Rechtlicher Hintergrund der erweiterten Kürzung
Die Gewerbesteuer gehört zu den bedeutendsten gewerblichen Steuerarten in Deutschland. Sie soll Unternehmen für die Nutzung kommunaler Infrastruktur an den örtlichen Steuerlasten beteiligen. Eine wichtige Ausnahme bildet die sogenannte erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes. Diese Regelung gewährt Grundstücksunternehmen die Möglichkeit, Erträge aus der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes vollständig aus der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer herauszunehmen. Voraussetzung ist, dass ausschließlich Grundbesitz verwaltet und genutzt wird und keine gewerbesteuerschädlichen Tätigkeiten hinzutreten.
In der Praxis stellt sich immer wieder die Frage, welche Nebentätigkeiten das Privileg der erweiterten Kürzung ausschließen. Insbesondere bei der vorübergehenden oder humanitär motivierten Nutzung von Immobilien – wie aktuell im Zusammenhang mit der Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine – mussten bislang steuerschädliche Folgen befürchtet werden. Um diesen Unsicherheiten zu begegnen, haben die obersten Finanzbehörden der Länder im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen einen koordinierten Erlass veröffentlicht, der für die Jahre 2022 bis 2026 Billigkeitsmaßnahmen vorsieht.
Billigkeitsmaßnahmen für Grundstücksunternehmen
Der Begriff der Billigkeitsmaßnahme beschreibt im Steuerrecht eine behördliche Abweichung von der strikten Anwendung des Gesetzes, wenn deren Befolgung im Einzelfall zu unbilligen Härten führen würde. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in der Abgabenordnung und erlaubt es, sachgerechte Lösungen herbeizuführen, ohne den Gesetzeszweck zu unterlaufen. Vor diesem Hintergrund haben die Länderfinanzverwaltungen ausdrücklich angeordnet, dass Einnahmen aus der entgeltlichen Überlassung von möbliertem Wohnraum an Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine bis zum 31. Dezember 2026 nicht auf ihre Gewerblichkeit überprüft werden. Damit soll insbesondere erreicht werden, dass Wohnungsunternehmen, private Vermietende oder kommunale Gesellschaften ihre Bereitschaft zur Unterstützung aus humanitären Beweggründen nicht mit steuerlichen Risiken verbinden müssen.
Dies gilt gleichermaßen für Unternehmen, die möblierte Wohnungen bereitstellen oder zusätzliche Unterstützungsleistungen anbieten. Gerade für vermögensverwaltende Immobiliengesellschaften, die ansonsten keinen operativen Geschäftsbetrieb führen, bestand bislang das Risiko, durch solche Hilfsmaßnahmen die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung zu verlieren. Der Erlass stellt nun klar, dass diese Befürchtungen unbegründet sind. Er schafft damit die notwendige Planungssicherheit und fördert zugleich das gesellschaftliche Engagement der Immobilienwirtschaft.
Grenzen der gewerbesteuerunschädlichen Unterstützungsleistungen
Neben der Überlassung von Wohnraum kann es erforderlich sein, Geflüchteten grundlegende Unterstützungsleistungen anzubieten. Dazu gehören etwa Nahrungsmittel, Hygieneartikel oder Kleidung. Erträge aus solchen Maßnahmen sind für die Anwendung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe c Gewerbesteuergesetz nur dann unschädlich, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens müssen die Erlöse aus einem unmittelbaren Vertragsverhältnis mit den Mietenden entstehen. Zweitens dürfen diese Erträge im betroffenen Wirtschaftsjahr nicht mehr als fünf Prozent der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des gesamten Grundbesitzes betragen. Diese Grenze dient als praxisnaher Toleranzrahmen, um ein sozial geprägtes Engagement zu ermöglichen, ohne den Charakter der Vermögensverwaltung in eine gewerbliche Tätigkeit zu verschieben.
Gerade für kleine und mittelständische Wohnungsunternehmen, Wohnungsbaugenossenschaften oder Vermietungsgesellschaften ist diese Abgrenzung von großer Bedeutung. Sie schafft einen verlässlichen Rahmen für ergänzende Leistungen, die im direkten Zusammenhang mit der Wohnraumüberlassung stehen. Unternehmen, die darüber hinausgehende gewerbliche Aktivitäten ausüben, etwa ein Cateringgeschäft oder eine Reinigungsgesellschaft, müssen weiterhin getrennte Strukturen bilden, um die erweiterte Kürzung zu wahren.
Besonderheiten bei Vermietung an öffentliche Rechtsträger
Eine praxisrelevante Besonderheit ergibt sich für den Fall, dass ein Grundstücksunternehmen Wohnraum nicht direkt an Geflüchtete, sondern an eine juristische Person des öffentlichen Rechts vermietet. Diese öffentlichen Träger – etwa Kommunen oder kommunale Einrichtungen – überlassen den angemieteten Wohnraum anschließend an die Geflüchteten. Nach dem aktuellen Erlass gelten diese Personen aus Billigkeitsgründen als mittelbare Mietende, sofern die Nutzung der Wohnungen der Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine dient. Dadurch wird gewährleistet, dass die Zwischenschaltung einer öffentlichen Institution die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung nicht beeinträchtigt. Damit hat die Finanzverwaltung eine praxisorientierte Lösung geschaffen, die die gängige Organisationsstruktur vieler Vermietungsvorgänge widerspiegelt.
Diese Regelung dürfte insbesondere für kommunale und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen von Bedeutung sein, die häufig mit Städten oder Kreisen zusammenarbeiten. Auch Betreiber von Pflegeeinrichtungen, die in akuten Situationen Personalwohnungen oder Notunterkünfte bereitstellen, können von dieser Regelung profitieren. Voraussetzung bleibt stets, dass der Hauptzweck in der Verwaltung eigenen Grundbesitzes liegt und keine überschießenden gewerblichen Tätigkeiten hinzutreten.
Fazit und Handlungsempfehlung
Die abgestimmten Billigkeitsregelungen der Länderfinanzverwaltungen schaffen einen wichtigen Ausgleich zwischen steuerrechtlichen Vorgaben und gesellschaftlicher Verantwortung. Sie ermöglichen es Vermietenden, leerstehenden oder kurzfristig verfügbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen, ohne den Verlust der erweiterten Kürzung befürchten zu müssen. Gleichzeitig bleibt die Grenze klar gezogen: Nur diejenige Tätigkeit bleibt steuerunschädlich, die in engem Zusammenhang mit der Nutzung des eigenen Grundbesitzes steht und den Rahmen des § 9 Gewerbesteuergesetz nicht überschreitet. Unternehmen sollten ihre Einnahmen und Vertragsbeziehungen sorgfältig dokumentieren, um die Einhaltung der Billigkeitsvoraussetzungen nachweisen zu können. Steuerberatende sollten ihre Mandanten aktiv über diese Möglichkeiten informieren und auf eine strukturierte Buchführung sowie eine klare Abgrenzung der unterstützenden Tätigkeiten achten.
Für kleine und mittelständische Unternehmen ist dieses Vorgehen nicht nur steuerlich, sondern auch betriebswirtschaftlich von Vorteil. Es erlaubt, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, ohne steuerliche Nachteile zu riskieren, und eröffnet zugleich die Möglichkeit, Leerstände sinnvoll zu nutzen. Unsere Kanzlei begleitet Unternehmen jeder Größe bei der steuerlichen Umsetzung solcher Maßnahmen und unterstützt sie dabei, durch konsequente Digitalisierung und Prozessoptimierung in der Buchhaltung dauerhafte Einsparpotenziale zu realisieren. Wir betreuen seit vielen Jahren kleine und mittelständische Betriebe unterschiedlichster Branchen und wissen, wie sich steuerliche Gestaltungsspielräume effizient und rechtssicher nutzen lassen.
Gerichtsentscheidung lesen