Gesetzlicher Mindestlohn und geldwerte Vorteile
Der gesetzliche Mindestlohn bildet eine verbindliche Untergrenze der Vergütung für abhängig Beschäftigte. Nach § 1 Mindestlohngesetz besteht für jede Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmer der Anspruch auf ein Arbeitsentgelt in Geld in Mindesthöhe. Ziel dieser Regelung ist der Schutz vor unangemessen niedrigen Löhnen und damit die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz von Beschäftigten. Eine aktuelle Entscheidung des Bundessozialgerichts (Az. B 12 BA 8/24 R und B 12 BA 6/23 R vom 13. November 2025) stellt nun klar, dass geldwerte Vorteile, etwa durch die Überlassung eines Firmenwagens, den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht erfüllen können. Arbeitgeber müssen somit den Mindestlohn zusätzlich in bar auszahlen – eine Sachleistung tritt nicht an seine Stelle.
Diese Entscheidung ist für viele Unternehmen von erheblicher Bedeutung, da Firmenwagen häufig als Bestandteil der Vergütung eingesetzt werden, insbesondere in Branchen mit hohem Außendienstanteil oder bei Führungskräften. Doch für Beschäftigte mit Anspruch auf Mindestlohn gelten hier besondere gesetzliche Vorgaben, die über den reinen Lohn hinaus steuer- und beitragsrechtliche Folgen haben.
Begründung des Bundessozialgerichts
Das Bundessozialgericht hat die bisherige Praxis mancher Arbeitgeber, Sachbezüge als alleinige Vergütung für Arbeitsleistungen zu gewähren, ausdrücklich verworfen. Es betonte den Charakter des Mindestlohns als Geldleistung, die das notwendige Einkommen für den Lebensunterhalt sichern soll. Der Gesetzgeber habe klar geregelt, dass der gesetzliche Mindestlohn in Euro zu berechnen und auszuzahlen ist, wie es in § 107 der Gewerbeordnung festgehalten ist. Sachbezüge können demnach nur zusätzlich, nicht aber anstelle der Barvergütung gewährt werden.
Das Gericht stellte ferner klar, dass die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund der Nutzung eines Firmenwagens nicht die Verpflichtung ersetzt, auch auf den gesetzlichen Mindestlohn Beiträge zu leisten. Der Anspruch auf den Mindestlohn entsteht unabhängig von der gewährten Sachleistung. Mit der gesetzlichen Entstehung des Anspruchs werden also zusätzliche Beiträge zur Sozialversicherung fällig, auch wenn bereits Beiträge für den geldwerten Vorteil des Firmenwagens entrichtet wurden. Ein Verstoß gegen diese Pflicht führt dazu, dass Beitragsnachforderungen durch die Deutsche Rentenversicherung rechtmäßig sind.
Praxisrelevanz für kleine und mittlere Unternehmen
Die Entscheidung wirkt sich in der Praxis insbesondere auf kleine Unternehmen und mittelständische Betriebe aus, bei denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teils in Teilzeit oder auf Basis geringfügiger Beschäftigung tätig sind. Oft werden in diesen Fällen Sachbezüge wie Firmenwagen, Tankgutscheine oder andere geldwerte Vorteile vereinbart, um den Beschäftigten zusätzliche Anreize zu bieten. Nach der nun präzisierten Rechtslage darf jedoch keine Kompensation zwischen Sachleistung und Mindestlohn erfolgen. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass der Mindestlohn vollständig in bar ausgezahlt wird. Die Überlassung eines Firmenwagens kann sich zwar weiterhin steuerlich und motivatorisch lohnen, wirkt sich jedoch nicht auf die Erfüllung der gesetzlichen Lohnpflicht aus.
Für Onlinehändler, Pflegeeinrichtungen oder Handwerksbetriebe bedeutet dies konkret, dass die Lohnabrechnung und Beitragsberechnung genau zu prüfen sind. Stellt sich im Rahmen einer Betriebsprüfung heraus, dass der bar ausgezahlte Lohn unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegt, können erhebliche Nachforderungen entstehen – selbst wenn das Unternehmen geldwerte Vorteile gewährt hat. Neben der Nachzahlung von Lohnbestandteilen drohen auch Säumniszuschläge und im Einzelfall Bußgelder, falls der Arbeitgeber seine Pflichten nach dem Mindestlohngesetz verletzt hat.
Für die Personal- und Lohnbuchhaltung bedeutet das ein höheres Maß an organisatorischer Sorgfalt. Die klare Trennung zwischen Geldlohn und Sachbezügen muss sich auch in der Lohnabrechnung widerspiegeln, um rechtssicher handeln zu können. Gerade im digitalen Zeitalter bieten sich hier moderne Softwarelösungen an, die eine automatisierte Prüfung der Mindestlohnkonformität ermöglichen und zugleich die laufende Verwaltung der geldwerten Vorteile übernehmen.
Finanzielle und rechtliche Konsequenzen sowie Handlungsempfehlung
Die Entscheidung des Bundessozialgerichts verdeutlicht, dass der gesetzliche Mindestlohn ein reiner Geldanspruch ist, der weder durch Sachleistungen noch durch bereits geleistete Sozialversicherungsbeiträge auf andere Entgeltbestandteile ersetzt werden kann. Unternehmen sollten daher ihre Vergütungsmodelle überprüfen und sicherstellen, dass die bar auszuzahlende Vergütung mindestens dem jeweils geltenden Mindestlohn entspricht. Wird ein Firmenwagen oder eine andere Sachleistung angeboten, sollte dies ausdrücklich als Zusatzleistung und nicht als Teil der Mindestentgeltverpflichtung geregelt sein. Auch vertragliche Anpassungen können erforderlich werden, um eine klare rechtliche Grundlage zu schaffen.
Darüber hinaus zeigt der Fall, dass selbst bei ordnungsgemäßer Beitragsentrichtung auf geldwerte Vorteile eine zusätzliche Beitragspflicht entstehen kann. Arbeitgeber müssen für den gesetzlichen Mindestlohn selbst dann Beiträge abführen, wenn sie bereits Sozialversicherungsbeiträge auf Sachleistungen gezahlt haben. Die finanzielle Belastung kann daher größer sein als zunächst angenommen, weshalb eine vorausschauende Lohnplanung im Zuge der Personalstrategie dringend zu empfehlen ist.
Unser Fazit lautet: Unternehmen sollten ihre Vergütungsmodelle regelmäßig rechtlich prüfen und ihre Lohnstrukturen an die aktuellen sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben anpassen. Eine klar strukturierte und digitalisierte Lohnbuchhaltung verringert das Risiko von Nachforderungen und schafft Transparenz gegenüber Behörden und Arbeitnehmern. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen bei der digitalen Prozessoptimierung in der Buchhaltung, der rechtssicheren Umsetzung von Lohnabrechnungen und der Einführung effizienter Strukturen zur Kostenersparnis – fundiert, praxisnah und technologisch auf aktuellem Stand.
Gerichtsentscheidung lesen