Einleitung: Entwaldungsfreie Lieferketten im Fokus der Unternehmen
Die Europäische Union hat mit der Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten, kurz EUDR, ein Regelwerk geschaffen, das Unternehmen verpflichtet, sicherzustellen, dass bestimmte Rohstoffe und Produkte nicht aus Quellen stammen, die zur Abholzung oder Schädigung von Wäldern beigetragen haben. Diese Verordnung betrifft insbesondere Branchen, die mit Agrarrohstoffen, Holz, Palmöl, Kaffee oder Kakao handeln, und verpflichtet Marktteilnehmende, umfassende Sorgfaltspflichten entlang ihrer Lieferketten einzuhalten. Ziel ist es, den Beitrag der EU zum globalen Waldverlust spürbar zu reduzieren und gleichzeitig faire Wettbewerbsbedingungen im europäischen Binnenmarkt zu sichern. Für viele Mittelständler, insbesondere in der Lebensmittel- und Holzverarbeitung, stellt die Umsetzung dieser Vorschriften jedoch eine erhebliche Herausforderung dar, zumal sie nicht nur ökologische, sondern auch juristische und organisatorische Konsequenzen mit sich bringt.
Am 19. November 2025 hat der Rat der Europäischen Union nun ein Verhandlungsmandat angenommen, das eine deutliche Vereinfachung und eine zeitliche Verschiebung der Erstanwendung vorsieht. Diese Entscheidung hat große Bedeutung für Unternehmen jeder Größe, die ihre Lieferketten künftig EUDR-konform gestalten müssen.
Geplante Vereinfachungen der Sorgfaltspflichten nach der EUDR
Besonders relevant für kleine und mittlere Unternehmen ist die vorgesehene Entlastung bei der Erfüllung der sogenannten Sorgfaltspflichten. Darunter versteht man alle organisatorischen, dokumentarischen und prüfenden Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen müssen, um die Legalität und Nachhaltigkeit ihrer Lieferketten sicherzustellen. Bisher sah die Verordnung vor, dass alle Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer gleichermaßen verpflichtet sind, für jedes betroffene Produkt Nachweise über Herkunft und Produktionsbedingungen zu führen sowie Geolokalisierungsdaten der Produktionsflächen anzugeben.
Der Rat schlägt nun vor, diese Anforderungen abgestuft nach Unternehmensgröße und Rolle in der Lieferkette zu gestalten. Danach soll künftig nur noch der erste nachgelagerte Marktteilnehmer verpflichtet sein, Referenznummern zu sammeln und aufzubewahren. Kleinst- und kleine Primärerzeuger sollen einmalig eine vereinfachte Sorgfaltserklärung im vorgesehenen Informationssystem abgeben. Diese Erklärung wäre nur dann zu aktualisieren, wenn sich grundlegende Umstände, beispielsweise die Produktionsweise oder die Herkunft der Rohstoffe, ändern. Zudem sollen sie die Wahl erhalten, ob sie zur Identifizierung ihrer Flächen exakte Standortkoordinaten oder einfacher die Postadresse der Betriebsstätte angeben. Diese Flexibilisierung reduziert den administrativen Aufwand erheblich und erleichtert insbesondere kleinen Betrieben die Umsetzung.
Neue Zeitpläne für die Anwendung der EUDR
Ein zentraler Punkt des Ratsbeschlusses ist die Verschiebung der Erstanwendung der EUDR um ein Jahr. Nach dem ursprünglichen Zeitplan hätte die Verordnung am 30. Dezember 2025 vollständig in Kraft treten sollen. Nun ist vorgesehen, dass mittlere und große Unternehmen erst ab dem 30. Dezember 2026 betroffen sind. Kleinst- und Kleinunternehmen erhalten sogar eine noch längere Vorbereitungszeit bis zum 30. Juni 2027.
Diese Fristverlängerung ist für viele betroffene Unternehmen von großer Bedeutung, da die Implementierung der Sorgfaltspflichten umfangreiche Anpassungen interner Prozesse, IT-Systeme und Dokumentationspflichten erfordert. Insbesondere KMU im produzierenden Gewerbe, im Handel oder im Importgeschäft brauchen Zeit, um geeignete Strukturen zur Rückverfolgbarkeit ihrer Lieferketten zu etablieren. Der ursprünglich vorgesehene Übergangszeitraum, während dessen keine Kontrollen durch die nationalen Behörden stattfinden sollten, wurde im neuen Entwurf gestrichen. Das unterstreicht, dass trotz der Fristverlängerung weiterhin ein hoher Handlungsdruck besteht, die Prozesse frühzeitig auf EUDR-Konformität auszurichten.
Praktische Auswirkungen und Vorbereitungsschritte für Unternehmen
Die Reform zielt darauf ab, die Umsetzung für Unternehmen praktikabler zu gestalten, ohne das Umweltziel aufzuweichen. Gerade mittelständische Betriebe stehen nun vor der Aufgabe, interne Systeme aufzubauen, die Herkunftsnachweise dokumentieren, Risiken bewerten und Korrekturmaßnahmen umsetzen können. Diese Verpflichtungen müssen künftig nicht mehr in komplexen Einzelmeldungen, sondern gebündelt und vereinfacht abgegeben werden, sofern das endgültige Verfahren auf europäischer Ebene so beschlossen wird. Für Importeure und Händler bedeutet dies, dass sie insbesondere die Kommunikation mit ihren Verkäuferinnen und Lieferanten neu strukturieren und elektronische Schnittstellen zur Datenübermittlung schaffen sollten.
Darüber hinaus ist mit einer regelmäßigen Überprüfung der Verordnung zu rechnen. Der Rat hat die Europäische Kommission beauftragt, die EUDR bis Ende April 2026 auf weitere Vereinfachungsmöglichkeiten zu untersuchen und gegebenenfalls zusätzliche Anpassungen vorzuschlagen. Unternehmen sollten deshalb ihre Compliance-Prozesse so gestalten, dass sie flexibel auf zukünftige Änderungen reagieren können. Eine frühzeitige Integration digitaler Lieferketten-Tools, die Herkunfts- und Verantwortlichkeitsdaten automatisiert erfassen, ist dabei ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Besonders im internationalen Handel, etwa bei Lebensmittelproduzenten, Möbelherstellern oder Textilimporteuren, ist der Aufbau einer digital nachvollziehbaren Lieferkette langfristig nicht nur eine Frage regulatorischer Erfüllung, sondern auch der Risikominimierung und Markenreputation.
Fazit: Mehr Zeit, aber kein Verzicht auf Verantwortung
Mit der geplanten Verschiebung und den Vorschlägen zur Vereinfachung der entwaldungsfreien Lieferkettenverordnung zeichnet sich eine handhabbare Lösung ab, die rechtliche Sicherheit und ökologische Verantwortung miteinander verbindet. Unternehmen gewinnen wertvolle Zeit, um ihre Systeme rechtzeitig anzupassen und gleichzeitig Kosten und Bürokratie zu reduzieren. Dennoch bleibt die EUDR ein anspruchsvoller Rechtsrahmen, der eine sorgfältige Vorbereitung und langfristige Strategie erfordert. Für kleine und mittelständische Betriebe ist es empfehlenswert, sich schon jetzt mit den neuen Dokumentationspflichten, den digitalen Nachweissystemen sowie den Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit vertraut zu machen, um beim Inkrafttreten der Vorschriften rechtskonform und effizient agieren zu können.
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