Hintergrund der neuen Regelungen zur Durchschnittssatzbesteuerung
Die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Umsatzsteuergesetz dient der Vereinfachung für land- und forstwirtschaftliche Betriebe. Sie ermöglicht es, die Umsatzsteuer pauschal zu berechnen, ohne dass die exakte Ermittlung der abziehbaren Vorsteuer erforderlich ist. Grundlage für die Anpassung der aktuellen Rechtslage bildet das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17. August 2023 (V R 3/21), das nun durch ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 12. November 2025 in sämtliche offenen Fälle eingeflossen ist. Ziel der Änderungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass ist die Vereinheitlichung der steuerlichen Behandlung bestimmter Umsätze land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und die Abgrenzung zwischen pauschalierter und regulärer Besteuerung.
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs hat eine klare Grenzziehung vorgenommen, welche Umsätze tatsächlich der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegen dürfen. Insbesondere wurde klargestellt, dass Lieferungen von Geräten und Gegenständen, die ausschließlich für Umsätze nach § 24 Absatz 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz verwendet wurden, nicht mehr pauschal behandelt werden dürfen. Diese Klarstellung führt dazu, dass landwirtschaftliche Unternehmer sorgfältig prüfen müssen, für welche Vermögensgegenstände die pauschale Besteuerung weiterhin angewendet werden kann.
Rechtliche Klarstellungen zur Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung
Mit der Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses, der die praktische Umsetzung des Umsatzsteuergesetzes regelt, wurde insbesondere Abschnitt 24.2 neu gefasst. Danach unterliegen Umsätze mit Gegenständen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögens, etwa der Verkauf gebrauchter Traktoren, Maschinen oder anderer Geräte, künftig der Regelbesteuerung. Das bedeutet, dass auf diese Umsätze der reguläre Umsatzsteuersatz von 19 Prozent beziehungsweise ermäßigte Sätze anzuwenden sind, sofern keine spezifischen Befreiungstatbestände greifen. Diese Regelung betrifft typischerweise Betriebe, die über einen größeren Maschinenpark verfügen und regelmäßig Anlagenverkäufe tätigen. Für kleinere Betriebe oder Nebenerwerbslandwirte hat dies vor allem zur Folge, dass beim Verkauf von langlebigen Wirtschaftsgütern eine Umsatzsteuerpflicht entsteht, die bislang nicht berücksichtigt werden musste.
Von Bedeutung ist ferner die Klarstellung zu sogenannten „stehenden Ernten“. Dabei handelt es sich um noch nicht geerntete Feldfrüchte. Diese gelten rechtlich erst dann als landwirtschaftliche Erzeugnisse, wenn die Ernte erfolgt ist. Der Verkauf einer stehenden Ernte ist somit keine Lieferung von landwirtschaftlichen Produkten, sondern gewährt lediglich das Recht, zukünftig solche Erzeugnisse zu gewinnen. Erst mit der tatsächlichen Ernte entsteht ein Umsatz, der der Durchschnittssatzbesteuerung unterfallen kann. Diese Differenzierung hat erhebliche Bedeutung für landwirtschaftliche Kooperationen oder Pachtverträge, bei denen Erntevereinbarungen im Vorfeld geschlossen werden.
Praktische Folgen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe
Die Auswirkungen der Änderungen sind insbesondere für Unternehmer relevant, die bisher regelmäßig von der pauschalen Umsatzsteuerermittlung Gebrauch gemacht haben. Während weiterhin für den Verkauf eigener Erzeugnisse wie Getreide, Milch oder Obst die Durchschnittssatzbesteuerung gilt, entfällt sie zunehmend bei Vorgängen, die über den reinen Erzeugungsprozess hinausgehen oder der Veräußerung des Unternehmensvermögens dienen. Dies bedeutet für viele Landwirte eine notwendige Anpassung ihrer Buchführungs- und Abrechnungsprozesse. Bei der Umstellung auf die Regelbesteuerung sind die korrekte Abführung der Umsatzsteuer sowie gegebenenfalls die nachträgliche Berichtigung der Vorsteuer nach § 15a Umsatzsteuergesetz zu berücksichtigen, falls sich durch die geänderte Zuordnung des Vermögensgegenstands steuerliche Verhältnisse geändert haben.
Auch die Fristen und Übergangsregelungen verdienen Beachtung. Für bis zum 30. Juni 2026 ausgeführte Umsätze wird es nicht beanstandet, wenn Unternehmer weiterhin auf die alte Rechtslage vertrauen und die bisherige Handhabung fortführen. Spätestens ab dem 1. Juli 2026 jedoch greifen die neuen Regelungen uneingeschränkt. Damit einher geht auch die Verpflichtung, Rechnungen entsprechend zu berichtigen und bei Verkäufen von Maschinen oder Geräten den korrekten Umsatzsteuerausweis vorzunehmen. Erfolgt eine Rechnungsberichtigung unter Ausweis des regulären Steuersatzes, so kann eine Steuerschuld nach § 14c Umsatzsteuergesetz entstehen, wenn eine zu hohe Umsatzsteuer ausgewiesen wurde. Deshalb ist eine saubere Dokumentation und Abstimmung mit dem Steuerberater unabdingbar.
Fazit und Handlungsempfehlungen für Unternehmer
Die jüngsten Änderungen verdeutlichen, dass die Durchschnittssatzbesteuerung zwar ein wichtiges Vereinfachungsinstrument bleibt, ihre Reichweite jedoch deutlich eingeschränkt wurde. Land- und forstwirtschaftliche Betriebe, aber auch Wein- und Gartenbaubetriebe sollten prüfen, welche Umsätze künftig unter die Regelbesteuerung fallen. Eine korrekte steuerliche Einordnung ist entscheidend, um Nachforderungen und Zinsbelastungen zu vermeiden. Für Maschinenringe, bäuerliche Zusammenschlüsse und Dienstleister in der Agrarbranche bieten sich durch die neuen Vorschriften auch Chancen, Prozesse zu digitalisieren und interne Abläufe an die neuen Anforderungen anzupassen.
Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen, insbesondere auch landwirtschaftliche Betriebe, bei der Umsetzung der neuen gesetzlichen Anforderungen. Wir unterstützen bei der Digitalisierung und Prozessoptimierung in der Buchhaltung, wodurch sich langfristig erhebliche Kostenvorteile und mehr Transparenz in der Steuerplanung erzielen lassen.
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