Die Frage, welches Recht bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen Anwendung findet, beschäftigt zunehmend auch deutsche Arbeitgeber und ihre Personalabteilungen. Besonders komplex wird es, wenn internationale Unternehmen deutsches Personal beschäftigen oder deutsche Arbeitnehmer in Konzernstrukturen im Ausland tätig sind. Das Bundesarbeitsgericht hat jüngst in einem Urteil mit dem Aktenzeichen 2 AZR 96/24 (B) vom 18. Juni 2025 wichtige Leitlinien festgelegt, die nicht nur für große Luftverkehrsunternehmen von Bedeutung sind, sondern auch für mittelständische Arbeitgeber in digitalen Geschäftsmodellen, Pflegeeinrichtungen oder im Onlinehandel Praxisauswirkungen entfalten können.
Kündigung, Rechtswahl und die Rolle zwingender Normen
Im konkreten Fall ging es um die Wirksamkeit einer Kündigung und um den Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Die Parteien hatten in ihrem Arbeitsvertrag US-amerikanisches Recht vereinbart. Nach der sogenannten „Employment-at-will-Doktrin“ ist dort eine Kündigung grundsätzlich jederzeit und ohne Fristeinhaltung möglich. Das Bundesarbeitsgericht stellte allerdings klar, dass trotz Rechtswahl zwingende Normen des deutschen Arbeitsrechts durchschlagen können, sofern der Arbeitsvertrag nach objektiven Anknüpfungspunkten ansonsten deutschem Recht unterfallen würde. Dazu gehören beispielsweise Vorschriften über die Kündigungsfristen in § 622 Bürgerliches Gesetzbuch sowie über den Anspruch auf ein Arbeitszeugnis in § 109 Gewerbeordnung.
Besonders prägnant formulierte das Gericht, dass ein Arbeitnehmer auf die Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses nicht schon während des bestehenden Arbeitsverhältnisses verzichten kann. Ein solcher Verzicht würde die Schutzfunktion dieser Vorschrift aushöhlen, da Arbeitnehmer dadurch erheblich unter Druck geraten könnten. Das Zeugnis bleibt damit ein unverzichtbares Instrument beim beruflichen Fortkommen.
Rechtsklarheit für Unternehmen in der Personalpraxis
Das Urteil verdeutlicht, dass Arbeitgeber mit internationalen Strukturen nicht allein auf eine Vertragsrechtswahl vertrauen dürfen. Zwar können Arbeitsverträge rechtlich wirksam einer ausländischen Rechtsordnung unterstellt werden, gleichwohl greifen zwingende deutsche Schutzgesetze ein, wenn die objektive Verbindung nach Deutschland besteht. Für Unternehmen bedeutet das konkret, dass bei Kündigungen oder Beendigungssituationen neben der ausländischen Rechtslage stets auch geprüft werden muss, ob deutsche Regelungen Anwendung finden.
- Das Schriftformerfordernis einer Kündigung kann im Ausland entfallen, gewinnt aber in Deutschland zwingende Bedeutung.
- Kündigungsfristen nach deutschem Bürgerlichen Gesetzbuch müssen eingehalten werden, wenn deutsche Anknüpfungspunkte bestehen.
- Ein Arbeitnehmer behält auch bei ausländischem Vertragsstatut regelmäßig den Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis.
Damit sind Arbeitgeber gehalten, ihre Verträge und internen Prozesse im Bereich Human Resources sorgfältig rechtlich prüfen zu lassen, um rechtliche Risiken zu vermeiden. Gerade kleine und mittlere Unternehmen sowie Pflegeeinrichtungen oder Onlinehändler mit internationalen Teams können betroffen sein, wenn Mitarbeitende im Ausland wohnen oder Verträge mit ausländischem Bezug bestehen.
Praktische Auswirkungen für Personalabteilungen und Arbeitgeber
Die Entscheidung hat erhebliche praktische Implikationen. Für kleinere Unternehmen, die aus Kostengründen häufig auf länderspezifische Musterverträge zurückgreifen, besteht die Gefahr, dass wesentliche deutsche Schutzvorschriften unberücksichtigt bleiben. Beispielhaft sind Pflegeeinrichtungen, die ausländisches Fachpersonal beschäftigen, oder Onlinehändler mit Remote-Teams. Sie müssen sicherstellen, dass die Vereinbarung ausländischen Rechts nicht dazu führt, dass zwingende Normen des deutschen Arbeits- und Sozialrechts umgangen werden. Personalabteilungen sollten daher Prozesse etablieren, die bei jeder Kündigung automatisiert eine Prüfung des anwendbaren Rechts vorsehen.
Hinzu kommt der Aspekt der Reputation und Arbeitgebermarke. Ein professionell ausgestelltes qualifiziertes Arbeitszeugnis bleibt ein zentrales Dokument nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für die Bewertung der Arbeitgeberkultur. Unternehmen, die hier sorgfältig und rechtskonform handeln, schaffen Vertrauen auf dem Arbeitsmarkt und stärken ihre Stellung im Wettbewerb um Fachkräfte.
Rechtssicherheit und Prozessoptimierung als Zukunftsthema
Die aktuelle Rechtsprechung verdeutlicht die Notwendigkeit, internationale Arbeitsverhältnisse rechtssicher zu gestalten. Wer im Mittelstand oder als spezialisierter Unternehmer internationale Beschäftigte einbindet, muss die Wechselwirkungen zwischen ausländischem Vertragsrecht und zwingendem deutschen Arbeitsrecht beherrschen. Das betrifft gleichermaßen Kündigungsformalitäten, die Einhaltung von Kündigungsfristen wie auch den unentziehbaren Anspruch auf ein Arbeitszeugnis.
Die zentrale Botschaft lautet: Ein Verzicht auf grundlegende Arbeitnehmerschutzrechte ist unzulässig, auch wenn internationale Vertragsklauseln dies vorsehen. Arbeitgeber tun gut daran, Prozesse frühzeitig zu professionalisieren, sämtliche Personalunterlagen zu digitalisieren und rechtliche Prüfmechanismen zu standardisieren. Nur so lassen sich langwierige und teure Rechtsstreitigkeiten vermeiden. Als Kanzlei beraten wir kleine und mittelständische Unternehmen bei der Prozessoptimierung in der Buchhaltung und der Digitalisierung. Dadurch schaffen wir messbare Kostenersparnisse und sorgen gleichzeitig für mehr Rechtssicherheit in der Unternehmenspraxis.
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