Absetzung für Abnutzung und aktuelle steuerliche Entwicklungen
Die Absetzung für Abnutzung, kurz AfA, ist ein zentraler Bestandteil des deutschen Einkommensteuerrechts. Sie erlaubt es Steuerpflichtigen, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Gebäudes über die Zeit seiner wirtschaftlichen Nutzung zu verteilen. Die Vorschrift des § 7 Absatz 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz regelt, dass die Abschreibung grundsätzlich nach festen typisierten Nutzungsdauern vorgenommen wird. Doch in der Praxis zeigt sich, dass die tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes häufig kürzer sein kann – etwa aufgrund baulicher Mängel, veränderter technischer Anforderungen oder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, die zu vorzeitiger Abnutzung führen. Genau hier setzt die Möglichkeit an, eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer geltend zu machen, um die steuerliche Abschreibung früher und damit effizienter zu nutzen.
Mit Schreiben vom 1. Dezember 2025 hat das Bundesministerium der Finanzen klargestellt, dass das bisherige BMF-Schreiben vom 22. Februar 2023, welches die Anwendung der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer konkretisierte, aufgehoben wird. Diese Entscheidung erfolgte im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder. Damit entfällt die bis dahin bundesweit koordinierte Verwaltungsauffassung, die in vielen Fällen eine erhebliche Bedeutung bei der steuerlichen Bewertung von Immobilien hatte. Die Aufhebung hinterlässt für viele Unternehmen, insbesondere bei Gebäuden im Anlagevermögen, Fragen zur praktischen Handhabung der AfA.
Rechtlicher Hintergrund und Bedeutung für die Praxis
§ 7 Absatz 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz eröffnet Steuerpflichtigen die Möglichkeit, eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer nachzuweisen, wenn diese objektiv belegt werden kann. Maßgeblich ist hierbei, dass die verkürzte Nutzungsdauer nicht bloß geschätzt, sondern durch belastbare Unterlagen, beispielsweise durch ein Gutachten, nachgewiesen wird. In der Vergangenheit erfolgte die Ableitung oftmals aus Wertermittlungen nach der Immobilienwertermittlungsverordnung oder auf Basis von Erfahrungswerten der Bauwirtschaft. Das nun aufgehobene Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen hatte versucht, einheitliche Rahmenbedingungen für die Anerkennung solcher Gutachten zu schaffen. Mit dessen Rücknahme entfällt diese bundeseinheitliche Konkretisierung nun vollständig.
Praktisch bedeutet das für Eigentümerinnen und Eigentümer von betrieblich genutzten Gebäuden, dass sie künftig wieder stärker eigenverantwortlich nachweisen müssen, warum eine kürzere Nutzungsdauer anzusetzen ist. Finanzämter haben nun einen größeren Beurteilungsspielraum, was insbesondere bei älteren Gebäuden oder Sonderimmobilien wie Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern oder Hotels zu divergierenden Entscheidungen führen kann. Der Vertrauensschutz für bereits bestandskräftige Steuerbescheide bleibt jedoch unberührt. Unternehmen, die auf Grundlage der aufgehobenen Richtlinie Abschreibungen vorgenommen haben, müssen diese somit nicht zwingend korrigieren. Neue Anträge hingegen werden auf Basis der allgemeinen gesetzlichen Regelung und individueller Nachweisführung geprüft.
Nachweisführung und strategische Auswirkungen für Unternehmerinnen und Unternehmer
In der steuerlichen Praxis stellt sich die Frage, wie die tatsächliche Nutzungsdauer sachgerecht nachgewiesen werden kann. Ein fundiertes technisches Gutachten wird in nahezu allen Fällen erforderlich sein, um den Anforderungen der Finanzverwaltung zu genügen. Dieses muss Ursachen und Ausmaß der Wertminderung nachvollziehbar darlegen und eine klare Begründung für die abweichende Nutzungsdauer enthalten. Ohne eine solche fachliche Begründung besteht das Risiko, dass das Finanzamt die kürzere AfA ablehnt und die typisierte Nutzungsdauer weiterhin anwendet. Besonders Immobilienunternehmen, aber auch mittelständische Betriebe mit umfangreichem Anlagevermögen – etwa Produktionsstätten, Pflegeheime oder Hotelbetriebe – sollten ihre Bewertungs- und Abschreibungspraxis im Lichte der aktuellen Entwicklung überprüfen.
Die Aufhebung der bundeseinheitlichen Vorgabe eröffnet zudem Chancen für eine flexiblere steuerliche Planung. Durch eine realistische Ermittlung der Nutzungsmöglichkeiten können Unternehmen Abschreibungen zielgerichtet vorziehen und Liquidität innerhalb ihres Betriebes verbessern. Gleichzeitig steigen jedoch die Anforderungen an Nachweisqualität und Dokumentation erheblich. Eine enge Abstimmung mit Steuerberatung und Gutachterwesen ist daher dringend zu empfehlen, um spätere Diskussionen im Rahmen einer Betriebsprüfung zu vermeiden. Auch sollten sich kleine Unternehmen und Selbstständige mit in die betrieblichen Abläufe integrierten Immobilien frühzeitig mit der Thematik auseinandersetzen, da die steuerlichen Effekte bei Gebäuden langfristig erheblichen Einfluss auf die Gewinnentwicklung haben.
Fazit und Handlungsempfehlung für Unternehmen
Mit der Aufhebung des BMF-Schreibens zum 1. Dezember 2025 verliert die steuerliche Behandlung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer bei Gebäuden eine wichtige bundeseinheitliche Orientierung. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie sich künftig stärker auf die individuelle Nachweisführung konzentrieren und ihre Begründungen sorgfältig dokumentieren müssen. Gleichzeitig bleibt die gesetzliche Möglichkeit, eine kürzere Nutzungsdauer steuerlich geltend zu machen, unberührt. Sie bietet weiterhin eine legitime Option, steuerliche Abschreibung besser an die tatsächlichen Verhältnisse anzupassen und Liquiditätsvorteile zu erzielen.
Wer seine Anlagestruktur effizient gestalten möchte, sollte die Entwicklung aufmerksam beobachten und rechtzeitig prüfen, ob sich eine Neubewertung bestehender AfA-Strategien lohnt. Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei der digitalen Optimierung ihrer Buchhaltungsprozesse und der steuerstrategischen Planung. Durch unsere Spezialisierung auf Prozessoptimierung und Digitalisierung erzielen unsere Mandantinnen und Mandanten erhebliche Kosten- und Effizienzvorteile – von der Buchführung über die Steuerdeklaration bis hin zur digitalen Belegverwaltung.
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