Geschlechtergerechtigkeit in Versicherungsverträgen
Das Landgericht Hannover hat mit Urteil vom 13. November 2025 (Az. 6 O 103/24) ein deutliches Signal für die Gleichbehandlung von Frauen im Versicherungswesen gesetzt. Eine selbstständige Kosmetikerin hatte gegen einen Versicherer geklagt, nachdem dieser in seinen Versicherungsbedingungen Schwangerschaft, Fehlgeburt, Entbindung und Schwangerschaftsabbruch ausdrücklich vom Versicherungsschutz ausgenommen hatte. Die Richterinnen und Richter sahen darin eine unzulässige Benachteiligung aufgrund des Geschlechts im Sinne der §§ 3 und 19 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass Versicherungsunternehmen ihre Vertragsbedingungen sorgfältig prüfen müssen, um geschlechtsspezifische Ungleichbehandlungen zu vermeiden. Für selbstständige Unternehmerinnen und Kleinbetriebe, die sich gegen krankheitsbedingte Ausfälle absichern wollen, ist das Urteil von hoher praktischer Bedeutung, da es ihnen einen gleichberechtigten Zugang zu passendem Versicherungsschutz sichert.
Rechtsgrundlage und juristische Einordnung
Nach § 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Merkmals, darunter das Geschlecht, eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Im Streitfall war die Benachteiligung offenkundig: Nur Frauen können schwanger werden, weshalb sich der Ausschluss der Versicherungspflicht ausschließlich auf ein Geschlecht auswirkt. Das Gericht stellte daher klar, dass ein Sachverhalt, der ausschließlich biologisch einem Geschlecht zugeordnet werden kann, stets eine unmittelbare Diskriminierung darstellt. Entscheidend ist, dass die Beschränkung nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, dass sie auf versicherungstechnische Argumente gestützt wird. Die Kammer führte aus, dass eine Rechtfertigung nach § 20 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ausscheide, da kein legitimes Ziel vorliege, das eine derartige Ungleichbehandlung notwendig machen könnte. Die Versicherung könne sich auch nicht darauf berufen, dass eine Schwangerschaft keine Krankheit sei, denn die Klausel erfasst ausdrücklich jede Form von Arbeitsunfähigkeit, unabhängig davon, ob diese medizinisch als Krankheit einzustufen ist.
Praktische Auswirkungen für Unternehmen und Versicherer
Für kleine und mittlere Unternehmen, insbesondere für Einzelunternehmerinnen, die häufig Inhaberausfallversicherungen oder Krankentagegeldpolicen abschließen, zeigt dieses Urteil deutliche Konsequenzen. Versicherungsprodukte müssen so gestaltet werden, dass sie keine systematische Benachteiligung bestimmter Gruppen bewirken. Selbst wenn bestimmte Risiken wirtschaftlich schwer kalkulierbar erscheinen, dürfen diese nicht auf Grundlage geschlechtsspezifischer Merkmale ausgeschlossen werden. Unternehmen, die in sensiblen Branchen wie Kosmetik, Gesundheitswesen oder Pflege arbeiten, sind häufig von der Arbeitsfähigkeit einzelner Personen abhängig. Der Ausschluss schwangerschaftsbedingter Ausfälle würde hier eine unbillige Schlechterstellung weiblicher Selbstständiger bedeuten. Zugleich hat die Entscheidung Signalwirkung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber, da sie verdeutlicht, dass der Schutz vor Diskriminierung auch wirtschaftliche Teilhabe und Vorsorgeentscheidungen betrifft. Für Versicherer bedeutet dies eine erhöhte Prüfpflicht ihrer Bedingungen und eine notwendige Anpassung bestehender Policen an die Vorgaben des Diskriminierungsrechts.
Fazit und Bedeutung für die Praxis
Das Urteil des Landgerichts Hannover schärft das Bewusstsein für Gleichbehandlungsfragen im Vertragsrecht und zeigt, dass geschlechtsspezifische Diskriminierung auch in wirtschaftlichen Lebensbereichen keinen Platz haben darf. Unternehmerinnen erhalten mit dieser Entscheidung Rückenwind, um auf Augenhöhe am Markt teilzunehmen und gleiche Rahmenbedingungen beim Abschluss von Versicherungsverträgen zu fordern. Versicherer und Unternehmen sind gleichermaßen gefordert, ihre Vertragsmuster und internen Prüfverfahren im Lichte der geltenden Gleichbehandlungsgrundsätze zu überarbeiten. Gleichzeitg ist das Urteil für die Praxis ein hilfreicher Leitfaden, wie Diskriminierungsrisiken bei Vertragsgestaltung und Kundenkommunikation frühzeitig erkannt und vermieden werden können. Unsere Kanzlei unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen bei der rechtssicheren Digitalisierung und Prozessoptimierung in der Buchhaltung, wodurch erhebliche Kosten gesenkt und Abläufe effizienter gestaltet werden. Wir verfügen über langjährige Erfahrung in der Begleitung unterschiedlichster Mandate aus Handel, Dienstleistung und Gesundheitswesen und legen besonderen Wert darauf, rechtliche Anforderungen in praxisgerechte Lösungen zu übersetzen.
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