Hintergrund der Entscheidung und Bedeutung für die Berufspraxis
Die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs mit dem Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 32/25 vom 24. Oktober 2025 befasst sich mit der Frage, ob eine sogenannte externe Beratung als Ersatz für die gesetzlich vorgeschriebene Fachanwaltsfortbildung anerkannt werden kann. Der Gerichtshof verneinte dies eindeutig und schuf damit Klarheit über die Auslegung des § 15 Abs. 1 Fachanwaltsordnung. Diese Vorschrift verpflichtet Fachanwältinnen und Fachanwälte, jährlich eine Veranstaltung zu besuchen, die der Aus- oder Fortbildung dient. Hintergrund dieser Regelung ist die Sicherstellung einer dauerhaft hohen fachlichen Kompetenz im jeweiligen Rechtsgebiet und die Gewährleistung einer gleichbleibenden Qualität anwaltlicher Dienstleistungen im Sinne des Verbraucherschutzes. Für viele Kanzleien, insbesondere solche mit steuer- oder wirtschaftsrechtlichem Schwerpunkt, hat die Entscheidung große praktische Relevanz, weil sie die Anforderungen an den Fortbildungsnachweis eindeutig konkretisiert.
Abgrenzung zwischen Fortbildung und externer Beratung
Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass eine der Aus- oder Fortbildung dienende Veranstaltung im Sinne des § 15 Fachanwaltsordnung eine strukturierte Vermittlung fachbezogener Inhalte durch einen Referenten an mehrere Teilnehmende voraussetzt. Das Gericht betonte, dass eine Interaktion des Vortragenden sowohl mit den Teilnehmenden als auch unter den Teilnehmenden ermöglicht werden müsse. Hierbei handelt es sich um ein zentrales Merkmal von Fortbildungsveranstaltungen, das den kollegialen Austausch, die Diskussion aktueller Entwicklungen und die gezielte Vertiefung des Fachwissens sicherstellen soll. Anders verhält es sich bei individuellen Beratungen durch externe Fachleute. Diese zielten, so die Richter, auf die unmittelbare Lösung beruflicher Einzelfragen ab und hätten damit ausschließlich arbeitsbegleitenden Charakter. Selbst wenn sie mit einem deutlichen Erkenntnisgewinn verbunden seien, genügen sie nicht den formalen Anforderungen an eine Fortbildung. Der Wissenserwerb erfolge nicht systematisch, sondern in einem spezifischen, fallbezogenen Rahmen. Damit handelt es sich begrifflich um eine Fachberatung, nicht jedoch um eine Fortbildung, die auf den Erwerb abstrakten, allgemeinen Wissens ausgerichtet ist. Diese präzise Abgrenzung verdeutlicht, dass Fortbildung ein didaktisches Konzept verlangt, das über das reine Einholen sachlichen Rats hinausgeht.
Rechtliche Folgen von Pflichtverstößen und Grenzen der Nachholung
Besondere Aufmerksamkeit verdient die Frage, inwieweit eine nicht erfüllte Fortbildungspflicht nachträglich kompensiert werden kann. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist die Fortbildung eine jährlich zu erfüllende Berufspflicht. Versäumt ein Fachanwalt oder eine Fachanwältin die Teilnahme an einer entsprechenden Veranstaltung, entsteht kein nachholbarer Anspruch auf Kompensation im Folgejahr. Das bedeutet: Die Fortbildungspflicht ist streng jahresbezogen. Eine Nachholung im nächsten Jahr kann zwar unter Umständen mildernde Wirkung haben, etwa wenn sie zeitnah erfolgt und im Ermessen der Rechtsanwaltskammer eine fortbestehende Fortbildungsbereitschaft erkennen lässt. Drei Jahre später nachzureichen, wie im entschiedenen Fall, ist jedoch eindeutig verspätet und rechtlich unbeachtlich. Diese Einschätzung steht im Zusammenhang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Artikel 12 Grundgesetz. Zwar darf der Widerruf eines Fachanwaltstitels nicht willkürlich erfolgen, doch obliegt es dem betroffenen Berufsträger, seine gesetzlichen Pflichten aktiv und fristgerecht zu erfüllen. Hinzu kommt, dass seit dem 1. Oktober 2023 der § 15 Abs. 5 Satz 3 Fachanwaltsordnung eine Nachholmöglichkeit vorsieht, sofern die Fortbildung nicht vollständig nachgewiesen wurde. Diese Regelung gilt aber ausdrücklich erst für Jahre nach ihrem Inkrafttreten und war daher im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Es bleibt also bei der konsequenten Linie: Wer keinen vollständigen Nachweis erbringt, riskiert den Entzug seines Fachanwaltstitels.
Praktische Konsequenzen und Bedeutung für Kanzleien
Für kleine und mittelständische Kanzleien, aber auch für größere Sozietäten mit fachanwaltlicher Struktur, ist die Entscheidung von erheblicher praktischer Tragweite. Sie verdeutlicht, dass die internen Prozesse zur Fortbildungsdokumentation sorgfältig organisiert werden müssen. Verantwortliche Partnerinnen und Partner sollten sicherstellen, dass entsprechende Nachweise jährlich vollständig und rechtzeitig bei der Kammer eingereicht werden. Eine Fortschreibung der Fortbildungsnachweise in digitalen Systemen oder die Nutzung automatisierter Erinnerungstools kann helfen, Fristversäumnisse zu vermeiden. Ebenso wichtig ist, die inhaltliche Qualität der Fortbildungen zu prüfen. Veranstaltungen müssen erkennbar dem berufsrechtlichen Fortbildungszweck dienen und über den Austausch individueller Praxiserfahrungen hinausgehen. Die Entscheidung zeigt zugleich, dass die Kammern auch bei formalen Pflichten konsequent vorgehen und verspätete Rechtfertigungen nicht akzeptieren. Damit wird ein deutliches Signal an die Berufsträger gesendet, dass die Einhaltung gesetzlicher Pflichtstandards Teil der anwaltlichen Berufsethik ist und nicht als bloße Formalität betrachtet werden darf.
Fazit und Handlungsempfehlung
Das Urteil schafft Rechtsklarheit, ist aber zugleich ein Weckruf an alle Fachanwältinnen und Fachanwälte, die Organisation ihrer Fortbildungspflichten zu überprüfen. Externe Beratungsgespräche, interne Schulungen oder fallbezogene Abstimmungen sind wertvolle Instrumente der Wissenserweiterung, erfüllen jedoch nicht die formalen Anforderungen der Fachanwaltsordnung. Nur eine strukturierte Fortbildung mit fachlichem Vortrag und Interaktion kann den gesetzlichen Nachweiserfordernissen genügen. Wer sichergehen will, dass der eigene Fachanwaltstitel nicht gefährdet wird, sollte frühzeitig planen, geeignete Veranstaltungen auswählen und die Teilnahme dokumentieren. Aus unserer Sicht ist die Entscheidung ein wichtiges Signal für alle Berufsgruppen, die auf kontinuierliches Fachwissen angewiesen sind – auch für Steuerberaterinnen, Wirtschaftsprüfer und unternehmensinterne Rechtsabteilungen. Besonders im digitalen Zeitalter bieten sich zunehmend effiziente Möglichkeiten, Fortbildungspflichten rechtssicher und professionell zu erfüllen, ohne die Produktivität im Tagesgeschäft zu beeinträchtigen. Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen bei der Digitalisierung und Prozessoptimierung ihrer Buchhaltungs- und Verwaltungsabläufe, um reibungslose Prozesse, transparente Nachweise und nachhaltige Kostenersparnisse zu sichern.
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