Hintergrund und rechtliche Einordnung
Die Frage der geschlechtsneutralen Anrede in gerichtlichen Schreiben hat in jüngster Zeit an Bedeutung gewonnen. In einem aktuellen Beschluss hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden, dass verfahrensleitende Schreiben, in denen eine bestimmte Anredeform verwendet wird, keinen sogenannten Justizverwaltungsakt darstellen. Diese Feststellung ist nicht nur für den konkreten Einzelfall, sondern auch für staatliche Institutionen und Bürgerinnen und Bürger bedeutsam, da sie die Grenzen zwischen richterlicher Tätigkeit und Justizverwaltung präzisiert. Der Entscheidung lag ein Antrag einer nicht-binären Person zugrunde, die sich gegen die wiederholte männliche Anrede in Schreiben des Landgerichts Frankfurt am Main gewandt hatte. Die antragstellende Person verlangte die Feststellung, dass die verwendete Ansprache rechtswidrig sei, und begehrte, dass künftige Schreiben eine geschlechtsneutrale Form verwenden sollten.
Juristisch stützte sich der Antrag auf § 23 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz, der den Rechtsweg bei sogenannten Justizverwaltungsakten eröffnet. Unter einem Justizverwaltungsakt versteht man eine Maßnahme einer Justizbehörde, die eine konkrete einzelne Angelegenheit auf den Gebieten der Strafrechtspflege oder der zivilrechtlichen Verfahren regelt. Diese Definition ist maßgeblich, um zu bestimmen, ob eine bestimmte Entscheidung oder Handlung überhaupt der gerichtlichen Kontrolle durch ordentliche Gerichte unterliegt. Gemäß der Begründung des Oberlandesgerichts fehlt es bei einer bloßen Anrede an einem Regelungsgehalt im rechtlichen Sinne, da sie keinen unmittelbaren Eingriff in Rechte oder Pflichten darstellt, sondern lediglich die äußere Form der Kommunikation betrifft.
Begründung der Entscheidung des OLG Frankfurt am Main
Die Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Frankfurt stellten in ihrer Entscheidung (Az. 3 VAs 9/25) klar, dass die beanstandeten verfahrensleitenden Schreiben ausschließlich organisatorische Inhalte wie Terminänderungen oder die Übersendung von Unterlagen betrafen. Die Anredeform „Sehr geehrter Herr“ sei lediglich ein Bestandteil der formellen Gestaltung dieser Schreiben, nicht aber eine Maßnahme mit rechtlicher Außenwirkung. Genau diese Außenwirkung ist jedoch Voraussetzung für die Annahme eines Justizverwaltungsakts. Das Gericht betonte außerdem, dass das Landgericht Frankfurt im Zusammenhang mit Terminierungen und weiteren prozessleitenden Maßnahmen in richterlicher Unabhängigkeit tätig war. Somit handelte es sich nicht um eine Maßnahme einer Justizbehörde im verwaltungstechnischen Sinn, sondern um justizförmige Verwaltungstätigkeit, die der gerichtlichen Kontrolle nicht zugänglich ist.
Mit dieser Argumentation wies das Oberlandesgericht den Antrag als unzulässig ab. Der eingeschlagene Rechtsweg sei nicht eröffnet, weil es an einem tauglichen Streitgegenstand fehle. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar und entfaltet daher unmittelbare Bindungswirkung für die beteiligtenVerfahrensbeteiligten.
Auswirkungen auf Verwaltung, Unternehmen und Institutionen
Obwohl sich diese Entscheidung in erster Linie auf den Bereich der Justiz bezieht, hat sie auch praktische Relevanz für Verwaltungsverfahren, Kanzleien, Unternehmen und Einrichtungen, die im Austausch mit staatlichen Stellen stehen. Sie unterstreicht, dass formale Aspekte der Kommunikation, soweit sie keine unmittelbare Regelung eines Einzelfalls darstellen, keine Verwaltungsakte sind und daher auch nicht auf diesem Weg angefochten werden können. Für Unternehmen, die regelmäßig mit Behörden kommunizieren, ist dies insofern bedeutsam, als dass sich aus einer bestimmten Anredeform grundsätzlich keine einklagbaren Rechte oder Pflichten ableiten lassen.
Der gesellschaftliche Wandel führt allerdings zunehmend dazu, dass Institutionen und Unternehmen ihre Kommunikationsformen anpassen. Viele Organisationen haben bereits begonnen, geschlechtsneutrale oder inklusive Anredeformen einzuführen. Diese Entscheidung zeigt, dass die rechtliche Verpflichtung dazu derzeit noch begrenzt ist, die Frage der angemessenen Ansprache jedoch aus Sicht der Gleichbehandlung weiterhin sensibel bleibt. Gerade öffentliche Einrichtungen, aber auch Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Onlinehändler mit direktem Kundenkontakt profitieren davon, ihre Kommunikation so zu gestalten, dass sie Diskriminierung vermeidet und dennoch rechtssicher bleibt. Für Personalabteilungen und Rechtsabteilungen bedeutet dies, interne Richtlinien zur Ansprache und zum Schriftverkehr mit Blick auf Gleichstellung und Datenschutz zu überprüfen.
Fazit und Handlungsempfehlung für die Praxis
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt verdeutlicht, dass die Anredeform in gerichtlichen Schreiben – so unzeitgemäß sie im Einzelfall erscheinen mag – keinen justiziablen Verwaltungsakt darstellt und daher nicht isoliert gerichtlich überprüfbar ist. Dennoch zeigt der Fall, dass sich die Kommunikation staatlicher und privater Institutionen zunehmend an gesellschaftlichen Veränderungen orientieren muss. Insofern kann die Entscheidung als rechtlicher Rahmen verstanden werden, innerhalb dessen Organisationen eigenverantwortlich über die Form ihrer Ansprache entscheiden können.
Für Unternehmen, Kanzleien und Institutionen bedeutet dies, Kommunikationsprozesse regelmäßig zu überprüfen und an moderne Erwartungen anzupassen. Eine klare, respektvolle und inklusive Sprache ist Ausdruck professioneller Organisationskultur und kann gleichzeitig Reibungsverluste im täglichen Geschäftsverkehr vermeiden. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen profitieren davon, wenn ihre Verwaltungsvorgänge klar strukturiert und digital abgebildet werden, da so Effizienz und Nachvollziehbarkeit gesteigert werden können. Unsere Kanzlei unterstützt Unternehmen und Organisationen gezielt bei der Digitalisierung und Prozessoptimierung in der Buchhaltung, wodurch erhebliche Kostenersparnisse und nachhaltige Verbesserungen im Ablauf erreicht werden. Wir betreuen Mandanten aller Größenordnungen und verfügen über umfassende Erfahrung in der effizienten Gestaltung moderner Geschäftsprozesse.
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