Sachverhalt und steuerrechtlicher Hintergrund zur BFH-Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hat mit seiner Entscheidung vom 22. Juli 2025 (VIII R 23/23) die steuerliche Anerkennung von Ehegatten-Mietverhältnissen in einer Weise präzisiert, die für kleine und mittelständische Unternehmen weitreichende Bedeutung hat. Der Fall betraf ein Mietverhältnis zwischen Ehegatten, bei dem der vermietende Ehepartner die Immobilie allein besaß, während der andere Ehepartner diese für seinen beruflichen Betrieb nutzte. Streit entzündete sich daran, ob die Mietzahlungen, die durch Mittel aus gemeinsamen Ehegattenkonten gestützt wurden, als Betriebsausgaben anzusehen und die Mieteinnahmen beim Vermieter als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung steuerlich zu berücksichtigen seien.
Das Finanzamt hatte die Auffassung vertreten, dass es sich um ein steuerlich unbeachtliches Scheingeschäft im Sinne des § 41 Abs. 2 Abgabenordnung handle, da die Miete wirtschaftlich lediglich im Familienverbund kreise und somit keine echte Belastung des mietenden Ehegatten vorliege. Zusätzliche Fragen stellte der Fremdvergleich, ein juristisches Prüfkriterium, das verlangt, dass Verträge zwischen nahen Angehörigen den Konditionen entsprechen, die auch unter Fremden üblich wären. Strittig war zudem, ob die fehlende schriftliche Anpassung des alten Mietvertrages und die im Nachgang geänderte Nutzung der Räumlichkeiten diese steuerliche Anerkennung infrage stellen.
Diese Konstellation ist keineswegs nur für freiberuflich Tätige wie Rechtsanwälte relevant, sondern auch für Ärzte, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser oder auch Onlinehändler, die ihre Geschäftsräume von Ehepartnern oder nahen Angehörigen anmieten. Gerade in solchen Konstellationen ist das Verhältnis von betrieblichen Ausgaben und privaten Lebensverhältnissen entscheidend für die steuerliche Anerkennung.
Juristische Analyse und Begründung der Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und klargestellt, dass weder ein Scheingeschäft noch ein steuerlich unwirksamer Angehörigenvertrag vorlag. Kernpunkt war die Beurteilung, ob die Durchführung und Ausgestaltung des Mietvertrags einem Fremdvergleich standhält. In seiner Begründung führte das Gericht systematisch aus:
- Ein Scheingeschäft setzt einen erkennbaren Gesamtplan voraus, bei dem die Vertragsparteien die rechtlichen Folgen bewusst umgehen. Die bloße Verwendung gemeinschaftlicher Ersparnisse für Einlagen in den Betrieb des Mieters erfüllt dieses Kriterium nicht.
- Die wesentlichen Vertragspflichten, wie das Überlassen der Räume gegen Entgelt und die regelmäßige Zahlung der Miete, wurden tatsächlich erfüllt. Der Umstand, dass Nebenkosten nicht schriftlich abgerechnet wurden oder die Miethöhe seit Jahren unverändert war, reicht nicht aus, um den Vertrag fremdunüblich zu machen.
- Auch die Rückflüsse von Geldern aus gemeinsamen Ehegattenkonten stellten nach Ansicht der Richter keinen Beweis für einen Scheincharakter des Vertrags dar, solange diese Mittel aus dem gemeinsamen Familienvermögen gespeist wurden und nicht allein aus den laufenden Mietzahlungen hervorgingen.
- Die Richter wiesen zudem ausdrücklich darauf hin, dass fehlende formale Abweichungen, wie das Unterlassen von Schriftformklauseln oder die Integration weiterer Familienmitglieder in die Nutzung der Räume, keine zwingende Aberkennung des Fremdvergleichs begründen.
Von besonderer Bedeutung ist, dass der Bundesfinanzhof auch auf die Gewinnerzielungsabsicht des mietenden Ehegatten abhob. Die Mietkosten trugen wesentlich zu den Verlusten der Kanzlei bei, was eine Prüfung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit und der Marktgängigkeit des Betriebs erforderlich machte. Diese Prüfung wurde an die Vorinstanz zurückverwiesen. Damit stellte das Gericht klar, dass die steuerliche Anerkennung eines Ehegatten-Mietverhältnisses nicht allein an den formellen Vertragsdetails hängt, sondern an der Gesamtschau der wirtschaftlichen und familiären Gegebenheiten.
Praktische Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen
Für kleine Unternehmen, Onlinehändler oder Arztpraxen, die Geschäftsräume von nahen Angehörigen mieten, verdeutlicht diese Entscheidung, dass eine gewissenhafte Vertragsgestaltung zwar unerlässlich ist, aber nicht übermäßig formalisiert sein muss. Entscheidend bleibt die Fremdüblichkeit der Hauptpflichten: der Mietvertrag sollte klar die Höhe der Miete und die Nutzung der Räume bestimmen und tatsächlich so durchgeführt werden.
Für Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäuser, die teilweise komplexe Eigentums- und Nutzungsverhältnisse aufweisen, unterstreicht das Urteil die Bedeutung eines transparenten Nachweises über die Mittelherkunft. Selbst wenn Einlagen aus Familienvermögen oder Ehegattenkonten erfolgen, steht dies einer Anerkennung als Betriebsausgabe nicht von vornherein entgegen, solange keine Absprache über eine Rückgewähr der gezahlten Miete besteht.
Auch für mittelständische Unternehmen ist diese Rechtsprechung von Bedeutung, wenn Immobilien aus dem Familienvermögen in den betrieblichen Bereich eingebracht werden. Hier gilt es, Verträge dokumentierbar und nachvollziehbar zu gestalten, insbesondere wenn Verluste aus dem Betrieb steuerlich geltend gemacht werden sollen. Eine fehlende Nebenkostenabrechnung oder die unveränderte Miethöhe über viele Jahre werden künftig weniger schnell zur Nichtanerkennung führen, solange die Vertragsparteien inhaltlich und wirtschaftlich nachvollziehbar handeln.
Onlinehändler, die häufig flexibel Büro- oder Lagerräume nutzen und dabei oft auf Immobilien aus dem privaten Umfeld zurückgreifen, sollten dieses Urteil zum Anlass nehmen, bestehende Angehörigenmietverhältnisse zu überprüfen. Wesentlich ist, dass der Mietvertrag sinnhaft und einwandfrei durchgeführt wird und nicht den Eindruck einer bloß formalen Gestaltung erweckt.
Fazit: Handlungsempfehlungen für Unternehmer
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs bietet Unternehmern, Freiberuflern und familiengeführten Unternehmen ein Stück mehr Rechtssicherheit bei Mietverträgen unter Ehegatten. Sie stellt klar, dass die steuerliche Anerkennung nicht durch jede Abweichung vom Formalvertrag gefährdet ist, solange der Mietvertrag in seinen wesentlichen Pflichten erfüllt wird. Für kleine Unternehmen, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser oder Onlinehändler bedeutet dies: Eine vertrauensvolle und nachvollziehbare Vertragsabwicklung ist wichtiger als die penible Einhaltung jeder Formalität.
Unternehmen sollten dennoch ihre Mietverträge überprüfen und gegebenenfalls anpassen, um Transparenz zu schaffen und spätere Streitigkeiten mit Finanzämtern zu vermeiden. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen dabei nicht nur in steuerrechtlichen Fragen, sondern auch bei der Digitalisierung und Prozessoptimierung in der Buchhaltung. Durch unsere Erfahrung in der Prozessoptimierung und der Implementierung digitaler Lösungen konnten wir für zahlreiche Mandanten erhebliche Kostenersparnisse erzielen.
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