehören. In der Praxis hat diese Abgrenzung immer wieder erhebliche Bedeutung, da insbesondere in modernen Gebäuden funktionale und bauliche Grenzen zwischen Immobilie und Betriebseinrichtung fließend sein können.
Rechtliche Maßstäbe und Argumentationslinie des Bundesfinanzhofs
Der Bundesfinanzhof hat klargestellt, dass Betriebsvorrichtungen solche Anlagen sind, die unmittelbar der Ausübung des Gewerbes dienen. Damit unterscheiden sie sich von allgemeinen Gebäudebestandteilen, die lediglich der Nutzung des Gebäudes dienen oder für alle Mieter erforderlich sind. Während etwa Personenaufzüge und Rolltreppen als typische Gebäudebestandteile gelten, werden Lastenaufzüge häufig als Betriebsvorrichtungen eingestuft, da sie den gewerblichen Betrieb der Mieter unterstützen. Der BFH sah hierin jedoch keinen Automatismus, der die Anwendung der erweiterten Kürzung ausschließen würde. Vielmehr müsse geprüft werden, ob die Mitvermietung solcher Einrichtungen als wirtschaftlich notwendiger Bestandteil der Grundstücksnutzung angesehen werden kann.
- Entscheidend ist nach Ansicht des Gerichts, ob die Betriebsvorrichtung untrennbarer Bestandteil einer wirtschaftlich sinnvollen Grundstücksverwaltung ist. Diese Beurteilung erfolgt objektiv anhand der funktionalen Beschaffenheit des Gebäudes.
- Die bloße bauliche Verbindung zwischen Gebäude und Vorrichtung genügt nicht. Es müssen wirtschaftliche und sachliche Gründe vorliegen, die eine Mitvermietung als zwingend erforderlich erscheinen lassen.
- Eine Mitvermietung bleibt unschädlich, wenn die Vorrichtung zur typischen Infrastruktur der Immobilie gehört, etwa weil sie aufgrund der baulichen Gegebenheiten allen Mietern dienen muss und keine eigenständige gewerbliche Betätigung darstellt.
Im entschiedenen Fall gehörte der Lastenaufzug zu einem mehrstöckigen Einkaufszentrum, dessen Funktion auf eine zentrale Nutzung für Warentransporte ausgerichtet war. Nach Ansicht des Gerichts stellte der gemeinsame Aufzug eine notwendige und übliche Einrichtung dar, ohne die eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung des Gebäudes kaum möglich gewesen wäre. Da der kostenmäßige Anteil des Aufzugs zudem sehr gering war, kam der BFH zu dem Ergebnis, dass es sich um ein begünstigungsunschädliches Nebengeschäft handelt.
Besonders hervorzuheben ist die Betonung der Verhältnismäßigkeit: Der BFH lehnt absolute Maßstäbe ab, sondern plädiert für eine einzelfallbezogene Betrachtung unter Berücksichtigung der objektiv-funktionalen Nutzung des Gebäudes. Diese Flexibilisierung erlaubt es Vermietungsunternehmen, auf die spezifischen Eigenschaften ihrer Objekte abzustellen und eine sachgerechte Abgrenzung zu treffen.
Relevanz der Entscheidung für kleine und mittlere Unternehmen
Für kleine und mittlere Unternehmen, die Immobilien im Betriebsvermögen halten oder beispielsweise als Betreiber von Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern oder Onlinehandelslagern auftreten, hat diese Entscheidung erhebliche praktische Bedeutung. Gerade bei betrieblich genutzten Immobilien tritt die Frage auf, ob technische Ausstattungselemente Bestandteil des Grundstücks oder separate Betriebsvorrichtungen darstellen. Die BFH-Entscheidung stärkt hier die Planungssicherheit. Unternehmen können künftig argumentieren, dass fest installierte Einrichtungen wie Aufzüge, Heizungsanlagen oder Fördertechnik dann unschädlich für die erweiterte Kürzung sind, wenn sie objektiv funktional notwendig und integraler Bestandteil der üblichen Gebäudenutzung sind.
Für Immobiliengesellschaften und Vermietungsunternehmen bedeutet dies, dass eine differenzierte Dokumentation der Gebäudefunktion und der Zweckmäßigkeit einzelner Einrichtungen wichtig ist. Steuerberatende und Finanzabteilungen sollten bei der Prüfung der Gewerbesteuererklärung die bauliche und funktionale Einordnung jeder mitvermieteten Einrichtung sorgfältig nachvollziehen. Onlinehändler oder Logistikunternehmen, die eigene Immobilien nutzen und gleichzeitig an Dritte vermieten, profitieren ebenfalls von dieser Klarstellung, da sie häufig technische Anlagen im Gebäude integriert haben, die für den Betrieb erforderlich, jedoch nicht typisch gewerblich geprägt sind.
Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser können sich ebenfalls auf die neuen Grundsätze berufen. In diesen Objekten sind baulich integrierte Betriebseinrichtungen wie Aufzüge oder Notstromaggregate notwendige Infrastrukturelemente, ohne die die Bewirtschaftung des Gebäudes im Sinne einer wirtschaftlich sinnvollen Nutzung nicht denkbar ist. Auch hier gilt: Die erweiterte Kürzung bleibt erhalten, wenn aus technischer und funktionaler Sicht ein zwingender Zusammenhang zwischen der Vorrichtung und der Nutzung des Gebäudes besteht.
In der Praxis sollten Unternehmen die Möglichkeit nutzen, über entsprechende Dokumentationsunterlagen, technische Beschreibungen und Kostenzuordnungen nachzuweisen, dass die betreffenden Vorrichtungen integraler Bestandteil des Grundstücks sind. Damit schaffen sie die Grundlage für eine erfolgreiche Verteidigung im Rahmen einer Betriebsprüfung oder bei der Abgabe des Gewerbesteuermessbetragsbescheids.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die Unternehmenspraxis
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs setzt einen wichtigen Akzent in der gewerbesteuerlichen Behandlung von Betriebsvorrichtungen. Sie stellt klar, dass ein strikter Ausschluss der erweiterten Kürzung bei jeder Mitvermietung technischer Anlagen nicht geboten ist. Der Maßstab liegt in der funktionalen und wirtschaftlichen Notwendigkeit. Unternehmen, die Immobilien mit technischer Ausstattung verwalten, sollten dies zum Anlass nehmen, ihre Vertrags- und Dokumentationspraxis zu überprüfen. Wichtig ist, dass die Mitvermietung technischer Anlagen stets im Kontext der Gesamtwirtschaftlichkeit und der typischen Nutzung des Gebäudes steht.
Langfristig schafft die Entscheidung auch für Finanzinstitutionen und Steuerberatende eine höhere Rechtssicherheit. Sie erlaubt flexiblere Gestaltungen bei der Vermietung von Immobilien, ohne dass der gewerbesteuerliche Vorteil der erweiterten Kürzung verloren geht. Dadurch wird die Attraktivität immobilienbasierter Unternehmensstrukturen gestärkt und die Grundlage für eine verlässliche Steuerplanung verbessert.
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