Unternehmen unterschiedlichster Branchen stehen regelmäßig vor der Herausforderung, die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern rechtssicher zu gestalten. Besonders seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2023 zur strafrechtlichen Untreue bei überhöhter Vergütung von Betriebsräten wächst die Unsicherheit erheblich. Mit seinem Urteil vom 20. März 2025 (Aktenzeichen 7 AZR 179/24) hat das Bundesarbeitsgericht nun grundlegende Klarstellungen vorgenommen, die für kleine und mittelständische Unternehmen, für Pflegeeinrichtungen, Onlinehändler oder produzierende Betriebe von erheblicher Praxisrelevanz sind.
Rechtlicher Hintergrund und Ausgangssituation zur Betriebsratsvergütung
Im Kern geht es um die Anforderungen des Betriebsverfassungsgesetzes, konkret um § 37 Absatz 4, der den sogenannten Mindestentgeltschutz für Betriebsratsmitglieder vorsieht. Die Bestimmung besagt, dass Betriebsratsmitglieder während ihrer Amtszeit, ebenso wie für ein Jahr nach Beendigung der Amtszeit, in ihrer Gehaltsentwicklung nicht hinter vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher Entwicklung zurückbleiben dürfen. Gleichzeitig verbietet § 78 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz jede Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds. Arbeitgeber sind daher verpflichtet, bei der Bestimmung der Vergütung eine Balance zu finden: Einerseits dürfen sie die Betriebsratsarbeit nicht zu Nachteilen führen lassen, andererseits wäre eine bevorzugte Eingruppierung ebenfalls unzulässig.
Im entschiedenen Fall war ein langjähriges Betriebsratsmitglied betroffen, dem vom Arbeitgeber zunächst kontinuierlich höhere Entgeltstufen nach innerbetrieblichen Regelungen gewährt wurden. Nach der BGH-Rechtsprechung zur strafbaren Untreue überprüfte das Unternehmen die bisherige Vergütungslogik und stufte den Betriebsrat herab, verbunden mit Rückforderungsansprüchen. Der betroffene Arbeitnehmer klagte hiergegen erfolgreich bis zum Bundesarbeitsgericht.
Kernaussagen des Gerichts und rechtliche Einordnung
Die Entscheidung macht deutlich, dass das zentrale Kriterium für die Bemessung der Vergütung immer die Vergleichsgruppe ist, auf die § 37 Absatz 4 Betriebsverfassungsgesetz abstellt. Maßgeblich ist dabei grundsätzlich der Zeitpunkt der Amtsübernahme des Betriebsratsmandats. Das Gericht stellte klar, dass es nicht zulässig ist, auf einen deutlich früheren Zeitpunkt wie etwa eine gewerkschaftliche Freistellung oder alte Eingruppierungen abzustellen. Damit haben Arbeitgeber nun einen verlässlichen Anknüpfungspunkt für die Bewertung.
Darüber hinaus traf das Gericht eine bedeutsame Aussage zur Darlegungs- und Beweislast. Grundsätzlich muss zwar das Betriebsratsmitglied Umstände vortragen, die eine Gleichbehandlung mit vergleichbaren Arbeitnehmern nahelegen. Allerdings trägt der Arbeitgeber die volle Verantwortung, wenn er eine einmal vorgenommene Vergütungsanpassung wieder korrigieren will. Er muss dann darlegen und beweisen, dass die ursprüngliche Anpassung fehlerhaft war. Diese Klarstellung bedeutet faktisch eine erhebliche Erleichterung für betroffene Betriebsratsmitglieder.
Von besonderer Bedeutung ist auch die Trennung zwischen dem Mindestentgeltanspruch nach § 37 Absatz 4 und dem sogenannten hypothetischen Karriereanspruch, der sich aus § 78 Satz 2 ergeben kann. Das BAG stellte klar, dass diese beiden Ansprüche unterschiedliche Streitgegenstände darstellen und voneinander getrennt zu prüfen sind. Damit wird die mit dem Gesetz zur Anpassung des Betriebsverfassungsgesetzes 2024 vorgenommene Reform bestätigt, welche die Abgrenzung zwischen Mindestentgelt und fiktiver Beförderung gesetzlich verdeutlicht hat.
Konkrete Folgen für Unternehmen in der Praxis
Für die Praxis in Unternehmen, Steuerberatungen und Finanzinstitutionen ist das Urteil wegweisend. Arbeitgeber, unabhängig ob es sich um ein kleines Familienunternehmen, eine Pflegeeinrichtung mit hohem Personaleinsatz oder einen dynamischen Onlinehändler mit schnell wechselnden Tätigkeitsprofilen handelt, müssen die Entgeltentwicklung von Betriebsratsmitgliedern präzise an der betrieblichen Realität orientieren. Der maßgebliche Zeitpunkt ist und bleibt die Übernahme des Betriebsratsamtes. Eine spätere willkürliche Neubestimmung ist unzulässig, es sei denn, es liegt ein gesetzlich anerkannter sachlicher Grund vor.
Wesentlich ist nun auch die Klarstellung zur Beweislastverteilung. Arbeitgeber müssen damit doppelt sorgfältig vorgehen, wenn sie Anpassungen überprüfen oder korrigieren. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen sollten die Dokumentation der Einstufung vergleichbarer Arbeitnehmer transparent und nachvollziehbar gestalten, um spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden. Gleichzeitig bedeutet dies für Betriebsräte eine Stärkung ihrer Position, da sie sich bei Unsicherheiten auf einen durchsetzbaren Mindestentgeltanspruch berufen können.
Die Entscheidung fügt sich zudem in die Linie aktueller Gesetzesänderungen, die stärker auf mehr Rechtssicherheit im Bereich der Betriebsratsvergütung zielen. Für Unternehmen ist damit die Erwartung verbunden, interne Prozesse und Betriebsvereinbarungen an die jetzt eindeutig bestätigten Grundsätze auszurichten. Steuerberatende Kanzleien und Finanzabteilungen in Unternehmen sind gefordert, Ausschlussfristen und Verfahrensfragen eng mit diesen Maßgaben abzustimmen, um Risiken aus Rückforderungsprozessen zu minimieren.
Für spezialisierte Branchen wie Pflegeeinrichtungen ist besonders relevant, dass der Schutz für Betriebsratsmitglieder klar definiert ist. In Organisationen mit hoher Fluktuation und komplexen Eingruppierungssystemen müssen die Vergleichsgruppen korrekt gebildet und revisionsfest dokumentiert werden. Gleiches gilt für Onlinehändler, die vielfach mit atypischen Beschäftigungsverhältnissen operieren. Hier ist die Transparenz bei Einstufungen und Erfahrungsstufen entscheidend, um möglichen Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen.
Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts schafft für Unternehmen mehr Klarheit und setzt zugleich einen hohen Standard hinsichtlich der Sorgfaltspflichten im Umgang mit Betriebsratsvergütung. Der gesetzliche Mindestentgeltschutz darf nicht unterlaufen werden. Wer Vergütungen zu Unrecht herabsetzt oder falsch bemisst, setzt sich erheblichen Haftungsrisiken aus und muss mit arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen rechnen. Für Arbeitgeber jeder Größe heißt dies, dass Prozesse zur Eingruppierung und Vergütungsfortschreibung lückenlos dokumentiert und von Beginn an rechtskonform gestaltet werden müssen.
Für kleine und mittelständische Betriebe ergibt sich daraus die klare Empfehlung, die Eingruppierungssysteme gemeinsam mit rechtlicher und steuerlicher Beratung regelmäßig zu überprüfen und an die aktuelle Rechtslage anzupassen. So lassen sich Risiken vermeiden und gleichzeitig die Grundlage für ein vertrauensvolles Verhältnis mit dem Betriebsrat schaffen. Unsere Kanzlei unterstützt insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen dabei, ihre buchhalterischen und organisatorischen Abläufe im Bereich Vergütung, Prozessoptimierung und Digitalisierung so zu gestalten, dass Rechtssicherheit und erhebliche Kostenersparnisse Hand in Hand gehen. Wir betreuen Unternehmen aller Art und stellen sicher, dass effiziente Lösungen rechtssicher integriert werden.
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