Rechtlicher Hintergrund zur Einkünfteerzielungsabsicht bei Bürgschaften
Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 1. Juli 2025 (Az. VIII R 3/23) eine Grundsatzentscheidung zur steuerlichen Behandlung von Verlusten aus Bürgschaften gefällt. Streitpunkt war die Frage, ob ein Steuerpflichtiger, der aus einer Bürgschaft in Anspruch genommen wird und seine Regressforderung aufgrund der Insolvenz des Schuldners nicht realisieren kann, einen steuerlich relevanten Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend machen darf. Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass eine sogenannte Einkünfteerzielungsabsicht, also der Wille, durch eine Kapitalanlage Gewinne zu erzielen, bei Bürgschaftsregressforderungen widerlegbar vermutet wird. Dies gilt auch dann, wenn die Bürgschaft unentgeltlich übernommen wurde. Damit stärkt die Entscheidung die steuerliche Anerkennung solcher Verluste, sofern ein wirtschaftlicher Hintergrund erkennbar ist.
Die Entscheidung erweitert den Rahmen, in dem Unternehmer, Gesellschafter oder Privatpersonen, die Bürgschaften für geschäftliche Vorgänge abgeben, ihre Verluste steuerlich geltend machen können. Besonders interessant ist dies für kleine und mittelständische Unternehmen, aber auch für stark regulierte Branchen wie Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäuser, die häufig Kredit- oder Sicherungsstrukturen benötigen und intern oder extern Bürgschaften stellen.
Die Begründung der Entscheidung und die steuerrechtliche Einordnung
Der Bundesfinanzhof betonte in seiner Begründung, dass die Einkünfteerzielungsabsicht für Kapitalanlagen aus systematischen Gründen grundsätzlich vermutet wird. Diese Vermutung gilt auch für Konstellationen, in denen das Risiko eines Verlustes von Beginn an hoch ist. Der Begriff Einkünfteerzielungsabsicht ist ein steuerrechtlicher Fachterminus und beschreibt die Voraussetzung, dass eine Tätigkeit oder Anlage nicht nur aus privaten Gründen erfolgt, sondern mit der Absicht betrieben wird, daraus Einkünfte zu erzielen. Nur wenn diese Absicht widerlegt werden kann, entfällt die steuerliche Anerkennung von Verlusten.
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs greift diese vermutete Einkünfteerzielungsabsicht auch, wenn eine Bürgschaft unentgeltlich übernommen wurde. Entscheidend ist, ob ein erkennbarer wirtschaftlicher Hintergrund vorliegt. Anders als das Finanzgericht in der Vorinstanz annahm, reicht der Umstand, dass eine Bürgschaft unter persönlichen Bindungen gewährt wurde, nicht zwingend aus, um die Absicht zur Erzielung von Einkünften zu verneinen. Vielmehr muss geprüft werden, ob geschäftliche Überlegungen im Vordergrund standen. Der Bundesfinanzhof unterstreicht, dass die Vermutung erst dann nicht greift, wenn völlig offensichtlich ist, dass keinerlei wirtschaftlicher Zweck verfolgt wurde.
Zur Begründung hat das Gericht auch auf seine bisherige Rechtsprechung verwiesen, wonach die umfassende Erfassung von Wertzuwächsen und Verlusten dem Ziel des Einkommensteuergesetzes entspricht. Die Entscheidung schafft insoweit Klarheit für Unternehmer und Kapitalanleger, dass Steuerpflichtige auch bei atypischen Konstellationen den steuerrechtlichen Schutz durch die Einkünfteerzielungsabsicht beanspruchen können.
Relevanz und praktische Bedeutung für Unternehmen
Für Unternehmen jeder Größe, von kleinen Onlinehändlern bis zu mittelständischen Betrieben, eröffnet die Entscheidung neue Handlungsspielräume. Wer Bürgschaften übernimmt, etwa für betriebliche Kredite oder zur Unterstützung von Geschäftspartnern, kann sich im Fall der Inanspruchnahme auf eine steuerliche Verwertbarkeit der Verluste berufen, solange ein wirtschaftlicher Hintergrund erkennbar ist. Für Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen oder andere gemeinnützige und hochspezialisierte Organisationen, die oftmals auf Kreditfinanzierungen angewiesen sind, kann dies in Krisensituationen erhebliche steuerliche Entlastungen bringen.
Wesentlich ist dabei, dass die Beurteilung stets am Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft ansetzt. Unternehmen sollten daher dokumentieren, welche geschäftlichen Erwägungen für die Bürgschaft maßgeblich waren. So wird es einfacher, im Streitfall nachzuweisen, dass ein wirtschaftlicher Zusammenhang bestand. Steuerberaterinnen und Steuerberater können hier wertvolle Unterstützung leisten, indem sie frühzeitig die Finanzierungsstruktur eines Unternehmens analysieren und die notwendigen Nachweise für die Finanzverwaltung aufbereiten.
In der praktischen Umsetzung bedeutet dies, dass auch Verluste aus nicht werthaltigen Bürgschaftsregressforderungen steuerlich berücksichtigt werden können. Besonders für mittelständische Betriebe, die nicht selten Bürgschaften für verbundene Unternehmen übernehmen, bedeutet dies eine gestärkte Position gegenüber der Finanzverwaltung. Gleichzeitig erfordert die Entscheidung ein hohes Maß an Dokumentation, da die Finanzverwaltung in Zweifelsfällen hinterfragen wird, ob tatsächlich ein wirtschaftlicher Grund für die Bürgschaft vorlag.
Schlussfolgerung für die Praxis und Handlungsempfehlung
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs bringt für kleine und mittelständische Unternehmen, aber auch für Familienunternehmen, Pflegeeinrichtungen und Onlinehändler eine wichtige Klarstellung: Verluste aus Bürgschaftsverpflichtungen können steuerlich anerkannt werden, solange die Übernahme nicht ausschließlich aus privaten Motiven erfolgte. Damit stärkt das Urteil die steuerliche Behandlung wirtschaftlich motivierter Bürgschaften und ermöglicht eine bessere Planbarkeit in Finanzierungsstrategien.
Unternehmen sind gut beraten, Bürgschaften nicht leichtfertig, sondern unter klar nachvollziehbaren wirtschaftlichen Erwägungen zu übernehmen und dies auch intern zu dokumentieren. Steuerberatende Kanzleien können hierbei unterstützen, indem sie eine Struktur schaffen, die nicht nur steuerlich vorteilhaft ist, sondern auch haftungsrechtliche Risiken minimiert. Unsere Kanzlei betreut seit vielen Jahren kleine und mittelständische Unternehmen in sämtlichen steuerlichen Belangen. Mit unserem besonderen Fokus auf Digitalisierung und Prozessoptimierung in der Buchhaltung tragen wir maßgeblich dazu bei, Abläufe effizienter zu gestalten und erhebliche Kosten einzusparen. Diese Erfahrung stellen wir Unternehmen jeder Größe zur Verfügung, die eine zukunftsorientierte steuerliche und organisatorische Betreuung wünschen.
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