Rechtlicher Hintergrund zur Amtshaftung
Die Frage, ob Anleger im Falle eines staatlichen Fehlverhaltens Schadensersatzansprüche geltend machen können, ist von erheblicher Bedeutung für die Praxis. Grundlage solcher Ansprüche ist die sogenannte Amtshaftung, die im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist. Danach haftet ein öffentlich-rechtlicher Rechtsträger für Schäden, die durch das schuldhafte Verhalten eines Amtsträgers in Ausübung seiner hoheitlichen Tätigkeit entstehen können. Im aktuellen Fall einer Wirecard-Anlegerin, die gegen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vorging, hat das Oberlandesgericht Düsseldorf jedoch entschieden, dass Schadensersatz nicht zugesprochen wird. Die Entscheidung zeigt, wie hoch die Anforderungen an die Feststellung einer schuldhaften Amtspflichtverletzung und insbesondere an den ursächlichen Zusammenhang zwischen staatlichem Handeln und Schaden liegen.
Ausgangslage und Argumentation der Klägerin
Die Klägerin hatte in den Jahren 2016 und 2019 Aktien der Wirecard AG erworben. Nach der Insolvenz des Unternehmens im Jahr 2020 veräußerte sie diese mit erheblichem Verlust. In ihrer Klage führte sie an, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht durch zwei Maßnahmen den Eindruck erweckt habe, die gegen Wirecard erhobenen Vorwürfe seien unbegründet. Zum einen sei dies der Erlass eines Leerverkaufsverbots, zum anderen die Strafanzeige gegen Journalisten, die kritisch über Wirecard berichtet hatten. Aus Sicht der Klägerin hätten diese Handlungen ihre Entscheidung, weitere Aktien zu erwerben und an der Anlage festzuhalten, maßgeblich beeinflusst.
Im Kern warf sie der Behörde vor, durch ihr Verhalten am Markt falsche Signale gesetzt zu haben, die für sie als Privatanlegerin von ausschlaggebender Bedeutung waren. Ihre Argumentation zielte darauf ab, dass sie ohne diese Einschätzungen vonseiten der Aufsichtsbehörde ein anderes Anlageverhalten gewählt hätte, wodurch der eingetretene Verlust vermeidbar geblieben wäre.
Begründung des Gerichts und rechtliche Einordnung
Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Krefeld und führte aus, dass eine schuldhafte Amtspflichtverletzung nicht gegeben sei. Entscheidend war zunächst, dass der Erlass des Leerverkaufsverbots sich aus der sogenannten ex-ante-Perspektive durchaus als sachlich vertretbar darstellen ließ. Die ex-ante-Perspektive bedeutet, dass Handlungen nach dem damaligen Kenntnisstand beurteilt werden, nicht rückblickend mit dem Wissen späterer Entwicklungen. Angesichts des erheblichen Kursrückgangs, der besonderen Marktstellung von Wirecard und der bekannten Vorgeschichte durch frühere Short-Selling-Attacken sei es aus Sicht des Gerichts nachvollziehbar, dass die BaFin ein Leerverkaufsverbot anordnete. Damit lag kein pflichtwidriges Handeln vor.
Auch die Erstattung einer Strafanzeige gegen Journalisten wurde nicht als Verstoß gegen Amtspflichten gewertet. Eine solche Anzeige erfolgt regelmäßig dann, wenn ein Anfangsverdacht für strafbares Handeln besteht. Aus rechtlicher Sicht bedeutet dies, dass das Unterlassen einer Anzeige unter Umständen sogar ein pflichtwidriges Verhalten darstellen könnte. Somit fehlte es auch hier an der Verletzung einer Amtspflicht.
Darüber hinaus betonte das Gericht die Bedeutung des Kausalitätserfordernisses. Selbst wenn man von einem fehlerhaften Vorgehen ausgehen würde, sei nicht nachweisbar, dass zwischen den Handlungen der BaFin und dem eingetretenen Schaden ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang bestand. Der Vortrag der Anlegerin, die behauptet hatte, dass die Wirecard AG bei einem anderen Verhalten der Behörde früher von Banken nicht weiter finanziert worden wäre, wurde als spekulativ gewertet. Maßgeblich sei, dass die Maßnahmen der Behörde weder als Bestätigung noch als Widerlegung der in Medien erhobenen Vorwürfe verstanden werden konnten. Insbesondere diente das Leerverkaufsverbot lediglich einer Beruhigung des Marktes und stellte keine inhaltliche Stellungnahme zu den Vorwürfen dar.
Praktische Bedeutung für Unternehmen und Anleger
Für Anlegerinnen und Anleger ist diese Entscheidung insofern wegweisend, als sie verdeutlicht, dass die Erwartungen an Schadensersatzansprüche aus staatlichem Handeln im Kapitalmarkt hoch angesetzt werden. Gerade in Situationen, in denen Aufsichtsbehörden Maßnahmen zur Stabilisierung der Märkte treffen, ist nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass daraus Informationspflichten gegenüber dem Markt oder gar verlässliche Aussagen über die Unternehmenslage erwachsen. Für Unternehmen wiederum bedeutet die systematische Abgrenzung der Haftungsrisiken der Aufsicht, dass staatliche Entscheidungen im Bereich Marktstabilisierung in aller Regel nicht zu Ansprüchen Einzelner führen.
Für kleine und mittelständische Unternehmen, die möglicherweise als Anleger tätig sind oder auf Kapitalmarktereignisse reagieren müssen, ergibt sich daraus ein deutlicher Hinweis: Entscheidungen von Aufsichtsbehörden dienen in erster Linie der Regulierung und Sicherung der Marktstruktur, nicht der individuellen Anlegerberatung. Dies sollten sowohl Unternehmerinnen und Unternehmer als auch Institutionen bei der Einschätzung ihrer Anlagestrategien im Blick behalten. Speziell für Finanzdienstleister und Banken gilt, dass Transparenz gegenüber den Kunden über die Reichweite staatlicher Meldungen und Eingriffe unerlässlich bleibt.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zum Aktenzeichen I-18 U 108/24 macht deutlich, dass die Schwelle für Schadensersatz gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sehr hoch liegt. Weder das Leerverkaufsverbot noch die Strafanzeige gegen Journalisten begründen einen Anspruch, da es weder an einer schuldhaften Pflichtverletzung noch an einem nachweisbaren ursächlichen Zusammenhang zum geltend gemachten Schaden mangelte. Für Anleger ergeben sich daraus enge Grenzen, während für Unternehmen eine klare Linie in der Beurteilung behördlicher Verantwortung geschaffen wurde. Es gilt daher, staatliche Maßnahmen stets kritisch einzuordnen und eigene Investitionsentscheidungen unabhängig abzusichern.
Als Kanzlei begleiten wir kleine und mittelständische Unternehmen dabei, ihre Prozesse in Finanzwesen und Buchhaltung zu digitalisieren und effizienter zu gestalten. Unsere langjährige Erfahrung zeigt, dass durch gezielte Prozessoptimierung erhebliche Kostenersparnisse möglich werden, wovon unsere Mandanten unterschiedlichster Branchen nachhaltig profitieren.
Gerichtsentscheidung lesen