Die korrekte Eingruppierung von Beschäftigten im Gesundheitswesen bleibt ein praxisrelevantes Thema für öffentliche wie private Bildungsträger. Besonders seit der Einführung der Entgeltordnung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (VKA) mehren sich Fragen zur Zuordnung von Leitungsfunktionen, Lehrtätigkeiten und deren Bewertung nach akademischen Abschlüssen. In einer aktuellen Entscheidung vom 20. August 2025 (Az. 4 AZR 151/24) hat das Bundesarbeitsgericht den Streit um die Eingruppierung eines Schulleiters einer staatlich anerkannten Berufsfachschule für Ergotherapie entschieden und dabei wichtige Maßstäbe für die tarifliche Bewertung leitender pädagogischer Tätigkeiten klargestellt.
Eingruppierung und tarifliche Grundlagen im Gesundheitsbildungswesen
Im konkreten Fall stand die Frage im Mittelpunkt, ob ein Schulleiter einer Berufsfachschule für Ergotherapie Anspruch auf eine Vergütung nach Entgeltgruppe 15 TVöD/VKA hat. Der Kläger hatte ein wissenschaftliches Hochschulstudium der Erziehungswissenschaften abgeschlossen und war zugleich als Lehrkraft tätig. Er argumentierte, seine Lehr- und Leitungstätigkeiten entsprächen der fachlichen Tiefe seines Studiums und rechtfertigten somit die Einstufung in die höchste Laufbahngruppe. Die Arbeitgeberin vergütete ihn hingegen lediglich nach Entgeltgruppe 13 des TVöD/VKA.
Das Bundesarbeitsgericht stellte zunächst klar, dass für die Eingruppierung nach dem Tarifrecht der gesamte, nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeitsbereich maßgeblich ist. Nach § 12 des TVöD-K ist eine Tätigkeit der Entgeltgruppe zuzuordnen, deren Tätigkeitsmerkmale sie insgesamt erfüllt. Entscheidend sei die Bestimmung des sogenannten „Arbeitsvorgangs“, also der inhaltlich zusammenhängenden Arbeitsschritte, die zu einem einheitlichen Arbeitsergebnis führen. Dieser Begriff spielt für Unternehmen des Gesundheitswesens und Bildungsträger eine Schlüsselrolle, weil er festlegt, ob beispielsweise Lehr- und Leitungstätigkeiten gemeinsam oder getrennt zu bewerten sind.
Das Gericht entschied, dass im vorliegenden Fall die Leitung der Schule und die Lehrtätigkeit einen einheitlichen Arbeitsvorgang bilden. Voraussetzung für die Anwendung des Funktionsmerkmals einer Leitungstätigkeit ist, dass die damit verbundenen Aufgaben – etwa Unterrichtsplanung, pädagogische Organisation oder Schulentwicklung – auf ein gemeinsames Arbeitsergebnis ausgerichtet sind. Für Betreiber kleinerer oder spezialisierter Bildungseinrichtungen, etwa in der Pflege oder Therapieausbildung, bedeutet dies: Die tarifrechtliche Bewertung hängt wesentlich von der organisatorischen Struktur und der tatsächlichen Verknüpfung einzelner Tätigkeiten ab.
Bewertung der Tätigkeit nach wissenschaftlicher Qualifikation
Der Kern der Entscheidung betrifft die Frage, wann eine Tätigkeit als der wissenschaftlichen Hochschulbildung „entsprechend“ gilt. Das Gericht hat hierzu die bisherige Rechtsprechung weiter konkretisiert. Eine Tätigkeit gilt nur dann als „entsprechend“, wenn die erworbenen wissenschaftlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für deren ordnungsgemäße Ausübung erforderlich sind. Sie müssen den Aufgabenbereich prägen, also über die bloße Nützlichkeit hinausgehen. Ein wissenschaftlicher Zuschnitt liegt etwa dann vor, wenn die Aufgaben eine vertiefte theoretische Analyse, methodische Forschung oder die Anwendung wissenschaftlicher Lehr- und Erkenntnismethoden zwingend erfordern.
Im Fall des Ergotherapieschulleiters war dies nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts jedoch nicht gegeben. Zwar gab es pädagogische und psychologische Anteile im Unterricht, diese erforderten jedoch kein vertieftes, wissenschaftliches Know-how, das über grundständige Hochschulkenntnisse hinausginge. Das Gericht betonte, dass für die fachpraktische und didaktische Vermittlung von Lehrinhalten grundlegende pädagogische Kenntnisse ausreichend sind. Für eine höhere Eingruppierung ist daher ein klarer, nachweisbarer Bezug zwischen Studium und Tätigkeit erforderlich. Unternehmen, die Lehrkräfte oder Leitungspersonal in medizinischen Bildungseinrichtungen beschäftigen, sollten vor diesem Hintergrund die Anforderungen ihrer Tätigkeitsprofile sorgfältig erfassen und dokumentieren, um spätere Eingruppierungsstreitigkeiten zu vermeiden.
Relevanz für Arbeitgeber in Gesundheitswesen und Pflegeausbildung
Die Entscheidung ist nicht nur für öffentliche Einrichtungen relevant, sondern auch für private Träger medizinischer Berufsfachschulen, Pflegeakademien und therapeutischer Ausbildungsstätten. Gerade in kleinen oder mittelständischen Bildungsträgern, die häufig Mischfunktionen zwischen Lehre, Organisation und Verwaltung vorsehen, kann die Abgrenzung zwischen wissenschaftlicher Lehrtätigkeit und organisatorischer Leitung intensiv geprüft werden müssen. Die Entscheidung unterstreicht, dass nicht jede Tätigkeit mit akademischem Bezug automatisch als wissenschaftlich einzuordnen ist. Vielmehr sind die Inhalte des tätigkeitsbezogenen Aufgabenprofils und deren tatsächlicher Bezug zur Hochschulqualifikation ausschlaggebend.
Für kleine und mittelständische Unternehmen im Bildungs- und Gesundheitssektor ergibt sich daraus ein wichtiger Praxisimpuls: Stellenbeschreibungen und interne Aufgabenverteilungen sollten eindeutig die Tätigkeitsschwerpunkte, Qualifikationsanforderungen und Arbeitsvorgänge definieren. Nur so lässt sich vermeiden, dass eine tarifliche Eingruppierung mangels klarer Struktur später in Frage gestellt wird. Insbesondere Pflege- und Therapieeinrichtungen, die Mitarbeiter mit Hochschulabschlüssen einsetzen, sollten prüfen, ob die wissenschaftliche Tiefe ihrer Tätigkeiten ausreichend dokumentiert ist, um höhere Entgeltgruppen rechtfertigen zu können.
Fazit und Handlungsempfehlungen für kleine und mittlere Bildungsträger
Das Urteil macht deutlich, dass die tarifliche Bewertung pädagogischer Leitungsfunktionen im Gesundheitswesen nicht allein vom formalen Bildungsabschluss abhängt, sondern vom konkreten fachlichen Zuschnitt der ausgeübten Tätigkeiten. Entscheidend ist eine klare Analyse der Arbeitsvorgänge, ihrer inhaltlichen Verbindung und der Erforderlichkeit wissenschaftlicher Qualifikationen für deren Ausführung. Arbeitgeber sollten daher regelmäßig prüfen, ob die tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten den tariflichen Vorgaben entsprechen, insbesondere bei gemischten Funktionen mit Lehr- und Leitungsverantwortung.
Für Bildungsträger in Pflege, Ergotherapie und verwandten Gesundheitsberufen schafft die Entscheidung zwar Klarheit, verlangt aber zugleich eine strukturierte Personal- und Aufgabenplanung. Eine präzise Tätigkeitsdokumentation und die Abgrenzung nichtwissenschaftlicher Anteile können helfen, Entgeltrisikopositionen zu vermeiden. Gerade in Zeiten zunehmender Spezialisierung und Digitalisierung lohnt es sich, Prozesse in Personal- und Vergütungsmanagement aktiv zu optimieren. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen aus allen Branchen bei der rechtssicheren Gestaltung tariflicher Eingruppierungen sowie bei der Digitalisierung und Prozessoptimierung der Buchhaltungs- und Verwaltungsabläufe, um langfristig Kosten zu senken und Effizienz zu steigern.
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