Gewerbesteuerpflicht beim Verkauf von Bildungseinrichtungen – neue Klarheit durch den Bundesfinanzhof
Mit Urteil vom 22. Mai 2025 (Az. V R 32/23) hat der Bundesfinanzhof eine für den Bildungssektor ebenso wie für Steuerberatende und kleine sowie mittelständische Unternehmen bedeutsame Entscheidung getroffen. Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass Gewinne aus der Veräußerung von Lehrinstituten nicht der Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 13 des Gewerbesteuergesetzes unterliegen. Diese Norm befreit private Schulen und andere allgemein- oder berufsbildende Einrichtungen von der Gewerbesteuer, soweit sie unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen erbringen. Das Gericht urteilte jedoch, dass der Verkauf eines Lehrinstituts keine Leistung darstellt, die den Schul- und Bildungszweck „unmittelbar“ verwirklicht, sondern lediglich die Fortführung des Unterrichtsbetriebs durch einen anderen Träger ermöglicht. Damit unterliegt der erzielte Veräußerungsgewinn grundsätzlich der Gewerbesteuerpflicht.
Der Streitfall betraf eine GmbH, die im Rahmen eines sogenannten Asset Deals ihre Lehrinstitute an eine andere Gesellschaft veräußerte. Das Finanzamt unterwarf den erzielten Gewinn der Gewerbesteuer. Die Klägerin argumentierte, die Befreiung des § 3 Nr. 13 GewStG gelte auch für den Veräußerungserlös, da dieser der Sicherung des Schulbetriebs diene und sich der Wortlaut der Vorschrift eng an § 4 Nr. 21 Umsatzsteuergesetz anlehne. Der Bundesfinanzhof folgte dieser Sicht nicht und stellte die gewerbesteuerliche Eigenständigkeit der Befreiungsvorschrift heraus.
Begründung des Bundesfinanzhofs und rechtlicher Hintergrund
Für das Verständnis der Entscheidung ist das Tatbestandsmerkmal der „Unmittelbarkeit“ zentral. Der Begriff bezeichnet im Steuerrecht den direkten Zusammenhang einer Leistung mit dem begünstigten Zweck. Der Bundesfinanzhof legte dar, dass eine Leistung nur dann unmittelbar dem Schulzweck dient, wenn sie diesen selbst bewirkt und nicht lediglich mittelbar ermöglicht. Das heißt: Nur Tätigkeiten, die direkt den Unterricht oder die Ausbildung betreffen – etwa das Erteilen von Unterricht oder die Organisation des Lernbetriebs –, erfüllen dieses Kriterium. Leistungen, die auf einen eigenständigen wirtschaftlichen Erfolg außerhalb des Unterrichtsgeschehens gerichtet sind, fallen nach Auffassung des Gerichts nicht darunter.
Das Gericht begründete seine Entscheidung ferner mit dem Zweck des § 3 Nr. 13 GewStG. Die Norm solle Wettbewerbsnachteile staatlich genehmigter oder anerkannter Privatschulen gegenüber öffentlichen Schulen vermeiden. Eine Ausdehnung der Steuerbefreiung auf sämtliche wirtschaftliche Betätigungen dieser Einrichtungen – etwa auf Veräußerungsvorgänge – widerspräche nach Ansicht des Senats dem Willen des Gesetzgebers. Auch die Berufung auf das Umsatzsteuerrecht und unionsrechtliche Vorgaben wies der Bundesfinanzhof zurück: Das Gewerbesteuerrecht sei in diesem Bereich autonom, sodass umsatzsteuerrechtliche Erwägungen nicht automatisch übertragbar seien.
Bemerkenswert ist, dass das Gericht ausdrücklich festhielt, dass selbst eine umsatzsteuerliche Befreiung nach § 4 Nr. 21 Umsatzsteuergesetz oder der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht ohne Weiteres auf die Gewerbesteuerbefreiung ausstrahlt. Die Gewerbesteuer beruht auf einem eigenständigen System mit eigenen wirtschaftlichen und fiskalischen Zielsetzungen. Dasselbe gilt auch, wenn der Veräußerungsvorgang für die Erfüllung des Unterrichtszwecks faktisch notwendig oder unerlässlich erscheint. Eine notwendige Voraussetzung ersetzt nach gerichtlicher Auffassung nicht die unmittelbare Zweckverwirklichung.
Praktische Bedeutung für kleine und mittlere Unternehmen sowie Bildungsträger
Für private Bildungseinrichtungen, Schulträger und andere gewerblich organisierte Bildungsanbieter, etwa Pflegeakademien oder Krankenhausschulen, hat das Urteil erhebliche Tragweite. Es verdeutlicht, dass steuerliche Befreiungstatbestände eng auszulegen sind und bei strukturellen Änderungen wie einer Unternehmensnachfolge oder einem Verkauf steuerliche Belastungen einkalkuliert werden müssen. Unternehmen, die ihre Bildungsaktivitäten in einer Kapitalgesellschaft organisiert haben, können nicht darauf vertrauen, dass der erzielte Veräußerungsgewinn wegen seiner Nähe zum Bildungszweck steuerfrei bleibt.
Auch für Onlinehändler, Digitalbildungsanbieter oder Start-ups, die im E-Learning-Bereich tätig sind, ist die Entscheidung relevant. Sobald sie eine gewerbliche Organisation besitzen und beispielsweise eine Bildungsplattform oder ein digitales Schulungsangebot veräußern, greift die gewerbesteuerliche Belastung grundsätzlich. Das gilt selbst dann, wenn die Lehrinhalte weiterhin angeboten und im gesellschaftlichen Interesse fortgeführt werden. Die Unterstellung unter die Gewerbesteuer ergibt sich aus dem Grundsatz, dass die Steuerbefreiung ausschließlich den laufenden pädagogischen Betrieb betrifft.
Für Steuerberatende bedeutet die Entscheidung eine Präzisierung bei der steuerlichen Begleitung von Unternehmensverkäufen in Bildungsbranchen. Bei der Transaktionsplanung sind steuerliche Konsequenzen frühzeitig zu berücksichtigen – insbesondere, wenn eine Übergabe an neue Träger erfolgt. Auch Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser, die Bildungsabteilungen oder Ausbildungsschulen führen, sollten die Entscheidung beachten. Wird eine interne Akademie verkauft oder ausgegliedert, ist der daraus resultierende Gewinn ebenfalls gewerbesteuerpflichtig, selbst wenn die Schulungsaktivität an anderer Stelle fortgesetzt wird.
In der Praxis kann die Abgrenzung des begünstigten Schulbetriebs gegenüber wirtschaftlichen Vorgängen komplex sein. Eine sorgfältige Analyse der Leistungsstruktur und eine rechtzeitige steuerliche Beratung sind deshalb unerlässlich. Unternehmen sollten prüfen, ob sich steuerliche Nachteile durch eine frühzeitige Anpassung der Rechtsform, eine Einbindung gemeinnütziger Träger oder durch andere Gestaltungsmöglichkeiten minimieren lassen.
Schlussfolgerungen für die Unternehmens- und Steuerpraxis
Das aktuelle Urteil stärkt die Klarheit für die steuerliche Behandlung von Bildungsträgern und deren wirtschaftlichen Aktivitäten. Es unterstreicht die enge Auslegung des Begriffs der „unmittelbar dem Schulzweck dienenden Leistungen“. Für Unternehmerinnen und Unternehmer bedeutet dies, dass auch im Bildungssektor steuerpflichtige Gewinne entstehen können, wenn Vorgänge wie Veräußerungen, Fusionen oder Outsourcing nicht unmittelbar dem Unterricht dienen. Das gilt gleichermaßen für kleine Nachhilfeanbieter, Sprachschulen, Pflegefachschulen oder Krankenhausträger wie für größere Unternehmen des Bildungsmarkts.
Die Entscheidung ist zugleich ein Hinweis auf die Notwendigkeit, steuerrechtliche und unternehmerische Strategien stärker miteinander zu verknüpfen. Wer frühzeitig Steuerexpertise in die Unternehmensplanung einbezieht, kann Risiken vermeiden und zukunftssichere Strukturen schaffen. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen bei der Digitalisierung, der Prozessoptimierung in der Buchhaltung und der effizienten Organisation steuerlicher Abläufe. Diese Erfahrung ermöglicht nachvollziehbare Lösungen, die nicht nur rechtssicher, sondern auch kostenoptimiert wirken und Raum für die Kernaufgaben des Unternehmens schaffen.
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