Die betriebliche Altersversorgung ist für viele Unternehmen ein wesentliches Instrument zur Mitarbeiterbindung und stellt zugleich einen wichtigen Aspekt der finanziellen Vorsorge von Beschäftigten dar. Besonders im Mittelstand, in Pflegeeinrichtungen oder bei Onlinehändlern gewinnt die Frage an Bedeutung, welche Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses auf Versorgungsansprüche angerechnet werden. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Mai 2025 (Aktenzeichen 3 AZR 65/24) hat hier maßgebliche Klarheit geschaffen, indem sie die Nichtberücksichtigung von Erziehungsurlaub bei der Wartezeit für den Bezug eines Besitzstandsbetrags in der betrieblichen Altersversorgung für rechtmäßig erklärt hat.
Betriebliche Altersversorgung und Wartezeiten – rechtlicher Hintergrund
Im Kern der Streitigkeit stand die Frage, ob Zeiträume der Elternzeit, in denen mangels Arbeitsleistung und Entgelt keine Umlagen an eine Versorgungseinrichtung gezahlt wurden, bei der Berechnung der Wartezeit für den Besitzstandsbetrag berücksichtigt werden müssen. Die Klägerin, die in den 1990er Jahren über mehrere Jahre Erziehungsurlaub genommen hatte, argumentierte, dass ihre Erziehungszeiten für die Wartezeit nach den damaligen tarifvertraglichen Regelungen hätten anerkannt werden müssen. Sie sah darin eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts, da typischerweise Frauen häufiger Erziehungszeiten in Anspruch nehmen.
Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass die tarifvertragliche Anknüpfung der Wartezeit ausschließlich an sogenannte Umlagemonate – also Monate, für die tatsächlich Entgelt gezahlt und Umlagen an das Versorgungswerk abgeführt wurden – sachlich gerechtfertigt ist. Versicherungszeiten, die während einer Elternzeit mangels laufenden Arbeitsentgelts nicht umlagefähig sind, können daher nicht als Wartezeit gelten. Eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts liegt nach Ansicht des Gerichts nicht vor, da die tarifvertragliche Regelung geschlechtsneutral formuliert ist und durch objektive Gründe gerechtfertigt werden kann.
Rechtliche Würdigung und Begründung der Entscheidung
Das Gericht knüpfte seine Begründung an den Gedanken an, dass während der Elternzeit das Arbeitsverhältnis rechtlich ruht. Ein ruhendes Arbeitsverhältnis unterscheidet sich wesentlich von einem aktiven Beschäftigungsverhältnis, weil während dieser Zeit keine Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers besteht. Daher wäre es nicht sachgerecht, dem ruhenden Arbeitsverhältnis zusätzliche Leistungen für die Altersvorsorge gleichzustellen. Auch wenn Elternzeiten in der Praxis überwiegend von Frauen wahrgenommen werden, bedeutet dies nicht automatisch eine verbotene geschlechtsspezifische Benachteiligung. Wichtiger ist, ob die Differenzierung auf sachlichen und vom Geschlecht unabhängigen Erwägungen beruht. Genau dies stellte das Bundesarbeitsgericht fest.
Besondere Bedeutung hat das Urteil darüber hinaus im Hinblick auf die Rolle der Tarifautonomie. Tarifvertragsparteien dürfen inhaltliche Ausgestaltungen betrieblicher Versorgungssysteme eigenverantwortlich vornehmen, solange sie nicht gegen gesetzliche Benachteiligungsverbote verstoßen. Die Entscheidung unterstreicht, dass Einschränkungen im Rahmen von Wartezeitregelungen zulässig sind, wenn diese an tätigkeitsbezogene Beiträge und Umlagen gebunden sind und damit ein legitimes Ziel verfolgen.
Konsequenzen für Unternehmen, Mittelstand und Dienstleister
Für Unternehmen, die betriebliche Altersversorgungssysteme anbieten, verdeutlicht die Entscheidung, dass die betriebliche Altersversorgung konsequent an die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit und damit an die Entgeltzahlungspflichten geknüpft bleibt. Für kleine und mittelständische Betriebe, Pflegeeinrichtungen oder auch Onlinehändler ist dies ein wichtiges Signal, da sie häufig gerade mit der Frage konfrontiert sind, wie Unterbrechungszeiten auf Systeme der Altersversorgung wirken. Das Urteil gibt klare Orientierung und reduziert Rechtsunsicherheiten: Unternehmen müssen Zeiten des Erziehungsurlaubs nicht in die Wartezeitberechnung einbeziehen. Gleichzeitig sollten Arbeitgeber jedoch prüfen, ob alternative Modelle oder freiwillige Zusatzleistungen sinnvoll sind, um familienfreundliche Personalpolitik zu stärken und Fachkräfte zu binden.
Gerade im Mittelstand, der in besonderem Maße auf eine langfristige Bindung qualifizierter Mitarbeitender angewiesen ist, entsteht durch das Wissen um die rechtlichen Rahmenbedingungen Handlungsspielraum. Personalabteilungen in Pflegeeinrichtungen oder mittelständischen Produktionsbetrieben können ihre Modelle der Altersversorgung damit rechtssicher ausgestalten und transparent kommunizieren. Auch für Finanzinstitutionen oder Steuerberatende ist das Urteil relevant, weil es die Beratungspraxis erleichtert und klare Vorgaben für die Abzugsfähigkeit sowie die Gestaltung von Umlagenausweisen in der Lohnabrechnung liefert.
Klarheit für Unternehmen und Gestaltungssicherheit
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht, dass betriebliche Altersversorgungssysteme streng an die eigene Beitragsleistung gekoppelt bleiben dürfen. Erziehungszeiten ohne Entgeltanspruch müssen für die Wartezeit nicht berücksichtigt werden, da sie auf objektive Weise aus dem Kreis der umlagefähigen Monate herausfallen. Für Arbeitgeber bedeutet dies Planungssicherheit und die Möglichkeit, ihre betrieblichen Versorgungssysteme rechtssicher fortzuführen. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist zugleich klar, dass Elternzeiten zwar mit Blick auf das Arbeitsverhältnis geschützt sind, beim Erwerb zusätzlicher tariflicher Ansprüche aber Besonderheiten bestehen.
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