Hintergrund der Switch-over-Klausel im Außensteuergesetz
Mit Beschluss vom 3. Juni 2025 (Az. IX R 39/21) hat der Bundesfinanzhof dem Gerichtshof der Europäischen Union eine zentrale Frage zur sogenannten Switch-over-Klausel des § 20 Absatz 2 Außensteuergesetzes vorgelegt. Diese Regelung ordnet für bestimmte Gewinne ausländischer Betriebsstätten an, dass zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung nicht die Freistellungsmethode, sondern die Anrechnungsmethode Anwendung findet. Damit wird die im Ausland erhobene Steuer auf die inländische Steuer angerechnet, anstatt die betreffenden Einkünfte vollständig von der inländischen Steuer zu befreien. Ziel des Gesetzgebers war es, manipulative Gestaltungen durch die Nutzung von Betriebsstätten in Niedrigsteuerländern zu verhindern und eine gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen.
Der Streitpunkt liegt in der Vereinbarkeit dieser nationalen Regelung mit der unionsrechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit. Diese schützt das Recht von Unternehmen und natürlichen Personen, ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat ungehindert aufzunehmen und auszuüben. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs könnte § 20 Absatz 2 Außensteuergesetz gegen dieses Grundrecht verstoßen, da er in bestimmten Fällen eine Schlechterstellung von Unternehmen mit EU-ausländischen Betriebsstätten bewirken kann.
Steuerliche Relevanz für Unternehmen mit Auslandsbezug
Die Entscheidung betrifft in der Praxis vor allem Kapital- und Personengesellschaften, die über ausländische Betriebsstätten verfügen oder eine solche Gründung erwägen. Insbesondere mittelständische Produktions- und Dienstleistungsunternehmen mit Tochtergesellschaften oder Niederlassungen im europäischen Ausland sollten die Entwicklung genau beobachten. Die Freistellungsmethode bedeutet im Regelfall, dass die Einkünfte einer Betriebsstätte nur im Betriebsstättenstaat besteuert werden. Die Switch-over-Klausel greift jedoch ein, wenn der Betriebsstättenstaat ein Niedrigsteuerland ist oder bestimmte Voraussetzungen zur tatsächlichen wirtschaftlichen Aktivität fehlen. Dann ordnet die deutsche Finanzverwaltung die Anrechnungsmethode an, was eine steuerliche Mehrbelastung im Inland zur Folge haben kann.
Für Onlinehändler oder Dienstleistungsunternehmen, die aus Kostengründen Betriebsstätten in anderen EU-Staaten betreiben, kann die Anwendung der Klausel die bisherige Steuerplanung erheblich verändern. Sollte der Gerichtshof der Europäischen Union die deutsche Regelung für unionsrechtswidrig erklären, müssten betroffene Unternehmen mit einer rückwirkenden Anpassung der Besteuerung rechnen. Das kann sowohl Nachzahlungen als auch Erstattungen nach sich ziehen, je nachdem, welche Methode im konkreten Fall zum Tragen kam.
Juristische Einordnung und unionsrechtliche Perspektive
Die wirtschaftliche Kernfrage der Vorlage betrifft das Maß der unionsrechtlichen Gleichbehandlung zwischen Unternehmen mit Sitz und Betriebstätigkeit in verschiedenen Mitgliedstaaten. Artikel 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union garantiert das Recht auf Niederlassung und untersagt jede nationale Maßnahme, die dieses Recht unverhältnismäßig beschränkt. Der Bundesfinanzhof fragt den Gerichtshof daher, ob § 20 Absatz 2 Außensteuergesetz gegen diese Grundfreiheit verstößt, weil er Unternehmen mit Betriebsstätten im Ausland durch eine zwingende Anwendung der Anrechnungsmethode benachteiligt, ohne ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, den wirtschaftlichen Gehalt ihrer Tätigkeit im Betriebsstättenstaat glaubhaft zu machen.
In der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs wurde wiederholt betont, dass steuerliche Sonderregeln grundsätzlich dann zulässig sind, wenn sie auf einer sachlich gerechtfertigten Differenzierung beruhen und der Vermeidung missbräuchlicher Gestaltungen dienen. Ob die Switch-over-Klausel diesen Anforderungen genügt, hängt im Wesentlichen davon ab, ob sie als verhältnismäßige Maßnahme zur Bekämpfung von Steuervermeidung anerkannt werden kann. Denn die Regelung erfasst nicht nur künstliche Gestaltungen, sondern auch Fälle realer wirtschaftlicher Tätigkeit, weshalb die Belastungswirkung teils über das zur Missbrauchsabwehr Erforderliche hinausgeht.
Praktische Auswirkungen und Handlungsempfehlungen
Bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union sollten Unternehmen mit Auslandsbezug ihre innerbetrieblichen Strukturen und steuerlichen Prozesse genau prüfen. Wichtig ist insbesondere die Dokumentation der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit in ausländischen Betriebsstätten, um bei einer späteren gerichtlichen Neubewertung die Ernsthaftigkeit und Substanz der Auslandsniederlassung nachweisen zu können. Steuerberater und Finanzabteilungen sind gut beraten, bestehende Verrechnungspreisstrukturen sowie die Art der Gewinnzurechnung in den betroffenen Staaten zu analysieren und gegebenenfalls anzupassen.
Auch für Pflegeeinrichtungen oder Krankenhausträger, die grenzüberschreitend in der DACH-Region tätig sind, kann die Entscheidung von großer Tragweite sein. Gleiches gilt für Industrieunternehmen mit Produktionsstätten in Polen, Tschechien oder den Niederlanden, bei denen die Wahl zwischen Freistellungs- und Anrechnungsmethode erheblichen Einfluss auf die Steuerquote hat. Eine mögliche unionsrechtliche Korrektur könnte zu einer vorteilhafteren Besteuerung führen und neue Spielräume für steueroptimierte Standortentscheidungen eröffnen.
Abschließend ist festzuhalten, dass die Switch-over-Klausel des Außensteuergesetzes ein komplexes Spannungsfeld zwischen nationalem Steuerrecht und europäischer Grundfreiheit berührt. Unternehmen sollten die künftige Entscheidung des Gerichtshofs genau beobachten und im Vorfeld strategische Anpassungen vorbereiten, um auf mögliche Änderungen flexibel reagieren zu können. Unsere Kanzlei begleitet kleine und mittelständische Unternehmen in allen Fragen der internationalen Steuerplanung und hat sich insbesondere auf die Digitalisierung und Prozessoptimierung in der Buchhaltung spezialisiert. Durch effiziente, digitale Abläufe lassen sich nicht nur steuerliche Risiken minimieren, sondern auch erhebliche Kostenersparnisse erzielen – ein entscheidender Erfolgsfaktor im heutigen Wettbewerbsumfeld.
Gerichtsentscheidung lesen