Neue Maßstäbe zur Einkünfteerzielungsabsicht bei Ferienwohnungen
Mit seiner Entscheidung vom 12. August 2025 (Az. IX R 23/24) hat der IX. Senat des Bundesfinanzhofs ein wichtiges Signal für die steuerliche Behandlung von Ferienwohnungen gesetzt. Im Kern befasst sich das Urteil mit der Frage, wann bei Vermietung und Verpachtung einer Ferienimmobilie die sogenannte Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt. Diese Absicht ist entscheidend, damit Verluste aus der Vermietung steuerlich anerkannt werden können. Die bisherige Praxis der Finanzverwaltung und der Finanzgerichte wurde dabei deutlich präzisiert.
Im Streitfall hatte eine Steuerpflichtige ihre seit Jahren bestehende Ferienwohnung nach einer Renovierung erneut an wechselnde Gäste vermietet. Das Finanzamt verneinte jedoch die Einkünfteerzielungsabsicht, da die Vermietungstage im Verhältnis zu den ortsüblichen Vermietungszeiten zu gering ausgefallen seien. Der Bundesfinanzhof stellte nun klar, dass nicht einzelne Jahre isoliert, sondern der durchschnittliche Vermietungszeitraum über drei bis fünf Jahre heranzuziehen ist. Nur wenn die Vermietungsquote über diesen Zeitraum um mindestens 25 Prozent unter der ortsüblichen Vermietungszeit liegt, darf die positive Einkünfteerzielungsabsicht in Zweifel gezogen werden. Dies stärkt Vermietende, deren Objekte kurzfristigen Schwankungen unterliegen – zum Beispiel aufgrund von Renovierungen oder Marktschwächen im Tourismus.
Das Urteil hat weitreichende Wirkung für kleine und mittelständische Unternehmen, die in touristisch geprägten Regionen Ferienwohnungen vermieten oder verwalten, ebenso wie für private Eigentümerinnen und Eigentümer. Es bringt mehr Rechtssicherheit und gibt klare Leitlinien, wie die steuerlich relevante Auslastung einer Ferienimmobilie zu bemessen ist.
Rechtliche Bewertung und steuerliche Begründung der Entscheidung
Rechtlich basiert der Fall auf § 21 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes, der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung definiert. Wer eine Immobilie dauerhaft vermietet, erzielt steuerpflichtige Einkünfte, wenn er mit der Absicht handelt, langfristig einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften. Bei Ferienwohnungen ist diese sogenannte Einkünfteerzielungsabsicht nur dann typisierend anzunehmen, wenn die Vermietung einem dauerhaft am Markt angebotenen Objekt entspricht. Das bedeutet: Die Wohnung muss grundsätzlich ganzjährig zur Vermietung stehen und darf die ortsübliche Auslastung nicht erheblich unterschreiten.
- Der Bundesfinanzhof hält an seiner 25-Prozent-Grenze fest, betont jedoch, dass diese Grenze keine starre Größe darstellt. Vielmehr ist sie ein Richtwert, der Spielräume für besondere Umstände lässt – etwa für Ausfälle durch Renovierungen oder externe Faktoren wie Pandemien, Energiekrisen oder kurzfristige Marktanpassungen.
- Die Beurteilung der ortsüblichen Vermietungszeit richtet sich nach vergleichbaren Objekten am selben Standort. Der Begriff „Ort“ ist dabei flexibel zu verstehen und orientiert sich an der touristischen Struktur – er kann also auch mehrere Gemeinden umfassen oder sich auf eine klar definierte Ferienregion beziehen.
- Entscheidend ist zudem der Betrachtungszeitraum: Zur Vermeidung zufälliger Verzerrungen ist die durchschnittliche Auslastung über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren maßgeblich. Erst diese Durchschnittsbetrachtung gewährleistet eine sachgerechte Einschätzung, ob eine Ferienwohnung tatsächlich als auf Dauer vermietet gelten kann.
Das Gericht hebt deutlich hervor, dass die Finanzgerichte im Einzelfall sorgfältig prüfen müssen, ob ein längerfristiger Durchschnitt gebildet wurde. Nur so kann festgestellt werden, ob eine Wohnung in hinreichender Weise am Markt platziert wurde. Wird diese Maßgabe missachtet, wie es im entschiedenen Fall geschehen war, ist die Verneinung der Einkünfteerzielungsabsicht rechtsfehlerhaft.
Besonders interessant für die Praxis ist der Hinweis auf die Abgrenzung bei geplanter Veräußerung der Immobilie. Ist beim Erwerb oder bei Wiederaufnahme der Vermietung bereits ein zukünftiger Verkauf vorgesehen, kann der Prognosezeitraum kürzer sein als die typischerweise verwendeten dreißig Jahre. Dies entspricht ökonomischer Realität – insbesondere bei projektorientierten Vermietungen im Mittelstand oder bei Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern, die betriebsnahe Gästehäuser kurzzeitig vermieten.
Konkrete Bedeutung für Unternehmen und Steuerberatung in der Praxis
Die Entscheidung entfaltet praktische Relevanz über den Tourismusbereich hinaus. Für kleine Unternehmen, mittelständische Betriebe und spezialisierte Einrichtungen ist die korrekte steuerliche Behandlung von Vermietungserträgen wesentlich, um Liquidität und Planungssicherheit zu gewährleisten. Gerade Onlinehändler, die Ferienimmobilien als Kapitalanlage nutzen, oder Pflegeeinrichtungen, die Gästeappartements bereitstellen, profitieren von der nun geforderten langfristigen Auslastungsbetrachtung. Sie vermeiden das Risiko, dass ihre Werbungskostenüberschüsse im Einzelfall aberkannt werden, nur weil kurzfristige Leerstandsphasen aufgetreten sind.
Für Steuerberaterinnen und Steuerberater bedeutet das Urteil, dass sie künftig bei der Erstellung von Prognoserechnungen eine rollierende Mehrjahresbetrachtung dokumentieren sollten. Auf diese Weise lässt sich der Nachweis führen, dass eine typisierende Einkünfteabsicht weiterhin besteht. Finanzinstitutionen, die Ferienvermietungen finanzieren, können ihre Risikoabschätzungen ebenfalls besser an diese neue Rechtslage anpassen, da die Kapazitätsauslastung langfristiger planbar wird.
Auch für Eigentümerinnen und Eigentümer selbst schafft die Entscheidung Planungssicherheit. Bei stabilen Marktbedingungen reicht eine Nachweisführung über die drei- bis fünfjährige Durchschnittsauslastung aus, um steuerliche Anerkennung zu erhalten. Unternehmerinnen und Unternehmer, die mehrere Objekte betreiben, können ihre steuerliche Strategie dahingehend optimieren, indem sie Leerstände steuerrechtlich plausibel begründen und jährlich die ortsüblichen Vergleichswerte dokumentieren. Hier zeigt sich wiederum, dass eine strukturierte Buchhaltung, digitale Datenaufbereitung und laufende Auswertung der Auslastung die Kommunikation mit dem Finanzamt erheblich erleichtert.
Diese Erkenntnisse gelten über die steuerliche Betrachtung hinaus. Sie betreffen direkt die strategische Entscheidungsfindung im Unternehmen: Soll ein Ferienobjekt zur Liquiditätsstärkung verkauft werden, ist die Prognose entsprechend zeitlich zu verkürzen und ein realistisches Modell der Ertragsentwicklung vorzulegen. Gerade kleine und mittelständische Betriebe, die im Rahmen von Unternehmensnachfolgen oder Investitionsprojekten Immobilien veräußern, können mit einem fundierten steuerlichen Konzept erhebliche steuerliche Risiken vermeiden.
Schlussfolgerung und Handlungsempfehlung für Vermietende
Das neue Urteil des Bundesfinanzhofs zur Einkünfteerzielungsabsicht bei Ferienwohnungen bringt Klarheit und Praxisorientierung. Es stellt sicher, dass kurzfristige Ausfälle oder Marktschwankungen nicht automatisch zur Aberkennung steuerlich relevanter Verluste führen. Entscheidend ist die langfristige, am Markt orientierte Vermietung über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Damit stärkt das Urteil insbesondere Vermieterinnen und Vermieter, die professionell und nachhaltig wirtschaften wollen und deren Tätigkeit bisher durch unflexible Jahresbetrachtungen benachteiligt wurde.
Für kleine und mittelständische Unternehmen, Pflegeeinrichtungen, Hotels, aber auch private Eigentümer eröffnet die Entscheidung neue Gestaltungsspielräume. Ein ordnungsgemäßes Rechnungswesen und die digitale Dokumentation der Auslastungsdaten sind dabei zentrale Erfolgsfaktoren. Unsere Kanzlei begleitet Mandantinnen und Mandanten in diesen Fragen umfassend – von der steuerlichen Optimierung bis zur digitalen Prozessgestaltung. Wir unterstützen kleine und mittelständische Unternehmen bei der Automatisierung ihrer Buchhaltungsprozesse, steigern die Transparenz und schaffen durch gezielte Digitalisierung messbare Kostenersparnisse, die nachhaltig zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit beitragen.
Gerichtsentscheidung lesen